- Tiresias
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In der griechischen Mythologie ist Teiresias (griech. Τειρεσίας, lat. Tiresias) ein blinder Prophet, der Sohn des Schafhirten Everes und der Nymphe Chariclo, aus dem Geschlecht des Sparten Udaios.
Teiresias war ein Priester des Zeus. Für seine Erblindung werden in der Mythologie mehrere Erklärungen angegeben. Nach Hesiod[1] war Teiresias zunächst ein Priester des Zeus, der, als er am Berg Kyllini auf ein Paar sich begattender Schlangen stieß, die weibliche tötete, woraufhin er in eine Frau verwandelt wurde. Nun wurde „sie“ Priesterin der Hera, heiratete und hatte Kinder, darunter Manto. Nach sieben Jahren traf „sie“ erneut ein Paar kopulierender Schlangen, von dem „sie“ wiederum eine tötete, diesmal die männliche, woraufhin „sie“ wieder zum Mann wurde.
Aufgrund der Erfahrung mit dem Leben sowohl als Mann als auch als Frau, wurde er von Zeus und Hera gebeten, die Frage zu klären, welches Geschlecht, Mann oder Frau, in der geschlechtlichen Liebe mehr Lust empfinde – Zeus hatte sich für die Frauen, Hera für die Männer entschieden. Als Teiresias Zeus' Meinung unterstützte und offenbarte, als Frau neunmal so viel Lust wie als Mann empfunden zu haben, ließ die wütende Hera Teiresias erblinden, weil er den Männern das Geheimnis der Frauen preisgegeben hatte. Da Zeus dies nicht rückgängig machen konnte, verlieh er Teiresias zum Ausgleich die Gabe des Sehers und siebenfache Lebensdauer.[2]
Eine andere Erklärung der Erblindung des Teiresias ist die, dass er Athene nackt im Bad gesehen habe. Seine Mutter Chariclo bat die Göttin, dies rückgängig zu machen, was Athene jedoch nicht vermochte, so dass sie ihm statt dessen die Gabe verlieh, die Sprache der Vögel zu verstehen, wodurch er zum Auguren wurde, und die Eigenschaft, auch nach seinem Tod in der Unterwelt seine Weisheit zu behalten.[3]
Schließlich wird als Grund angegeben, er habe den Menschen die Geheimnisse der unsterblichen Götter verraten und sei dafür zur Strafe geblendet worden.[4]
Als Seher wurde Teiresias als unfehlbar angesehen. In der griechischen Literatur sind seine Prophezeiungen stets Sinnsprüche, aber niemals falsch. Allerdings gibt er sie nur widerwillig preis.
Im Schauspiel Sieben gegen Theben von Aischylos tötet sich Megareus selbst aufgrund der Vorhersage, dass der freiwillige Tod eines Thebaners Theben retten würde.
Später tritt Teiresias in den Erzählungen um Ödipus auf. In Oedipus tyrannos (Deutsch: König Ödipus) von Sophokles fordert Ödipus Teiresias auf, ihm bei seinen Nachforschungen zum Mörder des Laios, seinem Vater, zu helfen. Teiresias verweigert die direkte Antwort, gibt stattdessen den Hinweis, dass der Täter jemand sei, den Ödipus nicht zu finden wünsche.
Als Ödipus selbst als Täter entdeckt ist, sich selbst geblendet hat und nun umherirrt, tritt Teiresias erneut auf, diesmal in Antigone, ebenfalls von Sophokles. Der König Kreon von Theben verweigert Polyneikes die Beerdigung. Seine Schwester Antigone begräbt ihn heimlich, wird gefasst und dazu verurteilt, lebendig begraben zu werden.
Die Götter drücken ihre Missbilligung darüber durch Teiresias aus. In der Zwischenzeit hat Antigone sich erhängt. Als Kreon an ihrem Sarg ankommt, wird er von seinem Sohn Haimon angegriffen. Anschließend tötet Haimon sich selbst. Als Eurydike, Kreons Frau, vom Tod der beiden erfährt, nimmt sie sich das Leben.
Teiresias starb, nachdem er Wasser aus der Quelle Tilphussa getrunken hatte.[5]
Nachdem Teiresias gestorben war, wurde er in der Unterwelt von Odysseus besucht, dem er wertvolle Hinweise zum weiteren Verlauf seiner Reise, der Odyssee, gab (insbesondere zur Herde des Apollon), denen Odysseus' Männer aber nicht folgten.
Inhaltsverzeichnis
Nachwirken
Die Figur des Teiresias erscheint in einer relativ großen Zahl antiker Werke. Dazu gehören:
- Homer Ilias, 11. Gesang
- Aischylos Sieben gegen Theben
- Sophokles
- Euripides
- Bacchanten
- Iphigenia in Aulis
- Phönizische Frauen
Teiresias erscheint auch mehrfach in den klassischen Werken der Neuzeit und in der modernen Literatur, sowohl als Prototyp des blinden Sehers wie auch als eine Figur mit geschlechtlicher Ambivalenz. Teiresias tritt auf in Dantes Göttlicher Komödie, im Epos Paradise Lost von John Milton, er ist eine Hauptfigur des modernistischen Gedichts Das wüste Land von T. S. Eliot und titelgebend für die komische Oper Les mamelles de Tirésias (Die Brüste des Teiresias) von Francis Poulenc, die auf einem Text des Surrealisten Guillaume Apollinaire basiert.
Von der Zweigeschlechtlichkeit Teiresias' ist auch im Stück The Cinema Show der Gruppe Genesis die Rede.
Im Film wurde Teiresias u. a. von Christopher Lee in Die Abenteuer des Odysseus und Kim Coates in Hercules verkörpert.
Quellen
- ↑ Hesiod Fragmente 271 (Melampodie)
- ↑ Apollodor Bibliotheke 3.6.7 [1]
- ↑ Dieser Erklärung des Pherekydes folgt Kallimachos in seinem Hymnus Das Bad der Pallas (Hymnen 5,77-136 [2]).
- ↑ Hyginus fabulae 67f. 75
- ↑ Apollodor Bibliotheke 3.7.3 [3]
Literatur
- Luc Brisson: Le mythe de Tirésias. Essai d’analyse structurale. Brill, Leiden 1976, ISBN 90-04-04569-4.
- Nicole Loraux: The Experiences of Tiresias. The Feminine and the Greek Man. University Press, Princeton, N.J. 1995, ISBN 0-691-02985-7.
- Emilia Di Rocco: Io Tiresia. Metamorfosi di un profeta. Riuniti, Roma 2007, ISBN 978-88-359-5989-2.
- Gherardo Ugolini: Untersuchungen zur Figur des Sehers Teiresias. Verlag Narr, Tübingen 1995, ISBN 3-8233-4871-X.
Weblinks
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