Turkische Völker

Turkische Völker
Verbreitung der Turkvölker

Die Turkvölker, Türkvölker, türkischen Völker, Türken sind eine vor allem im eurasischen Großraum lebende und Turksprachen sprechende ethno-linguistische Gruppe[1]. In unterschiedlicher Ausprägung teilen diese historische und kulturelle Eigenschaften. Die schätzungsweise 130 bis 150 Millionen türkischsprachigen Menschen[2] leben heute vor allem in Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan, Usbekistan, der Türkei und der Türkischen Republik Nordzypern auf Zypern.

Trotz der weiträumigen Besiedlung bestehen zwischen den einzelnen Turkstaaten und Turkvölkern kulturelle und historische Gemeinsamkeiten, die größte stellt die Sprache dar: Das Türkisch der Türkei steht dem der meisten Turkvölker sehr nahe. Die Turksprachen gehören dem Sprachbund der altaischen Sprachen an, der früher auch als Sprachfamilie angesehen wurde.

Die im 19. Jahrhundert entstandene politische und kulturelle Bewegung, die auf die Gemeinsamkeit der Turkvölker zielt, heißt Panturkismus. Die Wissenschaft, die sich mit den Sprachen, der Geschichte und den Kulturen der Turkvölker beschäftigt, ist die Turkologie.

Inhaltsverzeichnis

Namensherkunft

„Türke“ ist ursprünglich der Name eines Nomadenvolkes, das sich selbst Türk nannte und im 5. Jahrhundert zwischen Irtysch, Oghusen und Jenissei entstand und von den Chinesen T'u-chueh, Tu-küe oder Tür-küt genannt wurde, der so viel bedeutet wie „die Mächtigen“.

Der Terminus Türke wurde zum ersten Mal als offizielle Bezeichnung im 6. Jahrhundert nach Christus verwendet. Sie beschrieb den politischen Staat der Göktürken. Die Etymologie des Wortes Türk ist unklar. Die Wissenschaft bezeichnet die frühen Türken vor der Zeit von 552 nach Christus als gök türk (Himmelstürk(en) bzw. Blau-Türk(en)) aber auch kök türk (Grund/Wurzel/Basis Türke(n)).[3] Das Wort „Türke“ bildete früher einen Sammelnamen für die turksprachigen Steppenvölker.[4]

Die Welt der Nomaden - Türkische Stämme

Die Gesellschaft der Türkvölker war bis vor kurzem im Wesentlichen in Stämme gegliedert - mit Ausnahme des osmanischen Reichs, Aserbaidschans, der mittleren Wolga und der Oasenkulturen in Turkistan. In der frühen osmanischen Phase spielten Stammeselemente eine prominente Rolle, doch verschwand ihre politische und soziale Rolle fast vollständig. Dennoch fehlt diese Lebensweise nicht gänzlich in der heutigen Türkei.
Von besonderer Wichtigkeit war der Führer eines Stamms oder einer Stammesvereinigung. Wenn Nomaden aus Eurasien die Steppenregion verließen und im Nahen und Mittleren Osten ankamen, restrukturierten sie sich oft. Die Rolle des Führers wurde um so wichtiger bezüglich des Identifikationsgefühls der Gruppe, was Stammesnamen refklektieren. Die Osmanen (Osmanlı) waren die „Männer des Osman“. Der führende Stamm oder Clan gab meist seinen Namen der gesamten Konföderation. Bei Zerfall dieses Gemeinwesens übernahm die Konföderation den Namen des neuen Führerclans oder die früheren Clannamen erschienen wieder.

Stammesnamen aus vorislamischer und vor-dschingisidischer Zeit zeigten verschiedene Muster auf. Im Allgemeinen sind folgende Muster festzustellen: geografische Verweise (z. B. Yıš kizi), Nomaden/Wanderer (z. B. Qačar, Yörük), nomadische Angreifer (z. B. Qazaq, Yağma), Zahl der Bestandselemente (z. B. Toquz Oğuz), ein Teil oder ein Überbleibsel eines Volkes (z. B. Qırıq, Kesek), auf Titel basierende Namen (z. B. Yula, Čor), Gehorsamkeit oder Friedfertigkeit (z. B. Čuvaš, Uyğur), Gewalt, Gewalten der Natur (z. B. Qarluq), Stärke, Kraft, Tapferkeit, Angriffslust (z. B. Salğur, Qınıq), Berühmtheit, Reichtum (z. B. Bayaut).

Die Entstehungen der Stammesnamen sind nicht klar. Lange wurde angenommen, dass Clannamen auf einen namensgebenden Vorfahren zurückgehen. Das scheint allerdings nicht das Namensmuster früher Stammeskonföderationen gewesen zu sein. Erst als die türkischen Stämme unter starken islamischen und mongolischen (dschingisidischen) Einfluss kamen, erscheinen Stammes- oder politische/dynastische Namen nach dem Muster eines namensgebenden Vorfahren: Selčük, Noğay, Osmanlı, Čağatay. Einige Namen hatten totemische Wurzeln.[5]

Ursprung der Turkvölker

Der Ursprung der Turkvölker ist nicht bekannt. Die Türken traten erst ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. auf eine unbestreitbare Weise die Geschichtsbühne. Einige Historiker betrachten die Xiongnu als die Vorfahren der türkischen und der mongolischen Völker. Diese Hypothese konnte bislang nicht belegt werden.[6]

Unumstritten scheint zu sein, dass die ersten turksprachigen Völker in der Altairegion (Zentralasien) gelebt haben. Genauer gesagt, am Schnittpunkt der beiden Flüsse Selenga und Orchon.[7]

Die Stammheimat der Türken, (…), ist das mittelasiatische Gebiet, das von den Gebirgen Altai und Sajan an der sibirisch-mongolischen Grenze, Tienschan an der Grenze zwischen Kasachstan und Chinesisch-Turkestan, Altin-Tag an der Nordwestgrenze Tibets und Chingan in Nordostchina eingefasst wird.[8]

Je nachdem, welche Vorfahren herangezogen werden, unterscheidet sich die Datierung der türkischen Geschichte. Einige Forscher glauben, dass die Hunnen (oder Hsiung-nu) zu den direkten Vorfahren zählen. Das lassen zumindest einige der in anderen Sprachen überlieferten Eigennamen vermuten. Die Hunnen selbst haben keine Schriftfunde hinterlassen. Dies gilt auch für die früher ihnen gleichgesetzten Hsiung-nu, die in den chinesischen Quellen 400–200 v. Chr. zum ersten Mal erwähnt werden. Durch Erzählungen, Sprichwörter und Geschichten der älteren turkstämmigen Menschen kann man jedoch darauf schließen, dass man hier mehr oder weniger über die Vorfahren der heutigen Turkvölker spricht. Andere Forscher wie Prof. Josef Matuz weisen auf die Schwierigkeit mit der Zuordnung der Hunnen zu den Turkvölkern hin:

"Hypothesen, wonach die europäischen oder die asiatischen Hunnen, letztere in den chinesischen Annalen unter der Bezeichnung Hsiung-nu erwähnt, Türken gewesen seien, lassen sich mangels Überlieferung nicht nachweisen. Das gleiche gilt für die Juan-Juan, die asiatischen und auch für die europäischen Awaren."[9]

Der Turkologe Michael Weiers geht davon aus, dass im heutigen Nordchina Ende des 3. Jahrhunderts nach Christus verschiedene Stämme auftauchten, die er als Urtürken bezeichnet. Um diesen Kern gruppierten sich mehrere andere Stämme. Nach griechischen, persischen und chinesischen Quellen hielten sich damals dort folgende bedeutenden Stammesverbände auf: Xiongnu-Hu (sogenannte östliche Hunnen), die Tab'a, die hunnischen Xia und die türkischen und protomongolischen Rouran.[10]

Das Volk der Türken war in Stammesverbänden (alttürkisch bodun) unterteilt. Die einzelnen Stämme benannten sich nach dem Urahn des Stammesführers. So gibt es eine Vielzahl von Turkvölkern mit unterschiedlichen Bezeichnungen wie z. B. Chasaren, Köktürken (auch bekannt als Göktürken), Oghusen, Turkmenen, Türken, Uiguren und Usbeken.

Räumliche Verbreitung

Die Gesamtheit der Angehörigen der Turkvölker wird heute auf ca. 150 Millionen Menschen geschätzt. Ihr Siedlungsgebiet reicht vom Balkan, über den Vorderen Orient, Zentralasien, Russland, Iran, China und Mongolei. Daneben gibt es bedeutsame Bevölkerungsgruppen in Westeuropa, Australien und den USA, die in der neueren Zeit dort hin immigriert sind.

Geschlossene turksprachige Gebiete bestehen in Turkestan (Turkmenen, Usbeken, Uiguren, Kasachen, Karakalpaken, Kirgisen), Anatolien (Osmanen bzw. „Türkei-Türken“) und Aserbaidschan. Viele Turkvölker leben verstreut im Wolgagebiet (Wolgabulgaren, Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen), auf der Krim (Krimtataren) und im Kaukasusgebiet (Nogaier, Kumyken, Karatschaier, Balkaren). In Bessarabien (Moldawien bzw. Moldau) lebt der christlich-orthodoxe Volksstamm der Gagausen, die zu den Osmanen zählen. Eine systematische Klassifikation ist unter Turksprachen zu finden.

Gegenwärtig existieren sechs turksprachige Länder: Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan, Türkei und Usbekistan. Die Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei und Bangladesch diplomatisch anerkannt. Daneben gibt es mehrere autonome Turkrepubliken und -regionen in der Russischen Föderation: Republik Altai, Baschkortostan, Tschuwaschien, Dagestan, Chakassien, Karatschai-Tscherkessien, Tatarstan, Tuwa und Sacha. Jede dieser autonomen Turkrepubliken besitzt ihre eigene Flagge, ein eigenes Parlament, eigene Gesetze und eine offizielle Staatssprache.

Zwei autonome Regionen existieren darüber hinaus in China und Moldawien. Xinjiang, auch bekannt als „Ostturkestan“, wird zu einem großen Teil von einem Turkvolk bewohnt. Die autonome Region Gagausien liegt im Osten von Moldawien an der Grenze zur Ukraine.

Zu Verbreitungsgebieten ohne Autonomie zählen Gebiete im Iran, Nord-Irak, Georgien, Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Tadschikistan, Afghanistan und im Westen der Mongolei. Die Türken bilden das zahlenmäßig größte Turkvolk, dann folgen die Aserbaidschaner.

Trotz der weiträumigen Besiedlung bestehen zwischen den einzelnen Turkstaaten und Turkvölkern kulturelle und historische Gemeinsamkeiten, die größte stellt die Sprache dar: Das Türkische der Türkei steht dem der meisten Turkvölker nahe.[11]

Sprachlich bildeten und bilden die Turkvölker trotz der weiten Ausdehnung ihres Lebensraumes – bei Berücksichtigung zahlreicher Eigentümlichkeiten der Turksprachen – insofern eine Einheit, als auch heute die Türkei-Türken in den ethnischen und sprachlichen Kontext der Turkvölker insgesamt gestellt werden können.[8]

Innerhalb der Turkvölker existieren phänotypische Unterschiede. Während der südwestliche Zweig (Türkei-Türken, Aserbaidschaner, kaukasische Turkstämme) sich äußerlich nicht von den übrigen Ethnien im Mittelmeerraum unterscheidet, gleichen die Völker des östlichen Zweiges (Kasachen, Kirgisen, Karakalpaken sowie die altaiischen und sibirischen Völker) ihren ostasiatischen Nachbarn.

Die Unterschiede sind geschichtlich bedingt. Während der Westwanderung der Turkvölker haben diese sich mehreren Reichen angeschlossen und später auch selbst mehrere Reiche gegründet. Die autochthone, unterworfene Bevölkerung wurde dabei in manchen Fällen kulturell assimiliert. Colin Renfrew spricht in diesem Zusammenhang von einem élite dominance process, bei dem eine siegreiche Minderheit ihre Sprache und zum Teil auch ihre Kultur auf die unterworfene Mehrheit überträgt. Viele Türken wurden aber auch selbst assimiliert und gingen in anderen Kulturen und Sprachgruppen auf.

Geschichte

Im Laufe der Jahrhunderte formierten die nomadischen Turkvölker Steppenimperien, die teilweise sehr kurzlebig waren. Später stellten sie als Militärsklaven einen wichtigen Teil der muslimischen Kalifenarmeen und des Samanidenreiches, aus denen die ersten muslimischen Turkdynastien hervorgingen, unter anderem die Ghaznawiden oder die indische Sklaven-Dynastie.[4]

Die ersten Imperien der Turkvölker stellten lose Verbünde von verschiedenen Turkstämmen dar, die durch gemeinsame Interessen zusammengehalten wurden. Der Grund für den Zusammenschluss der einzelnen Nomadenstämme und deren Westwanderung war möglicherweise die ständige Suche nach Weideland und Wasser.

In der Ursprungsheimat der Turkvölker lebten noch diverse andere Steppenvölker, die das Reich der Chinesen bedrohten. Kaiser Shi Huang Ti ließ angesichts dieser Bedrohung die Große Mauer bauen, um den mächtigsten unter diesen Völkern, den Hsiung-nu den Weg in die fruchtbaren Gebiete in China zu versperren. Nach der Vervollständigung des Werkes wandten sich die Hsiung-nu dem Westen zu und übten stärkeren Druck auf die anderen Nomadenstämme aus. In ihrem Marsch gen Westen zogen die Hunnen u. a. Skythenstämme und andere Iranier sowie Ostgermanen mit sich.[7]

Das Machtvakuum, das die Hunnen bei ihrer Westwanderung im 4. Jahrhundert hinterlassen hatten, füllten die Türken aus dem Selengatal aus. Das erste Reich der Türken, das durch schriftliche Quellen gestützt wird, war das Reich der Göktürken. Es hatte von 552 bis 745 Bestand und stellte einen losen Verband von Turkstämmen dar. Sie erstreckte sich von der chinesischen Grenze bis zum Kaspischen Meer. Die Geschichte des Reiches wurde in den Orchon-Runen für die Nachwelt festgehalten.[12] In westlichen Quellen werden die Türken das erste Mal bei Theophanes von Byzanz erwähnt.

Nach der Zerschlagung des mongolischen Schuschan-Reiches wurde das Göktürken-Reich im Jahre 552 nach Christus durch Bumin Kaghan gegründet. Das Reich reichte vom Chingangebirge bis nach Transoxanien. Erstmals taucht in dieser Zeit die Erwähnung des Namens Türke auf.

Die Chinesen bezeichneten mit T'u-küe oder Tür-küt (deutsche Übersetzung: die Mächtigen) die turksprachigen Völker in ihrer Gesamtheit als Türken. Das Reich schloss mit den Sassaniden in Iran einen Bündnis gegen die Hephthaliten. Nach der Zerschlagung der Hephthaliten stritten sich die ehemaligen Bündnispartner über die Aufteilung der Beute.[13] Das Reich der Göktürken zerfiel nach kurzer Zeit in einen westlichen und einen östlichen Teil und wurde schließlich von mittelasiatischen Turkvölkern zerstört.[9]

744 n. Chr. ersetzte das Reich der Uiguren das Reich der Göktürken. Die Uiguren waren das erste Turkvolk, das in seiner Gesamtheit eine Hochreligion annahm. Zuvor waren sie wie alle anderen Turkvölker Anhänger des Tengrismus. 762 n. Chr. traten sie zum Manichäismus über.[14]

Die Uiguren wurde ihrerseits von dem Turkvolk der Kirgisen aus ihrem Reichsgebiet vertrieben. Nach ihrer Vertreibung errichteten die Uiguren zwei Reiche, im Tarimbecken und in China. Das Reich im heutigen Turkestan wurde 1028 n. Chr. von den Tanguten, einem tibetischen Volk, vernichtet.[14]

Die Chasaren, ein anderes Turkvolk, errichteten zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert n. Chr. in Südrussland ein Reich. Die Herrscherschicht bildeten Türken, die Bevölkerungsmehrheit rekrutierte sich aus einem Oguren-Volk.[15]

Die Karachaniden bildeten das erste Turkvolk, das im 10. Jahrhundert zum Islam übertrat. 999 n. Chr. eroberten sie Buchara und stürzten die Samaniden. Im 12. Jahrhundert wurde ihr Reich wiederum von den mongolischen Kara Kitai zerstört.[16]

Nach der Ausbreitung des Islam im 8. Jahrhundert in Mittelasien wurden viele Türken zum Islam bekehrt.[17] Eine zentrale Rolle spielte dabei der Dschihad der Samaniden gegen zentralasiatische Nomaden, welcher jedoch im Kern politisch motiviert war und der Vergrößerung der eigenen Armee gedient hat. Die ersten muslimischen Türken waren – mit wenigen Ausnahmen – konvertierte Militärsklaven im Dienste der Samaniden und später der abbasidischen Kalifen. So kam es auch, dass das erste von einem muslimischen Türken gegründete Großreich aus den Reihen jener Militärgeneräle hervorging: die Sultane von Ghazna. 961 n. Chr. gelang Alptigin, ein ehemaliger Militärsklave im Dienste der Samaniden, an die Macht und löste den verstorbenen Herrschers Abd al-Malik in Balch im persischen Chorasan als regionalen Fürst ab. In Zabul errichtete er ein kleines Fürstentum, welches später unter seiner Nachfolger expandieren sollte. Als eigentlicher Begründer der Dynastie gilt jedoch sein Sohn Mahmud (989-1030). Obwohl die Ghaznawiden ethnische Türken waren, lassen historische Dokumente und Biographien jedoch stark daran zweifeln, dass sie sich selbst auch als solche gesehen haben. Als persischsprachige Familie, die auch kulturell von der einheimischen Bevölkerung Chorasans assimiliert worden war, waren die Ghaznawiden der Anfang eines kulturellen Phänomens innerhalb der muslimischen Gesellschaft, welches erst mit dem Siegeszug der späteren Osmanen (s. u.) sein Ende fand: Nachkommen nomadischer Turkstämme wurden zum Islam bekehrt, übernahmen daraufhin die persische oder arabische Sprache und verbreiteten nun selbst diese Kultur in andere Regionen (Indien, China, Anatolien). [18]

Die gefährlichsten Feinde der Ghaznaviden waren wiederum eine türkische Dynastie, die Seldschuken.[17]

Als die Araber Transoxanien eroberten, gerieten einige turkische Stämme unter arabische Gefangenschaft. Fortan dienten sie den abbasidischen Kalifen als Sklaventruppen.[16] Die Mamelucken, überwiegend türkische Militärsklaven, rissen in Ägypten die Macht an sich und herrschten fast 300 Jahre lang, bis sie von den ebenfalls türkischen Osmanen unterworfen wurden.[19]

Die heutigen Türken in der Türkei sehen sich selbst als Nachkommen jener osmanischen Türken. Diese wiederum waren Angehörige der sogenannten Westtürken der Oghuz. Der Ursprung der Oghusen liegt in der heutigen Mongolei. Während der Herrschaft der türkischen Seldschuken über große Gebiete in Anatolien wanderten aus dem Osten türkische Stämme nach Anatolien ein.[20]

Die Osmanen waren ursprünglich ein kleiner turkmenischer Stamm, dem der Sultan der Rum-Seldschuken ein kleines Fürstentum (türk. Beylik) an der Grenze zum Byzantinischem Reich überließ.[19]

Mit dem Aufkommen des Nationalismus waren die Türken die ersten islamischen Völker, die die westlichen Ideen des Liberalismus und der Säkularität aufgriffen. Gegen Ende des 19. Jahrhundert wurden die Ideen durch tatarische Intellektuelle wie Ismail Gaspirali und Yusuf Akçura aufgegriffen und weiterentwickelt. Beide gehörten der tatarischen Minderheit im Russischen Reich an und ihre Arbeit ist wohl als Antwort auf den aufkommenden Panslawismus zu werten.

Die ersten demokratischen Turkstaaten wurden in Idel-Ural (1917), Demokratische Republik Aserbaidschan (1918), jedoch wurden beide Staaten von der Sowjetunion annektiert. 1923 wurde die Türkei gegründet. Weitere sind der Staat Hatay und Provisorische Regierung Westthrakien.

Siehe auch: Turkstaat

Kultur

Die Kulturen, traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensweisen der Turkvölker sind vielfältig, und ihre Geschichte ist vielschichtig.

Schrift und Sprache

Die Turkvölker benutzten ab Mitte des ersten Jahrtausends ihre eigene Schrift, wie die Orchon-Inschriften oder das Uighuren-Alphabet beweisen. Letzteres stellt in der späteren Version eine modifizierte Schreibweise der arabischen Schrift dar.

Siehe auch: Turkische Lateinalphabete

Die Turksprachen werden in vier Gruppen eingeteilt[21]: 1. Die südwestliche Gruppe (oghusisch): umfasst Aserbaidschan-Türkisch (Republik Aserbaidschan, Südaserbaidschan im Iran), Gagausisch (Moldawien, Ukraine, Rumänien, Bulgarien), Türkei-Türkisch (Türkei, Balkan, Irak), Turkmenisch (Turkmenistan, Afghanistan, Iran), südoghusische Dialekte (Iran).

2. Die nordwestliche Gruppe (kyptschakisch): Baschkirisch (Baschkirien/Russland), Karaimisch (Litauen, Ukraine, Polen), Karakalpakisch (Usbekistan), Karatschaisch-Balkarisch (Kaukasus), Kasachisch (Kasachstan, Xinjiang/China), Kirgisisch (Kirgisistan, Xinjiang/China), Krimtatarisch (Krim, Usbekistan), Kumückisch (Kaukasus), Nogaisch (Kaukasus), Tatarisch (Tatarstan/Russland)

3. Die südöstliche Gruppe (Türki-Gruppe): Uigurisch (Xinjiang/China), Usbekisch (Usbekistan)

4. Die nordöstliche Gruppe (sibirische): Altaisch („Oirotisch“, Altai), Chakassisch (Chakassien), Dolganisch, West-Yugurisch (Gansu/China), Schorisch, Tofalarisch („Karagassisch“), Tschulymisch, Tuwinisch (Tuwa, Xinjiang/China), Jakutisch (Jakutien)

Religion

Heute sind die meisten Angehörigen der Turkvölker Muslime, die Mehrheit wiederum Sunniten und Schiiten. Aber es gibt unter ihnen auch Angehörige anderer Religionen wie z. B. naturreligiöse Schamanisten, Buddhisten, Juden und Christen.

Mythologie

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Traditionelle nationale und kulturelle Symbole der Turkvölker sind, bereits seit der Zeit vor dem Übertritt zum Islam, der Stern und der Halbmond. Die Farbe blau, Eisen und Feuer stellen wichtige Bestandteile der Mythologie der Turkvölker dar.

Galerie: Die heutige Verbreitung der Turkvölker

Verweise

Siehe auch

Literatur

  • Carter Vaughn Findley The Turks in World History, Oxford Press 2005, ISBN 0195177266
  • Peter B. Golden An Introduction to the History of the Turkic Peoples: Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East, Wiesbaden 1992, ISBN 3-447-03274-X
  • Dschalal Mamadow & Vougar Aslanow: Turan. Geheimnisvolles Reich der Turkvölker. In: Wostok, Informationen aus dem Osten für den Westen. Berlin. Heft 2/2003, S. 75–77; Abstract: [1]
  • Josef Matuz: Das Osmanische Reich – Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1996, ISBN 3-89678-010-7
  • K. Heinrich Menges The Turkic Language and People, Wiesbaden 1968
  • Colin Renfrew: World linguistic diversity. Scientific American 270(1), 1994, S. 118
  • Colin Renfrew: Archaeology and language: the puzzle of Indoeuropean origins. Jonathan Cape, London 1987, S. 131–133
  • Wolfgang E. Scharlipp: Die frühen Türken in Zentralasien. Eine Einführung in ihre Geschichte und Kultur. Darmstadt 1992, ISBN 3-534-11689-5
  • Udo Steinbach: Geschichte der Türkei. München 2003, ISBN 3-406-44743-0
  • Bert Fragner / Andreas Kappeler (Hg.): Zentralasien. 13. Bis 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft. Wien 2006.

Mehrbändiges Werk Philologiae Turcicae Fundamenta S.34:

  • Philologiae Turcicae Fundamenta Band I (Sprachen der Türkvölker), hrsg. Jean Deny et al., Wiesbaden 1959
  • Philologiae Turcicae Fundamenta Band II (Literaturen der Türkvölker), hrsg. Louis Bazin et al., Wiesbaden 1964
  • Philologiae Turcicae Fundamenta Band III (Geschichte der Türkvölker): Hans Robert Roemer, Wolfgang-Ekkehard Scharlipp History of the Turkic Peoples in the Pre-Islamic Period, Berlin 2000, ISBN 3-87997283-4

Einzelnachweise

  1. Peter B. Golden An Introduction to the History of the Turkic Peoples, S. 1
  2. Meyers Lexikon
  3. vgl. M. Weiers: Kök-Türken, 1998 (PDF)
  4. a b vgl. U. Klever, 1978, Seite 7
  5. Peter B. Golden An Introduction to the History of the Turkic Peoples, S. 3-6; Verweise von Golden auf Gy. Nemeth A honfoglaló magyarság kialakulása, Budapest 1930, S. 18, 32-50, 71-72 und İbrahim Kafesoğlu Türk Bozkır Kültürü (Die türkische Steppenkultur), Ankara 1987, S.18
  6. Klaus Kreiser: Kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart 2003, S. 20
  7. a b vgl. U. Klever, 1978, Seite 25
  8. a b vgl. U. Steinbach, 2003, Seite 8
  9. a b vgl. J. Matuz, 1996, Seite 9
  10. vgl. M. Weiers: Türken, Protomongolen und Prototibeter im Osten, 1998 (PDF)
  11. vgl. Columbia Encyclopedia: Turks
  12. vgl. U. Klever, 1978, Seite 26
  13. vgl. M. Weiers: Kök-Türken, 1998 (PDF)
  14. a b vgl. J. Matuz, 1996, Seite 10
  15. vgl. J. Matuz, 1996, Seite 11
  16. a b vgl. J. Matuz, 1996, Seite 12
  17. a b vgl. Lindenmuseum – Der lange Weg der Türken
  18. vgl. Encyclopaedia Iranica: "Ghaznavids" (Online-Version)
  19. a b vgl. U. Klever, 1978, Seite 8
  20. vgl. World Civilizations- The origins of Ottomans Richard Hooker
  21. vgl. Turkologie, Gutenberg-Universität

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