- Tratzerter
-
Der Zwiefache ist ein Volkstanz aus dem süddeutschen Raum im schnellen Tempo mit Taktwechsel.
Inhaltsverzeichnis
Verbreitung
Das Hauptverbreitungsgebiet des Zwiefachen ist Ostbayern, vor allem Niederbayern, Holledau, die Oberpfalz und Mittelfranken, er war und ist aber auch im Schwarzwald, in Österreich, im Elsass und in Tschechien bzw. im Sudetenland bekannt.
Zum Namen
Es wird behauptet, dass das Wort Zwiefach (zuerst dokumentiert 1780) nicht von den meist zwei verschiedenen Rhythmen stammt, sondern vom paarweisen Rundtanz, in dem sich zwei Personen verschiedenen Geschlechts eng umschlungen drehen, was in früheren Zeiten aus Sittlichkeitsgründen nicht selbstverständlich war.
Diese Tanzform hatte ursprünglich in verschiedenen Regionen vor allem andere Bezeichnungen, wie Schweinauer, Schleifer, Übernfuaß, Mischlich, Grad und Ungrad, Neu-Bayerischer und vor allem Bairischer, was ursprünglich Bäuerischer Tanz bedeutete und manchmal zur Verwechslung mit dem Boarischen (Bayrisch-Polka) führt. Im Schwarzwald ist die Bezeichnung Heuberger gebräuchlich. In der nördlichen Oberpfalz wird der Tanz auch Dableckerter oder Tratzerter genannt wegen der für die Tänzer schwierigen Ausführung.
Der Name Zwiefacher ist jedoch derzeit die weit überwiegende Bezeichnung für Melodie- und Tanzformen mit verschiedenen Rhythmen.
Tanzausführung
Das Paar dreht sich schnell, meist in geschlossener Walzerhaltung, ähnlich dem im Volkstanz überlieferten Walzerrundtanz, selten auch in halboffener Fassung.
Das besondere Merkmal dieses Tanzes ist der Wechsel zwischen ungeradem und geradem Takt, also meist zwischen 3/4- und 2/4-Takt, selten auch 4/4-Takt. Der Taktwechsel kann dabei regelmäßig erfolgen - z. B. jeweils zwei Takte in den verschiedenen Rhythmen -, aber auch nur vereinzelt oder unregelmäßig im Stück auftreten.
Tänzerisch entspricht dem Wechsel zwischen 3/4- und 2/4-Takt ein Abwechseln zwischen Walzerschritten und Dreherschritten, seltener auch Polkaschritten (Wechselschritten), etwa beim Driefachen, beim Weiß-Blau oder bei den Zwiefachen des Kuhländchens.
Notation
Ungewöhnlich ist die musikalische Notation:
- In der überlieferten Notation wurden im geraden Takt die Töne nur mit halber Länge notiert, eine Achtelnote im geraden Takt wird also genau so lang gespielt wie eine Viertelnote im ungeraden Takt. Diese Notation entspricht dem tänzerischen Blickwinkel und bildet die Verteilung der Schritte ab: pro Viertel wird eine Gewichtsverlagerung ausgeführt bzw. pro Schritt wird eine Viertelnote notiert.
- Derzeit ist jedoch auch beim Zwiefachen die metrische Notation üblich, bei der Noten gleichen Wertes auch gleich lang gespielt werden, was eher der Sicht der Musizierenden entspricht.
Texte
Viele Zwiefache sind schwierig zu tanzen. Daher haben sich die vielen Liedtexte zu den Tanzmelodien verbreitet. Es gibt aber immer wieder auch neue Texte zu den alten Melodien, etwa Hunger kriag i glei (McDonald’s-Parodie) der Gruppe „Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn“ zum überlieferten Suserl-Zwiefachen.
In alten Zeiten haben die Tänzer einen Zwiefachen bestellt, indem sie ihn der Musik vorsangen. Konnte die Musik dies nicht nachspielen, wurde sie verspottet. Auch dazu waren die Texte notwendig.
Historisches
Angeblich entstanden die ersten Zwiefachen in der Zeit vor der Erfindung des Taktstriches. In Lautenbüchern aus dem 16. Jahrhundert sind Musikstücke mit Taktwechseln in der Art des Zwiefachen überliefert. Ob dazu auch getanzt wurde, ist nicht bekannt. Da das Besondere beim Zwiefachen die Verbindung Taktwechsel-Schrittwechsel ist, können diese Formen eigentlich noch nicht als Zwiefache bezeichnet werden.
Wenige Archivfunde lassen auf sein Alter schließen. Im Stadtarchiv Amberg liegt eine um 1730 datierte Musikhandschrift, die einen reinrassigen Zwiefachen enthält (Mandora-Tabulatur, Parthia 3tia, Titel Aria). Der Name taucht 1780 das erste Mal auf: In einem Gerichtsprotokoll des Hofmarkrichters in Wolfersdorf (Hallertau) heißt es: „Diese Tanzart wird unter dem Bauernvolk das ‚zwyfach Danzen‘ genannt“ (Staatsarchiv für Oberbayern, Briefprotokolle Moosburg Nr. 646). Vier Bauernburschen hatten am 12. November 1780 das Tanzverbot missachtet und sich „erfrecht [...], in der hiesigen Wirtstafern am 12. November 1780 unanständig und ärgerlich zu tanzen und die Füße mit den der Weibsbilder ihrigen durcheinander zu schlingen“. Ob damals nur zu zwyen, also paarweise getanzt wurde, oder tatsächlich Zwiefach getanzt wurde, bleibt verborgen.
Johann Andreas Schmeller spricht in seinem 1827 veröffentlichten Bayerischen Wörterbuch vom „Zwifach tanzen, d. h. nach der älteren bayerischen Manier, deren Musikweise im bekannten Volksliede der Nagelschmied nachgeahmt und ausgedrückt ist“ . Der Nagelschmied ist heute noch ein beliebter Zwiefacher, daher ist damit das erste Mal der Zwiefache nachgewiesen, und zwar für die Zeit 'älter als 1827'.
Mit großer Wahrscheinlichkeit entstand der Zwiefache in der Zeit, die auch Walzer und Polka hervorgebracht hat.
Beispiele in der Kunstmusik
- Carl Orff hat in seiner Vertonung der Carmina Burana einen Tanz als Zwiefachen komponiert.
- Bedřich Smetana hat im zweiten Akt seiner Oper „Die verkaufte Braut“ den Furiant, eine tschechische Variante des Zwiefachen, als Bauerntanz verwendet.
Einige Arten des Zwiefachen
(mit Noten und Tanzbeschreibung)
- regelmäßiger Wechsel alle zwei Takte: Beispiel Boxhamerisch-Zwiefach
- unregelmäßiger Wechsel: Beispiel Riki-Zwiefach von Alfred Gieger
- Driefach oder Trifach, Wechsel zwischen Walzer, Polka und Dreher: Beispiel „Ja wann der Bauer“
- Weißblau oder Blauweiß, Wechsel zwischen Dreher und Polka: Beispiel Weißblau
- steigende Taktanzahl, Beispiel Naglschmied, der älteste überlieferte Zwiefache
Literatur
- Adolf J. Eichenseer und Wolfgang A. Mayer (Hg.): Volkslieder aus der Oberpfalz und angrenzenden Gebieten. Band 1: Gesungene Bairische (= Volkslieder aus der Oberpfalz und angrenzenden Gebieten 1). Mittelbayerischer Verlag, Regensburg 1976, ISBN 3-931904-78-4
- Felix Hoerburger: Die Zwiefachen. Gestaltung und Umgestaltung der Tanzmelodien im nördlichen Altbayern. Neuauflage der Ausgabe Berlin 1956, Laaber-Verlag, Laaber 1991, ISBN 3-89007-264-X
- Corina Oosterveen und Ute Walther: Zwiefache, 77 Taktwechseltänze aus Bayern, Franken, Schwaben, der Pfalz und dem Elsass. Noten, Beschreibungen, Historie; Fidula Verlag
- Dazu Begleit-CD der Gruppe Aller Hopp: Zwiefache, 24 Taktwechseltänze aus Bayern, Franken, Schwaben, der Pfalz und dem Elsass - CD; Fidula Verlag
- als Audio-CD: Corina Oosterveen, Ute Walther, Aller Hopp: Zwiefache, 24 Taktwechseltänze aus Bayern, Franken, Schwaben, der Pfalz und dem Elsass. 48 Min., FidulaFon
- Audio-CD: Bernd Dittl: Dittl zum Danzn. Zwiefach daham. 57 Min., Schlachthaus Musik ALCD2001-03 LC01139
Weblinks
- Zwiefache - Lieder Sammlung zum Zwiefache tanzen
Siehe auch
Wikimedia Foundation.