- Trümmerbahnen
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Mit Trümmerbahn bezeichnet man schienengebundene Transportmittel, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in mehr als 20 deutschen Städten eingesetzt wurden. Dazu zählen in erster Linie die aus Torfstichen, Ziegeleien, Bergwerken usw. bewährten Feldeisenbahnen, dann die Arbeitsstraßenbahnen und sogar auch Normalspur-Eisenbahnen, die auf provisorisch in Straßen verlegten Schienen betrieben wurden (Beispiel Berlin). Die Hauptaufgabe der Trümmerbahn war der Transport der von den zuvor vollständig abgeräumten zerstörten Gebäuden entstandenen Materialreste. Diese wurden zu großen Zwischenlagerplätzen oder Endlagerstätten gefahren. Beladen wurden diese Bahnen häufig durch die Trümmerfrauen.
Städte, in denen Trümmerbahnen fuhren
- Berlin
- Braunschweig
- Dresden
- Essen
- Frankfurt
- Hamburg
- Hannover
- Heilbronn
- Karlsruhe
- Köln
- Leipzig
- Magdeburg
- Mainz
- Mannheim
- München („Bockerlbahn“)
- Münster
- Nürnberg
- Osnabrück („Trümmerexpress“)
- Stuttgart
- Ulm
- Würzburg
- Zerbst
Die Landesarchive und Stadtarchive der gelisteten Städte besitzen diverses Material, zeigen aber in der Regel dieses nur in Sonderausstellungen, so etwa die Deutsche Fotothek in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, das Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek oder das Historische Museum Hannover in Hannover. Das Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt (Main) beherbergt das frühere Frankfurter Stadtarchiv.
Die Trümmerbahn in Berlin
Nachweislich waren auf den Berliner Straßen mindestens 89 Firmen mit ihren Feldeisenbahn-Anlagen zwischen 1945 und 1954 eingesetzt. Insgesamt mussten in der deutschen Hauptstadt rund 75 Millionen Kubikmeter Trümmer beseitigt werden. Von dieser Transportmenge entfiel nur ein sehr geringer Teil auf andere Transportmittel wie Pferdewagen, Lastautos oder Schiffe. Eine Gesamtstrecke von 300 km Schienen ließ sich recherchieren, die jedoch weder zeitlich noch örtlich zusammenhängend war. Die längste Strecke wurde zwischen 1948 und 1953 zwischen dem Schlossplatz in Berlin-Mitte und einer großen Kippe in Friedrichsfelde mit 15 km betrieben.
Große Trümmermengen kamen auf große Endlagerflächen, salopp als Kippe bezeichnet. Zu nennen sind vor allem die folgenden Lager, die heute noch bestehen und meist als Parks in die Stadt integriert wurden:
- der Teufelsberg im Ortsteil Grunewald, wo mit 26 Millionen Kubikmeter der Rohbau der Wehrtechnischen Fakultät überschüttet wurde und ein 115 m hoher Berg entstand,
- der Humboldthain im Ortsteil Gesundbrunnen, in dem der große Flakturm nach teilweiser Sprengung an- bzw. zugeschüttet wurde,
- der Große und Kleine Bunkerberg im Volkspark Friedrichshain, ebenfalls überschüttete Flaktürme,
- ein ehemaliges Kasernengelände mit dem Reichspoststadion, der heutige Fritz-Schloß-Park im Ortsteil Moabit,
- der Sportplatz Cantianstraße im Ortsteil Prenzlauer Berg.
Eine exakte Recherche, allerdings erst 50 Jahre nach Kriegsende, ergab mindestens 80 Endlagerplätze im gesamten Berliner Stadtgebiet und in der näheren Umgebung.[1] [2]
Für die Trümmerbahn waren nach eben diesen Akten mehr als 37 kleine Dampfloks (zwischen 17 und 75 PS), mehr als 11 Dieselloks, mehrere Arbeitstriebwagen der Straßenbahn und eine große Dampflok der Deutschen Reichsbahn im Einsatz. Der gesamte Fuhrpark der Feldeisenbahnen war auf mindestens acht Betriebshöfen stationiert. Als die Trümmerbeseitigung in Berlin im Wesentlichen erledigt war, also etwa 1954/1955, wurde eine im Ostteil der Stadt etablierte Trümmerbahnstrecke rund drei Jahre lang als Aufbaubahn für den Transport des Baumaterials für den Neubau der damaligen Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) verwendet.
Konkrete Darstellungen zum Verlauf der einzelnen Strecken, zur Technik, mit Fotos der Lokomotiven, Abbildungen der Loren usw. finden sich in der Literaturstelle.[2]
In einer kleinen Ausstellung zeigt der Berliner Unterwelten e.V. eine Original-Trümmerlore, im Fundus des Deutschen Historischen Museums soll auch eine Lokomotive vorhanden sein.
Eine Dampflokomotive, vermutlich auch aus den zur Enttrümmerung eingesetzten Maschinen, wurde anlässlich der 750-Jahr-Feier von Berlin aufgearbeitet und fährt heute auf der Parkeisenbahnstrecke in der Wuhlheide (siehe Bild).
Die Trümmerbahn in Hamburg
In Hamburg fuhr u.a. von 1945 bis 1954 eine Feldbahn mit Loren von der Trümmerumladestelle im Stadtteil Hamm durch die Stadtteile Horn und Billstedt zum damaligen Kieswerk in Öjendorf. Die Trasse verlief durch die Straßenzüge Hirtenstraße - Bei der Hammer Kirche - Horner Weg - Hermannstal - Kattensteert - Schiffbeker Höhe - Öjendorfer Weg. Die Kieswerkanlage wurde später mit den aufgeschütteten Trümmerbergen zum Öjendorfer Park umgewandelt, der sich östlich an den Friedhof Öjendorf anschließt.
Zum Bau des Volksparkstadions wurde als Grundlage der Trümmerschutt des Stadtteiles Eimsbüttel verwendet, der mit Hilfe der Trümmerbahn herangeschafft wurde. Die Strecke verlief vom Eimsbüttler Marktplatz über Pinneberger Weg - Övelgönner Straße - Langendelder Straße - Waidmannstraße - Leuna Straße - Windsberg zum Volkspark.Die Trümmerbahn in Leipzig
Um aus den rund 38.000 zerbombten Wohnungen im Innenstadtbereich, den meist zerstörten Messehäusern und -hallen sowie den vielen kaputten Produktionsbetrieben die Trümmer beseitigen zu können, wurden von den sowjetischen und deutschen Verwaltungen ab 1945 auch in Leipzig die Feldeisenbahn und die Straßenbahn als Trümmerbahn eingesetzt. Die etwa 30.000 m³ Schutt wurden durch zwei Firmen im wesentlichen innerhalb eines Jahres abtransportiert. Ein Depot (Betriebshof) der Trümmerbahn wurde dazu angelegt und eine zweigleisige Strecke von der Innenstadt zum Johannisthal, das als großes Endlager diente, betrieben. Dampfloks, Dieselloks und Loren kamen zur Anwendung. Auch 1948 sind noch Loren und Schienen im Stadtbild nachweisbar.[3]
Die Trümmerbahn in Mainz-Zweibrücken
Von diesen Aktivitäten gibt es aus dem Bundesbildarchiv einige Fotobelege:
Die Trümmerbahn in Ulm
Hierzu findet sich in einem Internet-Forum folgender (leicht gekürzter) Bericht:[4],[5] „In der „Schwörwoche“ vom 6. bis 15. August 1949 verkehrte die „Ulmer Spatzen-Eisenbahn“. Die 1,5 km lange Dampfbahn war Teil der von 1946 bis 1950 bestehenden 600 mm-Trümmerbahn zwischen der Innenstadt und der Friedrichsau. Während der Bauunternehmer Baresel drei Dampfloks, zehn Loren (mit Wänden und Sitzen) und das Fahrpersonal zur Verfügung stellte, sorgte die Straßenbahn für die Betriebsleitung und die Dienstaufsicht. Zwischen dem „Bahnhof Valckenburghufer“ (kein Schreibfehler, wirklich mit "h") an der Münchner Straße bei der Gänstorbrücke und dem „Bahnhof Ausee“ verkehrten insgesamt zwei Züge mit je fünf Wagen. Die Strecke folgte dem nordwestlichen Valckenburgufer, dann dem Südostrand des Gänswiesenwegs, wo nach 850 m die Zwischenstation „Festwiese“ mit Ausweiche lag, und weiter an der Donau entlang bis zur Friedrichsau.“ - Ob die Trümmer auf Schiffe umgeladen oder gleich an der Donau endgelagert wurden, ist nicht bekannt.
Die Trümmerbahn in Zerbst
In Zerbst kam 1947 bis 1952 eine Trümmerbahn zum Einsatz, die mit mehreren Fahrten täglich insgesamt 372.000 m³ Trümmerschutt aus dem Zentrum hinaus auf einen künstlichen Berg schaffte.[6]
Besonderheiten der Bahnanlagen
Die nach dem Krieg 1945 installierten Trümmerbahnen hatten keinen einheitlichen Bahntyp. Es wurden für die Trümmerabfuhr jeweils die Anlagen und Fahrzeuge verwendet, die gerade verfügbar und geeignet waren. Überwiegend war der schnell zu installierende und technisch einfache „Feldbahn“-Typ, mit überwiegend schmalspurigen Gleisen von 500 mm, 600 mm, 750 mm und 900 mm Schienenabstand, aber auch Straßenbahnen wurden zum Trümmertransport eingesetzt.
Weichen wurden meist manuell gestellt. “Kreuzungspassstücke“ zum Überqueren vorhandener Gleisanlagen wurden von Helfern je nach Bedarf aufgelegt oder entfernt, an Bahnübergängen bzw. Straßenkreuzungen wurden die Kraftfahrzeuge mit Flaggensignalen angehalten.
Fallweise wurden auch Straßenbahnen mit Arbeitswagen auf den vorhandenen Gleisstrecken zum Trümmertransport eingesetzt, gesondertes Schienenmaterial oder Extra-Signalanlagen waren meist nicht erforderlich. Zum Beladen wurden allerdings spezielle Rampen errichtet, auf welche die kleinen Loren der Feldeisenbahnen geschoben wurden, um deren Inhalt dann auf die größeren Wagen der Straßenbahn zu entleeren.
In Berlin war auf einer Streckenlänge von rund 2 km eine normalspurige Eisenbahn als Trümmerbahn im Einsatz. Deren Gleise wurden ebenfalls auf der Straße auf eigenen aufgeschotterten Dämmen mit beiderseitigen Metallzäunen verlegt. Diese Bahn hatte einen direkten Anschluss an das Gleisnetz der Eisenbahn im Bereich des Zentralviehhofs, am anderen Ende der Strecke gab es eine längere Rampe für die Umladung der Trümmer von den Loren.
Für das rollende Material wurden auf größeren Freiflächen Betriebshöfe hergerichtet. Hier wurde auf eingezäunten und bewachten Plätzen der Wagenpark gewartet, repariert und betriebsbereit gemacht, und von hier wurde der Einsatz koordiniert und die transportierten Waren und Mengen abgerechnet.
Fahrzeuge
Dampflokomotiven
Bei den Feldeisenbahnen herrschten kleine Dampflokomotiven vor, weil Kohle zum Betreiben am einfachsten verfügbar war. Dazu gab es auch individuelle Umbauten, damit Koks oder Braunkohle verwendet werden konnten. Deren Hersteller waren z.B. Jung, Henschel, Orenstein & Koppel, Krauss-Maffei, BMAG Schwartzkopf.
Diesellokomotiven
Kleine Diesellokomotiven, wiederum von überwiegend deutschen Herstellern (Deutz, Henschel, Orenstein & Koppel/O&K, Schöma), wurden in kleineren Straßen oder bei geringeren Steigungen eingesetzt, allerdings war die Bereitstellung des benötigten Dieselkraftstoffs häufig ein Problem.
Straßenbahnen
Als Zugmaschinen bei Straßenbahnen fanden sogenannte Arbeitsstraßenbahnen bzw. Schlepptriebwagen Verwendung. 1948 fuhr die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) im Rahmen der Trümmerbeseitigung, hauptsächlich in der ersten Jahreshälfte, noch 368.000 Tonnen Schutt ab. Hierzu wurden in der fast völlig zerstörten Innenstadt auch besondere Gleise zu einer Schuttverladerampe (Umladen auf Lastkähne) an der Spree gegenüber dem Dom verlegt.
Wagenmaterial
Die wichtigsten Bestandteile der Trümmerbahn waren die Ladungswagen. Hier spielten die offenen Feldbahnwagen bzw. Loren die bedeutendste Rolle. Die mit der Trümmerbeseitigung beauftragten Firmen setzten alle nur verfügbaren Loren ein, wodurch es zu einer großen Vielfalt kam, sowohl die Bauart als auch die Größe als auch die Baujahre betreffend. Zwischen 10 und 15 vollbeladene Loren wurden von den Zugmaschinen befördert. Neben den Loren ließ man für den Transport von Balken, Eisenträgern und anderem sperrigen Material auch Plattformwagen rollen.
Einzelnachweise
- ↑ Angela M. Arnold (Hrsg.): Trümmerbahn und Trümmerfrauen. OMNIS-Verlag 1999, 214 Seiten, 118 Abbildungen
- ↑ a b Angela M. Arnold, Gabriele von Griesheim: Trümmer, Bahnen und Bezirke. Berlin 1945-1955. Eigenverlag 2002, 288 Seiten, 148 Abbildungen, ISBN 3-00-009839-9
- ↑ Alltag in Ruinen. Leipzig 1945-1949. Dokumente, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Fotografien aus einer bewegten Zeit. DZA Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1995
- ↑ Fotos und Forum zur Trümmerbahn in Ulm
- ↑ Trümmerbahn-Dampflokomotive in Ulm 1948; Foto aus dem Archiv
- ↑ eine private Homepage u.a. über die Zerstörung in „Alt-Zerbst“
Literatur
- Werner Bendix: Phoenix aus der Asche. Frankfurts Aufstieg zur „Wirtschaftshauptstadt“, 1945-1956. In: Dieter Rebentisch (Hrsg.): Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Bd. 67 (2001), S. 61-100.
- Klaus Scherff: Trümmerbahnen. transpress, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-71197-4.
Weblinks
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