Tivoli Gotha

Tivoli Gotha
Das Tivoli in Gotha

Das Tivoli ist eine ehemalige Gaststätte im thüringischen Gotha. Es ist das Gründungshaus der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland (SAP), des unmittelbaren Vorgängers der SPD. Das Jahr 1875 wird als das eigentliche Konstituierungsdatum genannt, als am Ende des Vereinigungsparteitages vom 22. bis 27. Mai in Gotha sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) zusammenschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Gebäudes

In der damaligen Sundhäuser Allee wurde 1830 das Gebäude als Gasthaus mit Ausschank, Gasträumen und Saal mit Empore erbaut. Es war zunächst das „Kautz'sche Wirtschaftslocal“. Ab 1848 wurde der „Kaltwasser'sche Saal“ von Ottilie Kaltwasser als Restaurant betrieben. Das Haus bekam seinen Namen „Tivoli“ im Jahr 1885. Da sich gegenüber die „Tivoli-Brauerei Gotha“ befand, erhielt nach Überlieferungen das Gebäude dadurch seinen Namen.[1] Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Stadt Gotha neuer Eigentümer. Bis zum Zweiten Weltkrieg befand sich im Gebäude ein Kindergarten. Der Saal wurde für verschiedene Stadtversammlungen der Stadt Gotha genutzt. 1953 wurde das Gebäude durch seine historische Geschichte zur „Arbeitergedenkstätte Tivoli“ umbenannt und bis zur Wende als Gedenkstätte genutzt. In den weiteren Jahren wurden dringende Sanierungsarbeiten durchgeführt und der „Kaltwassersche Saal“ fast in den Originalzustand zurückversetzt.

Der Gothaer Wilhelm Bock

Wilhelm Bock (1846–1931) war Delegierter der Gothaer Ortsgruppe des ADAV und nahm im August 1869 am Eisenacher Parteitag teil. Große Verdienste erlangte er durch die Vorbereitung des Gothaer Vereinigungsparteitages 1875 im „Tivoli“. Wie aus Überlieferungen bekannt ist, wäre es ohne ihm nicht dazu gekommen. Weiterhin wurde von ihm das „Gothaische Volksblatt“ gegründet. Zu seinen Ehren ist seit 1946 eine Gothaer Straße nach ihm benannt.[2]

Die Gründung der SAP im Tivoli

Köpfe der frühen deutschen Arbeiterbewegung (August Bebel, Wilhelm Liebknecht - obere Reihe, Karl Marx - Mitte, Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle - untere Reihe)

Im Jahr 1873 näherten sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein allmählich an. Es wurden Wege zur Einigung gesucht und gefunden. Das hatte mehrere Gründe – wie zum Beispiel die Reichsgründung, Bismarcks Herrschaft und nicht zuletzt die beginnende Wirtschaftskrise in Deutschland. Eine Vorkonferenz fand am 14. und 15. Februar 1875 statt. Dabei wurde der Programmentwurf erarbeitet. Nachdem August Bebel diesen Entwurf las, verfasste er einen Gegenentwurf. Dieser wurde allerdings mehrheitlich von der SDAP abgelehnt. Auch Karl Marx übte am Entwurf Kritik. In einem Brief an Wilhelm Bracke schrieb er die Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei.[3] Diese „Randglossen“ als theoretische Schrift erlangten als Kritik des Gothaer Programms historische Bedeutung. Das Programm wurde am 25. Mai 1875 einstimmig im „Gothaer Vereinigungs-Congreß“ angenommen. Damit war die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) gegründet.

Mit 129 Delegierten, die ungefähr 25.000 Mitglieder vertraten, war das Ereignis im Gothaer Tivoli der Ursprung der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland. Zu den Reichstagswahlen 1877 konnten eine halbe Million Wähler gewonnen werden. Das Gothaer Programm forderte einen „freien Staat“ und eine „sozialistische Gesellschaft“. [4]

Gedenkstätte Gothaer Parteitag 1875

Ab 1953 wurde das Haus als Gedenkstätte genutzt.[5] Die darin eingerichtete Ausstellung konzentrierte sich neben der Darstellung des Vereinigungsparteitags auf die Anwendung der Grundgedanken der Kritik am Gothaer Programm von Karl Marx und Friedrich Engels in der Arbeiterbewegung, wobei dabei besonders auf die Geschichte der KPD im Sinne der SED eingegangen wurde. Sie war damit ein wichtiger Bestandteil der Geschichtsrezeption der DDR.[6]

Wiedergründung der SPD Thüringen im Tivoli

Nach 115 Jahren wurde im Tivoli Gotha erneut sozialdemokratische Geschichte geschrieben. Es wurde am 27. Januar 1990 der 1. Landesverband der SPD in der damaligen DDR gegründet. Als Ehrengäste waren Willy Brandt und Egon Bahr vertreten.[7]Zitat aus der Rede von Willy Brandt: „Liebe Freunde, ich bedanke mich für die Einladung. Ich bringe herzliche Grüße der weit über Europa hinausreichenden Gemeinschaft von Sozialdemokraten in vielen Teilen der Welt. Ich verbinde damit meine guten Wünsche für die Sozialdemokraten in diesem deutschen Herzland Thüringen.“ [8]

Förderverein Gothaer Tivoli e.V.

Der Verein mit zur Zeit 39 Mitgliedern wurde 1992 in Gotha gegründet. Das Ziel des Vereins ist unter anderem, dass historische Gebäude zu erhalten und es geschichtlich Interessierten aus Deutschland und der Welt zugänglich zu halten.

Siehe auch

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Aus Überlieferungen ist weiterhin bekannt, dass das Restaurant von der „Tivoli-Brauerei Gotha“ mit Bier beliefert wurde. (Ein weiterer Hinweis zur Namensgebung)
  2. Er starb am 22. Juni 1931 und fand seine letzte Ruhestätte als „ein Sohn des Volkes“ auf dem Gothaer Friedhof.
  3. Brief Karl Marx an Wilhelm Bracke. www.zeno.org. Abgerufen am 17.12.2007.
  4. Prof. Dr. Arno Klönne; Förderverein Gothaer Tivoli e.V. (Hrsg.): 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli. Druck & Werbung, Gotha 2000, S. 10 (Die Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie). 
  5. Tivoli, SPD Gründungsstätte. In: www.gotha.de. www.gotha.de. Abgerufen am 13. Oktober 2008.
  6. Museen der Stadt Gotha (Hrsg.): Gedenkstätte Gothaer Parteitag 1875. Gotha (Faltblatt der damaligen Gedenkstätte). 
  7. 12 Rundfunk– und Fernsehanstalten berichteten live aus dem Tivoli.
  8. Förderverein Gothaer Tivoli e.V. (Redaktion); Förderverein Gothaer Tivoli e.V. (Hrsg.): 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli. Druck & Werbung, Gotha 2000, S. 20 (Rede auf dem Wiedergründungsparteitag der SPD Thüringen (Auszüge)). 

Literaturverzeichnis

  • Marlies Mikolajczak: 1875-2000: 125 Jahre Gothaer Parteitag und Gothaer Programm; Gothaer Tivoli Geburtsstätte der Sozialdemokratie. 1. Auflage. Druck & Werbung, Gotha 2000. 
  • Susanne Miller; Heinrich Potthoff: Kleine Geschichte der SPD: Darst. und Dokumentation 1848-1990. 7. Auflage. J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 1991, ISBN 3-87831-350-0, S. 539. 
  • Thomas Meyer, Susanne Miller, Joachim Rohlfes (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Darstellung, Chronologie, Dokumente. 3.Bde., Bonn 1984, ISBN 3-923423-11-x (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 207). 

Weblinks

50.94388888888910.6977777777787Koordinaten: 50° 56′ 38″ N, 10° 41′ 52″ O


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