Trägheitseinschlussfusion

Trägheitseinschlussfusion

Die Trägheitsfusion ist ein Verfahren zur Auslösung einer kettenreaktionsartig ablaufenden Kernfusion von Deuterium und Tritium.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

Anders als beim magnetischen Einschluss des Fusionsplasmas (siehe Kernfusionsreaktor und Fusion mittels magnetischen Einschlusses) wird beim „Trägheitseinschluss“ das Lawson-Kriterium dadurch erfüllt, dass der Brennstoff durch sehr schnelle Energiezufuhr extrem verdichtet und aufgeheizt wird. Die nötige Einschlussdauer beträgt dann nur Nanosekunden. Während dieser kurzen Zeit genügt die Massenträgheit des Plasmas selbst, um es zusammen zu halten; daher die Bezeichnung Trägheitsfusion. Die Trägheitsfusion kann für sich in Anspruch nehmen, dass ihr Funktionieren mit Energiegewinn bereits praktisch nachgewiesen ist, denn die Wasserstoffbombe arbeitet nach diesem Prinzip.

Verfahren

Durch hochenergetische, genügend fein fokussierbare Licht- oder Teilchenstrahlen (siehe Treiber) kann eine kleine Menge Fusionsbrennstoff innerhalb eines Reaktorgefäßes sehr schnell aufgeheizt werden. Diese Strahlen – mindestens zwei Strahlen aus entgegengesetzten Richtungen, in den meisten Konzepten aber weit mehr – treffen das Target, einen Hohlkörper von einigen Millimetern Größe. In dessen Innerem befindet sich eine kleine Kugel aus einigen Milligramm Fusionsbrennstoff in fester Form, etwa gefrorenes Deuterium-Tritium-Gemisch.

Durch die Erhitzung bildet sich im Hohlkörper ein Röntgenstrahlungsfeld (siehe Hohlraumstrahlung). Dieses bringt eine äußere Schicht des Brennstoffs zum Verdampfen, wodurch der restliche Brennstoff konzentrisch zusammengedrückt, in den Plasmazustand gebracht und die Fusions-Kettenreaktion „gezündet“ wird. Ursprüngliche Hoffnungen, man könne die mit dünnem Glas oder Metall umhüllte Brennstoffkugel ohne Zwischenschaltung des Strahlungshohlkörpers direkt mittels der „Treiberstrahlen“ genügend gleichmäßig komprimieren, haben sich als unrealistisch erwiesen.

Nutzen

Experimentelle Beobachtungen des Brennvorganges in einem Fusionsplasma extrem hoher Dichte sind bei einer Wasserstoffbombe nicht möglich, denn deren Energieausstoß ist durch die zur Zündung notwendige Kernspaltungs-Explosion nach unten begrenzt – eine Reaktionskammer und Sensoren würden dabei stets zerstört. Mit der Trägheitsfusion ist es durch die Reduzierung der Zündenergie und die geringe Energie der Fusion, die durch die Targetgröße gesteuert wird, möglich, eine Reaktionskammer einzusetzen. Damit können nun bisher unzugängliche Details des Fusionsprozesses untersucht werden.

Diese Untersuchungen sind vor allem von militärischem Interesse, als Ersatz für die früher von den Nuklearmächten durchgeführten Kernwaffentests. Die Versuchsanlagen NIF in den USA und LMJ in Frankreich (siehe unten) werden zu diesem Zweck gebaut und im wesentlichen aus militärischen Budgets finanziert. Die im Bau befindlichen Anlagen sind somit nicht auf die Entwicklung von Trägheitsfusions-Kraftwerken ausgerichtet. Als Motive für die hohen Investitionen wird teils auch die „Soziologie der Waffenlabore“ angeführt, da diese nach dem Zurückfahren der atomaren Aufrüstung neue Projekte bräuchten, um junge Wissenschaftler anzuziehen.[1]

Die Erzielung eines Netto-Energiegewinns scheitert aktuell auch am Wirkungsgrad der Treiber.

Treiber

Theoretisch untersucht werden Konzepte mit Laser-, Leichtionen- und Schwerionenstrahlen. Experimentell ist bisher nur die Lasertechnik nennenswert weit entwickelt worden.

Lasergetriebene Versuchsanlagen

Das NIF (National Ignition Facility) ist im Lawrence Livermore National Laboratory im kalifornischen Livermore im Bau. Auf einer Fläche von 20.000 m² werden 192 Hochleistungslaser installiert, deren Strahlen in einer kugelförmigen Reaktionskammer von 10 Metern Durchmesser zusammenlaufen, in deren Mitte der wenige Millimeter große Hohlkörper angebracht wird. Die Anlage soll 2009 den vollen Betrieb aufnehmen und 2010 erstmals die Zündung einer Fusionskettenreaktion erreichen.

Das französische LMJ (Laser Mégajoule) wird seit 1994 in der Nähe von Bordeaux entwickelt und seit 2004 aufgebaut. Aktuell ist mit dem LIL (ligne d'intégration laser) eine erste Anlage zur Erprobung der Techniken im Betrieb. Hier werden auf einer Fläche von 10.000 m² 360 Blitzlampen eingesetzt, die 15 MJ (Megajoule) gespeicherte elektrische Energie umsetzen. Die geplante LMJ-Anlage soll auf 40.000 m² 10.800 Blitzlampen und 440 MJ einsetzen.[2] Projektträger ist das CEA (Commissariat à l'Énergie Atomique), die französische Atomenergiebehörde, die auch für militärische Forschung zuständig ist.

Ionenstrahltreiber

Für Kraftwerkszwecke, also eine Netto-Energiegewinnung, sind Hochleistungs-Lasertreiber nicht geeignet, weil der Wirkungsgrad und auch die mögliche Blitz-Folgefrequenz zu gering sind.

Schwerionenstrahlen[3] haben eine sehr viel höhere Energiedichte als Laserstrahlen und könnten – mit im Wesentlichen bekannter Technologie – mit viel besserem Wirkungsgrad erzeugt werden. Auch Leichtionenstrahlen (beispielsweise Lithiumionen, siehe Weblink 2 unten) haben physikalisch und beschleunigertechnisch verschiedene Argumente für sich. Jedoch wird die ionengetriebene Fusion derzeit (2007) nirgends mit ernsthaftem Aufwand, im Vergleich zur lasergetriebenen Fusion oder gar zur Fusion mit magnetischem Einschluss, weiter erforscht.

Einzelnachweise

  1. H. Darnbeck: US-Militär will Kernfusion im Kleinformat erforschen. In: Spiegel-Online vom 25. März 2008
  2. cea.fr: Le prototype de la LIL. eingesehen am 30. März 2009 (franz.)
  3. Trägheitsfusion mit Schwerionenstrahlen. (PDF; nur nach Akzeptieren eines Sicherheitszertifikates zugänglich)

Weblinks


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