Tschernosem

Tschernosem

Schwarzerde oder Chernozem ist ein fruchtbarer Bodentyp mit einem mächtigen humosen Oberboden.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Nach der bisherigen Lehrmeinung entwickelt sich bei im Frühjahr günstigen Feuchtigkeits- und Temperaturbedingungen eine üppige Steppenvegetation, die viel organisches Material für die Humusbildung liefert. Die Pflanzen verdorren im folgenden trockenen, warmen Sommer. Ein feuchter Herbst entfacht deren Leben für kurze Zeit. Im langen, kalten Winter ruht dann die Umsetzung der organischen Substanz, die Winterkälte führt zum Absterben der Pflanzen. Durch die intensive Tätigkeit von Bodentieren wie z. B. dem Regenwurm werden die Humusstoffe in den Boden eingearbeitet (sog. Bioturbation). Der Niederschlagsmangel in den Steppengebieten verhindert eine Auswaschung der Humusbestandteile aus dem Oberboden. Eine hohe Verdunstung führt zur Anreicherung an Nährstoffen im A-Horizont.

Die beschriebene Entstehung kann nicht aufrechterhalten werden: Die C14-Alter von Schwarzerden sind mit 3000 bis 7000 Jahren vor heute hoch. Die Umsatzrate der organischen Substanz ist nach ökologischen Untersuchungen in der Steppe mit 30 bis 100 Jahren dagegen nur kurz. Die heutige Bindung der Schwarzerden an die Steppen zeigt die Erhaltungs- aber nicht die Bildungsbedingungen. So finden sich auch in der Taiga noch Böden mit Schwarzerdevergangenheit. Die Bioturbation ist mit Wühlgängen (Krotowinen) zwar ein deutliches Profilmerkmal, eine vollständige Durchmischung der Humushorizonte wurde damit aber nicht erreicht. Die Einwaschung und Verlagerung der organischen Substanz ist damit wichtiger als die Durchmischung.

Nach heutigem Kenntnisstand sind Schwarzerden schwarz, da sie deutliche Anteile (10-40 % der organischen Substanz) an pyrogenem Kohlenstoff enthalten. Dieser entsteht bei unvollständiger Verbrennung oder Verschwelung und wird auch als black carbon bezeichnet.

In Mitteleuropa ist eine enge Beziehung zu den neolithischen Siedlungsgebieten vorhanden. So ist in Seesedimenten und Mooren insbesondere in der mittleren und späten Jungsteinzeit viel Holzkohleeintrag nachgewiesen. Die C14-Datierungen ergeben vielfach ein hoch- bis spätneolithisches Alter. Die Verbreitung der Schwarzerden ist eng an die neolithischen Siedlungskammern gebunden. In Detailkartierung ist hier eine auf wenige Dekameter genaue Bindung nachzuweisen.

Bodennutzung

Schwarzerde wird aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften intensiv für den Ackerbau genutzt.

Merkmale

Der Name Schwarzerde resultiert aus einem bis zu 80 cm mächtigen humosen, mineralischen A-Horizont, der stark durchsetzt mit Poren und Wühlgängen und daher gut durchlüftet ist. Mehr als 70 cm mächtige humose Horizonte sind häufig ein Indiz für kolluvialen Auftrag (Aufspülung). Die Horizontabfolge ist Axh/Axh+lC(c)/lC(c) - biogen gemixter Ah Horizont über lockerem evtl sekundärcarbonatigem Grundhorizont mit dazwischenliegendem Verzahnungshorizont.

Schwarzerden sind in Mitteleuropa in den A-Horizonten häufig mit ca. 25 bis 30 % Tongehalt tonreicher als die darunterfolgenden Horizonte. Dies liegt an einer stärkeren Verwitterung der Lösse.

Eigenschaften

Die Gebiete, in denen Schwarzerde vorkommt, werden überwiegend landwirtschaftlich genutzt, da die Schwarzerde als fruchtbarer und stabiler Boden gilt. Diese Bodenfruchtbarkeit beruht auf einem stabilen Gefüge und guter Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit. Außerdem hat Schwarzerde einen für Bodennutzung günstigen pH-Bereich und verfügt über reiches Bodenleben. Die Schwarzerden der Hildesheimer Börde zeigten in den sechziger bis neunziger Jahren trotz Düngung verbreitet einen Kaliummangel.

Die Schwarzerde erfüllt aufgrund des hohen Alters eine wichtige Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.

Verbreitung

weltweite Verbreitung von Schwarzerden

Schwarzerde ist der typische Boden der kontinentalen Steppengebiete mit warmem Sommer und kaltem Winter. Die größten Schwarzerdegebiete befinden sich in den ungarischen (Pannonische Tiefebene), rumänischen (Walachische Tiefebene), ukrainischen, russischen und kasachischen Steppen sowie in den nordamerikanischen Prärien. In Deutschland entstand die Schwarzerde zum Beispiel in der Magdeburger Börde, der Hildesheimer Börde und im Thüringer Becken. In Österreich findet man sie beispielsweise im Waldviertel oder im nördlichen Burgenland. Aufgrund des nur inselhaften Vorkommens außerhalb der o. g. Verbreitungsgebiete muss die Schwarzerde als seltener Boden gelten.

Gefährdung

Die genannten erhöhten Tongehalte wirken sich bei intensiver Nutzung durch Neigung zur Bodenverdichtung negativ aus. So sind die Schwarzerden der Hildesheimer Börde häufig stark verdichtet. Die Schwarzerden sind bei erhöhter Reliefenergie erosionsgefährdet, die auch bei Starkregen hervorgerufen werden können. In der Magdeburger Börde ist die Pararendzina durch die weitgehende Abtragung (Erosion) der Schwarzerde weit verbreitet. Außerhalb der großen Gebiete ist die Schwarzerde insbesondere durch Überbauung stark gefährdet.

Boden des Jahres 2005

Anlässlich des alljährigen Weltbodentages am 5. Dezember 2004 wurde erstmalig der Boden des Jahres, schon vorab für 2005, ausgerufen – die erste Wahl fiel auf die Schwarzerde.

Literatur

  • Gehrt, E., Geschwinde, M. & Schmidt, M.W.I. (2002): Neolithikum, Feuer und Tschernosem - oder: Was haben die Linienbandkeramiker mit der Schwarzerde zu tun? Archäologisches Korrespondenzblatt 32, 21-30.
  • Eckmeier, E. (2003): Gibt es Schwarzerden im Rheinland? Eine Spurensuche im Labor. In: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Archäologie im Rheinland 2002. Theiss-Verlag, Stuttgart, 204-206.
  • Roeschmann, G. (1968): Pseudogley-Tschernoseme und deren Übergangsbildungen zu Parabraunerden im Lößgebiet der Hildesheimer Börde.- Geologisches Jahrbuch 85: 841-860; Hannover.
  • Schmidt, M.W.I., Skjemstad, J.O., Gehrt, E. & Kögel-Knabner, I. (1999): Charred organic carbon in German chernozemic soils. - European Journal of Soil Science, °50: 351-365.

Siehe auch

Weblinks


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