Tschüssing

Tschüssing

Tschüs [tʃyːs] (auch „tschüss“ [tʃʏs]) ist ein Abschiedsgruß.

Tschüs hat sich in Norddeutschland langsam aus dem bis in die 1940er-Jahre üblichen atschüs entwickelt und findet sich – in stärkerem Ausmaß als die Begrüßung moin – zunehmend auch im hochdeutschen (oberdeutschen) Sprachraum. Besonders im Ostseeraum wird auch die Form tschüßing oder tschüssing verwendet; im Rheinland ist die Form tschö, in Schleswig-Holstein die Variante tüüs verbreitet und in weiten Teilen Ostdeutschlands auch tschüssi neben anderen Abschiedsformeln.

Tschüs ist als Lehnwort aus dem romanischen Sprachraum übernommen worden (vgl. adieu, adiós, ade, aus dem lat. adies). Einen Hinweis auf die Abstammung des Wortes gibt die teilweise auch heute noch im Norden verwendete Fassung atschüs (auch adjüs geschrieben, z. B. bei Fritz Reuter).

Inhaltsverzeichnis

Ursprung des Wortes

Für den Ursprung werden mehrere Quellsprachen angenommen:

  • Spanisch oder Portugiesisch: Norddeutschland, insbesondere Hamburg und Bremen, hatte seit der Hansezeit intensive Handelskontakte mit den Niederlanden, Portugal und Spanien. Nach diesem Modell stammt das Wort Tschüs ursprünglich aus dem Spanischen adiós bzw. dem Portugiesischem adeus, wurde in den damals spanischen Niederlanden zu atjüs und drang von dort aus in den niederdeutschen Sprachraum ein.
  • Französisch: Nach diesem Modell ist das Wort tschüs aus dem französischen adieu (mit Gott; von „gehe mit Gott!“ Wiktionary-Eintrag), genauer gesagt dessen wallonischer Variante adjuus entstanden, woraus zunächst atschüs wurde.[1]
    • Ende des 17. Jahrhunderts siedelten sich in Norddeutschland, insbesondere in Bremen und Altona, aus Frankreich geflüchtete Hugenotten an. Mit ihnen kamen einige französische Ausdrücke als Modeworte auch in die plattdeutsche Sprache, vermutlich auch „Atschüs“.
    • Die Übernahme des Wortes in den plattdeutschen Grundwortschatz auf breiter Ebene (einschließlich des ländlichen Binnenlandes) erfolgte vermutlich während der napoleonischen Besatzungszeit im frühen 19. Jahrhundert.

Die genaue Entstehungsgeschichte ist aufgrund spärlicher schriftlicher Quellenlage vor dem 19. Jahrhundert nicht mit letzter Sicherheit aufzuklären. Fest steht jedoch, dass im 19. Jahrhundert, der Ausdruck adjüs auch in Mecklenburg die wichtigste Abschiedsformel war. Ebenso ist er durch Klaus Groth für den Holsteiner Raum belegt (u. a. in Mien Jungsparadies).

Sicher haben Tschüs(s), adjüs, adiós, adeus und adieu den gleichen Ursprung: Das lateinische „ad deum“ – zu Gott!

Rechtschreibung und Aussprache

Seit der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 haben je nach Aussprache sowohl die Schreibweise tschüs als auch tschüss amtliche Geltung; die Duden-Redaktion differenziert in der 23. Auflage nach der Aussprache: tschüss bei kurzer Aussprache des Vokals, tschüs bei langer. Bis einschließlich zur 20. Auflage galt nur die Schreibweise tschüs. Im Leipziger Duden war auch die Schreibweise tschüß als Nebenform erwähnt.

In der niederdeutschen Rechtschreibung herrscht dagegen – trotz der sonst zu beobachtenden Vielfalt – eindeutig die Schreibweise tschüss mit zwei s vor, obwohl die langvokalische Variante gebräuchlicher ist. Sie ergibt sich bereits aus der Verlängerungsregel durch Vergleich mit der mecklenburgischen Form tschüssing.

Tschüs(s) und atschüs(s)/adjüs können – je nach Kontext – sowohl mit langem ü wie auch mit kurzem ü ausgesprochen werden. Dies gilt auch für die Form tschüssing, deren ss jedoch immer stimmlos ist.

Verkleinerungsformen

Verkleinerungsformen wie tschüsschen kommen ebenfalls vor  – vielleicht auch wegen der lautmalerischen Ähnlichkeit zu Küsschen – sowie in Jugendkreisen das tschüssi (siehe unten) und vereinzelt sogar tschüssikowski (siehe auch Die Zwei).

Parallelformen im mittel- und oberdeutschen Sprachraum

Parallel zur Entstehung von Tschüs aus span. adiós [aˈðjos] dürfte sich das alemannische/schwäbische ade aus frz. adieu [aˈdjø] entwickelt haben.

Seit den 1980er-Jahren dringt das Wort tschüss in den schwäbischen Großdialektraum ein, doch wird das Fremdwort durch die übliche Verkleinerungsform (Anhängen des Diminutivsuffixes -le) zum Lehnwort tschüssle, oft auch in der Aussprache tschissle.

Das rheinische tschö wird stärker dialektal zum tschökes und in der etwas kindlich angehauchten i-Sprache zu tschüssi, das auch im thüringisch-sächsischen Raum verbreitet ist. In Westfalen findet sich auch gelegentlich die Form tschüsskes oder tüsskes. Im Moselfränkischen hingegen, d. h. im heutigen Luxemburg, ist adieu zu äddi mutiert.

In den alpinen Regionen Österreichs und den ländlichen Gebieten Bayerns konnten sich diese Ausdrücke bis vor kurzem nicht recht durchsetzen. Hier blieben die traditionellen Grußworte erhalten, also Grüß Gott und Pfiat di (Kurzform von Pfiat di God = „Behüt dich Gott“). Inzwischen nimmt aber der Gebrauch des Wortes tschau (ciao) zu. Tschau und auch das seltenere tschüs werden hier aber ausschließlich bei Freunden und guten Bekannten verwendet.

Das auch in der Deutschschweiz gebräuchliche Grußwort tschau bzw. tschou ist entlehnt aus ciao, einer Dialektform von italienisch schiavo [sˈkjaːvo], das, wie Servus, eigentlich „Diener“ oder „Sklave“ bedeutet. Unter Deutschschweizern wird Tschüs in der Regel nur dann verwendet, wenn man mit jemandem per Du ist oder zwischen Deutschen und Schweizern auch wenn man per Sie ist. Als Ersatz empfehlen sich förmlichere Verabschiedungen wie Adieu und auf Wiedersehen.

Statistik der Abschiedsgrüße

Eine Allensbach-Meinungsumfrage ergab, dass in Deutschland der Abschiedsgruß auf Wiedersehen seine frühere Vorherrschaft langsam verliert. Knapp die Hälfte der Deutschen ziehen ihm andere Formen vor, tschüs oder tschau kommen zusammen auf etwas über 50 Prozent. Von Freunden verabschieden sich rund 15 Prozent mit auf Wiedersehen, was um 1965 noch 54 Prozent taten. Bei Jüngeren ist diese Entwicklung noch deutlicher.

Quellen

  1. siehe Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl., unter „adieu“

Weblinks


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