Tristram Shandy

Tristram Shandy

Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman (engl. The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman; kurz Tristram Shandy) ist ein neunbändiger, zwischen 1759 und 1767 erschienener Roman des englischen Schriftstellers Laurence Sterne.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Stil

Schon der Titel ist als Parodie lesbar, nämlich auf das Werk über Leben und Lehren berühmter Philosophen des griechischen Schriftstellers Diogenes Laertios. In dem Roman schildert der Ich-Erzähler Tristram Shandy die Geschichte seines Lebens. Verzichtet wird dabei sowohl auf die chronologische Szenenfolge, die zu dieser Zeit weitgehend üblich war, als auch auf eine stringente Handlungsführung. Anstelle der Stringenz werden abschweifende Assoziationen verfolgt und zugelassen, was formale Innovationen der Avantgarde des 20. Jahrhunderts wie etwa den Stream of consciousness vorwegnimmt. In einer Umbruchszeit der Schriftstellerei, die mit der Industrialisierung und der Auflösung der poetischen Maßstäbe der französischen Klassik zu tun hat, erscheint er als Satire auf neue, sich erst entwickelnde Genres wie den Entwicklungsroman oder die Autobiografie.

Der Roman arbeitet mit der Verschränkung unterschiedlicher Zeitebenen; ein wesentlicher Teil der erzählten Zeit spielt vor der Geburt Tristrams und behandelt etwa die Problematik der Taufe des Kindes im Mutterleib (bei schwierigen und gefährlichen Geburten), die Auswirkung von Namen auf das Leben ihres Trägers und die geburtshelferischen Fähigkeiten der Hebamme beziehungsweise des Arztes. Ein weiterer Teil behandelt ein Steckenpferd des Vaters, die Nasenforschung, sowie die Notwendigkeit von Steckenpferden überhaupt.

Der Roman reflektiert sowohl seine eigene Wirkung auf den Leser als auch die Schreibmotivation und die Situation des Schreibenden. Darin ist er zugleich ein Vorreiter der später von A. W. Schlegel als romantische Ironie bezeichneten Schreibweise. In seinem Werk Die Romantische Schule (geschrieben 1832/33) hebt auch Heinrich Heine diesen Roman als brillant und innovativ hervor.

Aus diesen Gründen gilt Tristram Shandy als Vorläufer der sogenannten experimentellen Literatur, in der das, was erzählt wird, mit der Art und Weise, wie erzählt wird, gleichberechtigt ist.

Robert K. Merton nannte in Anlehnung an diesen Roman sein Werk On the Shoulders of Giants im Untertitel A Shandean Postscript.

Illustrationen zum Roman von Henry William Bunbury (London, 1773)

Verfilmung

Ausgaben

  • Band 1 & 2: Ann Ward, York 1759
  • Band 3 & 4: Dodsley, London 1761
  • Band 5 & 6: Becket & Dehont, London 1762
  • Band 7 & 8: Becket & Dehont, London 1765
  • Band 9: Becket & Dehont, London 1767
  • The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. 3 Bände (inklusive Kommentarband). Herausgegeben von Melvyn und Joan New. University Presses of Florida, Gainesville 1978–84; Penguin Classics, 2003, ISBN 0141439777
deutsch
  • Das Leben und die Meynungen des Herrn Tristram Shandy. Anonyme Übersetzung. 2 Bände. Lange, Berlin/Stralsund 1769
  • Tristram Schandis Leben und Meynungen. Übersetzt von Johann Joachim Christoph Bode. Hamburg 1774; verbesserte Auflage 1776
  • Leben und Meinungen des Herrn Tristram Shandy. Übersetzt von Adolf Seubert. Reclam, Leipzig 1880 (Online-Text beim Projekt Gutenberg-DE)
  • Leben und Meinungen des Herrn Tristram Shandy. Übersetzt von Bruno Wolfgang. Stephenson, Berlin 1939
  • Das Leben und die Ansichten Tristram Shandys. Übersetzt von Rudolf Kassner. Dieterich, Wiesbaden 1946; Diogenes, Zürich 1982, ISBN 3-257-20950-9
  • Das Leben und die Meinungen des Tristram Shandy. Übersetzt von Siegfried Schmitz nach J. J. Bode. Winkler, München 1963; Artemis und Winkler, München/Zürich 1991, ISBN 3-538-05194-1
  • Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt von Otto Weith. Reclam, Stuttgart 1972, ISBN 3-15-001441-7
  • Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt von Adolf Seubert, revidiert von Hans J. Schütz. Insel-Verlag, Frankfurt 1982, ISBN 3-458-32321-X
  • Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt von Michael Walter. 9 Bände. Haffmans, Zürich
    • Band 1. 1983, ISBN 3-251-20001-1
    • Band 2. 1984, ISBN 3-251-20002-X
    • Band 3. 1986, ISBN 3-251-20003-8
    • Band 4. 1987, ISBN 3-251-20004-6
    • Band 5. 1988, ISBN 3-251-20005-4
    • Band 6. 1988, ISBN 3-251-20006-2
    • Band 7. 1989, ISBN 3-251-20007-0
    • Band 8. 1990, ISBN 3-251-20008-9
    • Band 9. 1991, ISBN 3-251-20009-7
      • Taschenbuchausgabe in neun Bänden: dtv, München 1994, ISBN 3-423-59024-6; Ausgaben in einem Band: Haffmans, Zürich 1999, ISBN 3-251-20284-7; Eichborn, Frankfurt 2006, ISBN 978-3-8218-0733-1
Hörbucher
  • Tristram Shandy. Gekürzte Ausgabe. Vorgelesen von John Moffatt. Naxos AudioBooks, 1997, ISBN 9626341211
  • Tristram Shandy. Vorgelesen von Harry Rowohlt. In der Übersetzung von Michael Walter. Kein und Aber, Zürich 2006, ISBN 3-0369-1174-X

Literatur

  • Helmut Draxler (Hrsg.): Shandyismus. Autorschaft als Genre. Merz & Solitude, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-937982-17-5 (Katalog zur Ausstellung in der Secession Wien und dem Kunsthaus Dresden)
  • Alexander Huber: Auflösung der Konzepte des Paratexts: Laurence Sternes „Tristram Shandy“ (1759-67). In: Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts. Magisterarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 1997, S. 77–98 (PDF; Kapitel 5)
  • Wolfgang Iser: Laurence Sternes „Tristram Shandy“. inszenierte Subjektivität. Fink, München 1987, ISBN 3825214745
  • Christian Schuldt: Selbstbeobachtung und die Evolution des Kunstsystems. Literaturwissenschaftliche Analysen zu Laurence Sternes „Tristram Shandy“ und den frühen Romanen Flann O’Briens. Transcript, Bielefeld 2005, ISBN 3899424026
  • Horst Strittmatter: The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. In: Kindlers neues Literatur-Lexikon. Band 15. S. 968ff.

Weblink


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