Tiefenhirnstimulation

Tiefenhirnstimulation
Stereotaxiegerät zur Platzierung einer Stimulationselektrode

Die Tiefe Hirnstimulation ist ein medizinischer Eingriff in das Gehirn, mit dem krankheitsbedingte Fehlleistungen korrigiert werden sollen. Dabei werden dem Patienten Elektroden implantiert, die über subkutan verlegte Leitungen mit einem Impulsgeber im Bereich der Brust oder dem Oberbauch verbunden sind. Das populär Hirnschrittmacher genannte System stimuliert mit minimalen elektrischen Impulsen fehlgesteuerte Hirnregionen. Bislang wurden weltweit ca. 50.000 Patienten mit einem Hirnschrittmacher operativ versorgt: prospektive kontrollierte und randomisierte Studien der letzten Jahre belegen die anhaltende Wirksamkeit des Therapieverfahrens im individuellen Krankheitsverlauf: nicht nur Krankheitssymptome wie Zittern (Tremor), Steifigkeit (Rigor) und Bewegungsarmut (Bradykinese) werden gebessert, sondern nachweislich auch in ganzheitlicher Hinsicht die Lebensqualität.

Etablierte Anwendungsgebiete sind unter anderem die Parkinson-Krankheit, der Essentielle Tremor oder die Dystonie. In der klinischen Erprobung befinden sich Anwendungen in den Bereichen Epilepsie, Depression, Zwangsstörung, Cluster-Kopfschmerz und Tourette-Syndrom.

Inhaltsverzeichnis

Anwendungsgebiete

Die Methode wird gegenwärtig hauptsächlich bei der Behandlung verschiedener Bewegungsstörungen angewendet, wie den Symptomen der Parkinson-Krankheit, essentiellem Tremor, Tremor bei Multipler Sklerose sowie Dystonie.

Die Tiefenhirnstimulation und ihre Anwendungsgebiete sind Gegenstand aktueller Forschung:

Funktionsweise

Strukturen der Basalganglien

Die Funktionsweise der Tiefenhirnstimulation im Detail ist bisher ungeklärt.[7] Als Steuerelement dient ein kleiner batteriegetriebener und chipgesteuerter Impulsgeber, der unter der Haut der Brustmuskulatur oder am Oberbauch eingesetzt wird. Die Elektroden werden durch kleine Löcher in der Schädeldecke in die Zielregion der Basalganglien der linken und rechten Gehirnhälfte eingeführt.

Bei der Behandlung von Parkinson wird der Nucleus subthalamicus angesteuert, bei essentiellem Tremor der Thalamus ventralis und bei Dystonie der Globus pallidus. Eine Studie der Universitätskliniken Köln und Bonn zur Wirksamkeit bei Depression untersucht die Stimulation des Nucleus accumbens.[7]

Operation

In Deutschland werden an rund 30 Kliniken jährlich etwa 400 Hirnschrittmacher implantiert. Die Implantation ist reversibel.

Die Operation erfolgt in zwei Schritten. Im ersten, werden dem Patienten in einer stereotaktischen Operation kleine Löcher in die Schädeldecke gebohrt, durch die die Elektroden in das Gehirn eingeführt werden. Dabei ist der Patient bei vollem Bewusstsein. Nur so kann mit Hilfe von Teststimulationen die Wirksamkeit der einzelnen Elektroden und damit deren exakte Lage überprüft werden. Der Impulsgenerator (Hirnschrittmacher) wird entweder während dieses Eingriffs oder in einer zweiten, kürzeren Operation am Folgetag implantiert.

Wirkungen

Einer gelungenen Operation können jedoch eine vorübergehende oder länger andauernde Dysarthrie oder ein meist auf ein Jahr begrenztes manisches Verhalten mit inadäquat gehobener Stimmung, abnormer Antriebssteigerung, materiellem Verschwendungsverhalten und starker Einschränkung der persönlichen Leistungsfähigkeit folgen. [8]

Patienten mit erfolglos verlaufener Operation können depressiv werden. [9]

Ethische Diskussion

Da die genaue Wirkungsweise im Gehirn unbekannt ist und es möglich ist, Stimmung und Verhalten zu beeinflussen (Depression, Zwangsstörung, Manie), ist die Tiefenhirnstimulierung auch Gegenstand ethischer Diskussionen. Der Nationale Ethikrat hat im Januar 2006 eine Diskussion über Neuroimplantate geführt. Dabei wurde es im Sinne der Selbstbestimmung als vorteilhaft angesehen, dass die Tiefe Hirnstimulation reversibel ist, das Steuergerät jederzeit abgeschaltet werden kann. [10]

Literatur

  • Ralph Erbacher: Analyse des Einflusses der Stimulationsfrequenz auf den cerebralen Ruheblutfluss bei Patienten mit essentiellem Tremor und tiefer Hirnstimulation im VIM-Thalamus : eine H2-15O-PET-Studie. München, Techn. Univ., Dissertation 2003
  • Isabella Maria Henriette von Falkenhayn: Untersuchungen des regionalen zerebralen Blutflusses bei tiefer Hirnstimulation zur Therapie der Akinese bei Morbus Parkinson. München, Techn. Univ., Dissertation 2000
  • Eleni-Ioanna Anthogalidis: Standardisierter Dokumentationsbogen für endoskopisch stereotaktische Operationen in der Neurochirurgie. Görich & Weiershäuser, Marburg 1998, ISBN 3-89703-224-4
  • Jose M. R. Delgado: Gehrinschrittmacher. Direktinformation durch Elektroden. Ullstein, Frankfurt 1971, ISBN 3-550-07024-1
  • Helmut Dubiel: Tief im Hirn. Kunstmann Verlag, München 2006, ISBN 3-88897-451-8
  • Tass, P.A.; Majtanik, M.: Long-term anti-kindling effects of desynchronizing brain stimulation: a theoretical study. Biological Cybernetics 94, 58-66, 2006
  • Tass, P.A.; Klosterkötter, J.; Schneider, F.; Lenartz, D.; Koulousakis, A.; Sturm, V.: Obsessive-compulsive disorder: Development of demand-controlled deep brain stimulation with methods from stochastic phase resetting. Neuropsychopharmacology 28, 27-34, 2003
  • Hauptmann, C., Popovych, O.; Tass, P.A.: Effectively desynchronizing deep brain stimulation based on a coordinated delayed feedback stimulation via several sites: a computational study. Biological Cybernetics 93, 463-470, 2005
  • Deuschl et al. (2006) A randomized trial of deep-brain-stimulation for Parkinson´s disease. N Engl J Med 355(9):896-908


Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Handelsblatt: Gezielt aus dem Takt gebracht
  2. Schlaepfer T.E,. et al.: Deep brain stimulation for treatment of refractory depression. Lancet (2005)‚ 366(9495): PMID 16243078.
  3. Mayberg HS, Lozano AM, Voon V, McNeely HE, Seminowicz D, Hamani C, Schwalb JM, Kennedy SH.: Deep brain stimulation for treatment-resistant depression. Neuron (2005)‚ 45(5): PMID 15748841.
  4. Schlaepfer TE, Cohen MX, Frick C, Kosel M, Brodesser D, Axmacher N, Joe AY, Kreft M, Lenartz D, Sturm V: Deep Brain Stimulation to Reward Circuitry Alleviates Anhedonia in Refractory Major Depression. Neuropsychopharmacology (2007)‚ PMID 17429407
  5. Leitlinie Cluster-Kopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie bei AWMF online (Stand 10/2005)
  6. Leone M,. et al.: Hypothalamic stimulation for intractable cluster headache: long-term experience. Neurology (2006)‚ 67(1): 150-2 PMID 16832097.
  7. a b Kommt die gesteuerte Persönlichkeit?, Tanja Krämer, Spektrum der Wissenschaft 9/07 S42 ff
  8. M. Ulla et al: Manic behaviour induced by deep-brain stimulation in Parkinson's disease: evidence of substantia nigra implication?, in: Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry 2006; 77: S. 1363-1366
  9. Helmut Dubiel: Tief im Hirn. Kunstmann Verlag, München 2006
  10. Nationaler Ethikrat: Forum Bioethik - Neuroimplantate: Stimulus oder Steuerung?, 25.1.2006
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