- Translatio Imperii
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Translatio imperii (lat. Übertragung des Reichs) ist eine Theorie des Mittelalters und der frühen Neuzeit, derzufolge ein Weltreich das andere ablöst.
Es handelt sich dabei um eine im Mittelalter verbreitete Geschichtsauffassung, derzufolge Geschichte linear verläuft und eine Herrschaft (eines Fürsten oder eines Landes) stets zu einer Folgeherrschaft (eines anderen Fürsten oder Landes) führt. Weiterhin trennten mittelalterliche Geschichtsschreiber nicht zwischen göttlicher und weltlicher Geschichte, da diese in ihren Augen zusammenhingen.
Inhaltsverzeichnis
Wurzeln der translatio imperii
Die Idee der translatio imperii basiert auf der aus dem Buch Daniel stammenden Vier-Reiche-Lehre.
Translatio imperii im Mittelalter
In seinem Kommentar zum Buch Daniel ordnete der Kirchenvater Hieronymus von Stridon der Textstelle andere Reiche zu: Babylon, Persien, Griechenland und Rom. Nach dem letzten Reich sollte das Weltende folgen. Um den Untergang der Welt hinauszuzögern, wollte man im Mittelalter den Fortbestand des Römischen Reichs verlängern, indem man ein anderes Reich an seine Stelle setzte. Diese Lehre konnte aber auch zur Legitimation des eigenen universalen Machtanspruches herangezogen werden. Zunächst beanspruchte das Byzantinische Reich, Nachfolger Roms zu sein, anschließend das Frankenreich (Kaiserkrönung Karls des Großen in Rom durch Papst Leo III. am 25. Dezember 800) und schließlich das Ostfränkische Reich. Im ostfränkischen Reich war diese Auffassung seit der Kaiserkrönung Ottos des Großen 962 schon im Namen ersichtlich: "Heiliges Römisches Reich".
Auch diese Übertragung der römischen Kaiserwürde wird als translatio imperii bezeichnet. Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stützten sich auf ihre römischen Vorgänger und leiteten so ihre Befugnis ab, selbst Recht zu setzen. Sichtbarer Ausdruck für den Fortbestand römischer Tradition war die Übernahme des römischen Reichsadlers als Wappenzeichen des mittelalterlichen Kaisertums. Im Zusammenhang mit dieser Lehre steht auch die Anwendung des Corpus Iuris Civilis, eines Gesetzeswerkes des oströmischen Kaisers Justinian I. Die Vorschriften wurden zwar gewohnheitsrechtlich übernommen, im Mittelalter bestand aber das Bedürfnis, die Geltung dieser Rechtssätze auf eine Autorität zu stützen. So entstand die Legende, Kaiser Lothar habe dieses Gesetzeswerk wiederentdeckt und zu geltendem Recht erklärt (Lotharische Legende). Auf der Grundlage der translatio imperii erschien es auch konsequent, römisches Recht fortzuführen.
Gelehrte unterschiedlicher Herkunft versuchten, ihr Land an das Ende einer Herrschaftskette zu setzen, und entwickelten alternative Interpretationen der translatio imperii:
- Otto von Freising (deutscher Bischof, 12. Jh.): Rom → Byzanz → Frankenreich → Langobardenreich → Heiliges Römisches Reich
- Chrétien de Troyes (französischer Dichter, 12. Jh.): Griechenland → Rom → Frankreich [1]
- Richard de Bury (englischer Bischof, 14. Jh.): "Athen" (Griechenland) → Rom → "Paris" (Frankreich) → Großbritannien
Translatio imperii in der Neuzeit
In der Neuzeit setzten sich die aufstrebenden Großmächte Spanien (16. Jahrhundert), Frankreich (17. Jahrhundert) und England (17. Jahrhundert) in die Tradition der translatio imperii, teils im Glauben, als fünftes Reich das Königreich Gottes zu verwirklichen, teils ohne den apokalyptischen Bezug.
Inzwischen trat eine weitere Auffassung hinzu, die der zivilisatorischen Westwanderung. Dem Lauf der Sonne folgend (ex oriente lux) hatte sich das sein Zeitalter beherrschende Land und damit Zentrum der damaligen Zivilisation immer weiter nach Westen verschoben, z.B.: Persien → Griechenland → Rom → Spanien oder: Persien → Griechenland → Rom → England.
Diese Auffassung war besonders in den jungen Vereinigten Staaten verbreitet. Die ehemaligen Kolonisten sahen sich und ihre Staatsform den absolutistischen Systemen der Alten Welt überlegen und leiteten daraus in ihrem Fortschrittsoptimismus einen Übergang der Zivilisation vom englischen Empire auf das fünfte Reich, god's own country, ab. Für den Aufbau eines den Vorgängerimperien vergleichbaren Reiches war eine weitere Besiedlung des amerikanischen Kontinents nötig (s. Manifest Destiny). Als Rechtfertigung für den amerikanischen Imperialismus um 1900 wurde die Idee wieder aufgegriffen, das "Licht der Zivilisation" weiter nach Westen über den Pazifik (z.B. auf die Philippinen) zu tragen.
Vertreter des Gedankens eines fünften Reichs in Amerika waren z.B. George Berkeley (möglicherweise identisch mit George Berkeley) und Josiah Strong.
Literatur
- Heinz Thomas: Translatio Imperii, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, Sp. 944–946.
Siehe auch
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