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Tyros
صور
Hafen von TyrosStaat: Libanon Gouvernement: Süd-Libanon Koordinaten: 33° 16′ N, 35° 12′ O33.26666666666735.2Koordinaten: 33° 16′ N, 35° 12′ O Einwohner: 135.204 (2005) Zeitzone: UTC+2 Tyros (auch: Tyrus oder Sur, arabisch صور Ṣūr) ist eine Stadt im Libanon mit rund 117.100 Einwohnern. Sie liegt im Süden des Landes an der Küste des Mittelmeers. Das antike Tyros, auf einer kleinen Insel gelegen, war eine der wichtigsten Städte der Phönizier.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bronzezeit und frühe Eisenzeit
Der Aufstieg von Tyros begann Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. Seine große Zeit hatte Tyros als Handelsmetropole ab dem so genannten Seevölkersturm im 12. Jh. v. Chr. Der Handel von Tyros und anderen phönizischen Städten erfasste das gesamte Mittelmeerbecken. Ob auch die Gegenden jenseits der Säulen des Herkules, wie die Kanarischen Inseln und Britannien erreicht wurden, ist umstritten. Der Handel stützte sich auf eine Vielzahl von Handelsfaktoreien an den Küsten. Dauerhafte Siedlungen und Kolonien wurden nur ausnahmsweise gegründet, vor allem in Nordwestafrika, Sardinien und Spanien. Die bedeutendste Gründung war Karthago im Jahr 814 v. Chr., der Sage nach durch die tyrische Königstochter Elissa/Dido.
Für ca. 988 v. Chr. wird die Entsendung von Männern und Material für den Bau des Salomonischen Tempels in Jerusalem berichtet. Weiterhin wird Hiram Abif als Delegierter von Hiram I., dem König von Tyros entsandt. Tyros konnte seine politische Unabhängigkeit vor allem deshalb behaupten, weil die bisherigen Großmächte Ägypten und das Hethitische Reich geschwächt bzw. zerstört waren und zunächst keine andere Großmacht das resultierende Machtvakuum füllen konnte.
Assyrische/Babylonische Zeit
Mit dem Erstarken des Neuassyrischen Reiches wurde Tyros tributpflichtig und verlor zunehmend seine politische Eigenständigkeit, nicht jedoch seine Wirtschaftskraft. Die Seeherrschaft der Phönizier wurde allerdings seit dem 8. Jh. v. Chr. zunehmend von den aufstrebenden Griechen zurückgedrängt.
858-857 und 856-855 empfing Salmanassar III. den Tribut von Tyros. Dass dies für das Jahr 853 nicht erwähnt wird, will Kelle (2002) als Anzeichen dafür werten, dass die Stadt an dem Bündnis von Adad-idri (Hadadezer) von Aram, Irhuleni von Hamath und Ahab (A-ha-ab-bu) von Israel (KUR sir3-la-a-a) gegen Assur beteiligt war, und mit Truppen an der Schlacht von Qarqar teilnahm. Im 18. Regierungsjahr (841-840) Salmassers wird der Tribut von Tyros wieder erwähnt.
Der Vasallenvertrag zwischen Assurhaddon (681-669) und dem Stadtgott von Tyros enthält eine genaue Beschreibung des Herrschaftsgebietes von Tyros und verschiedene Vorschriften:
- dem Befehl des assyrischen Statthalters zu gehorchen,
- sich nicht an assyrischen Untertanen zu vergreifen,
- gestrandete Schiffe an die Assyrer auszuliefern, doch ihre Besatzungen nicht anzutasten.
Diesen Vorschriften folgen die üblichen Selbstverfluchungen im Falle des Eidbruches:
- Ninlil von Niniveh möge ein flammendes Schwert gegen Tyrus ziehen
- Die Ischtar von Arbela möge kein Erbarmen gewähren.
- Gula möge Krankheiten schicken, dass die Bewohner von Tyros in ihrem Blute baden wie Wasser.
- Die Schebetu (Böse Sieben, Plejaden) mögen eine Niederlage bewirken.
- Melkart und Eschmun mögen das Volk der Deportation preisgeben.
- etc.
Es werden hier sowohl die obersten Götter des babylonischen Pantheons als auch assyrische und lokale Götter angerufen.
Eine Stele des Assurhaddon von 672 aus Zincirli zeigt, wie er die winzig kleinen Könige von Tyros und Ägypten an Seilen hält, die in den Nasenringen der Unterworfenen befestigt sind.
Nebukadnezar II. (604-562 v.Chr.) konnte die Stadt selbst nach 13jähriger Belagerung nicht erobern. Sie ergab sich aber 568. Danach setzt Nebukadnezar einen neuen König, Ba'al II, ein (568-558). Rationenlisten aus dem 10-35. Jahr Nebukadnezars erwähnen Adelige und Handwerker aus Tyros. Dabei dürfte es sich um Geiseln und Deportierte handeln. Aus dem 40. Jahr Nebukadnezars sind tyrische Händler in Babylon überliefert. Nach dem Tode Ba'als wurde Tyros 558-551 von Richtern regiert, die Verhältnisse waren aber scheinbar sehr instabil. Vermutlich zu dieser Zeit der Schwäche verlor Tyros auch die Kontrolle über seine Kolonien Kition auf Zypern und Karthago in Nordafrika. Im ersten Jahr Nabonids wird wieder ein König eingesetzt, der in Babylon erzogen worden war, vermutlich ein Abkömmling der alten Herrscher. Tyros gehörte anschließend zum Persischen Reich und hatte hier, wie auch die anderen phönizischen Küstenstädte, eine relativ unabhängige Stellung.
Hellenismus
Um 333 war Azemilkos König von Tyrus, das sich unter persischer Herrschaft befand und die wichtigste der phönizischen Küstenstädte war, die die persische Flotte stellten. Auf die Nachricht von der persischen Niederlage bei Issos segelte Azemilkos unter Befehl des Autophradates nach Halikarnassos. In Phönizien eroberte Alexander der Große ohne Gegenwehr die Häfen Tripolis, Byblos, Beirut und Sidon. Auch Tyros hatte Verhandlungen angeboten, es Alexander aber verweigert, im Tempel des Stadtgottes Melkart in Neu-Tyros, also auf der Insel zu opfern. Sie boten ihm lediglich an, er könne Alt-Tyros auf dem Festland betreten. De facto hieß das, dass sie versuchten, neutral zu bleiben bzw. sich einer direkten makedonischen Kontrolle zu entziehen. Als Alexander darauf bestand, auch Neu-Tyros zu besetzen, kam es zur Belagerung der Stadt. Sie begann im Januar 332 v. Chr. und dauerte sechs Monate. Alexander ließ in mehrmonatiger Arbeit vom Festland aus einen Damm bauen, um die Inselstadt einzunehmen. Dazu benutzte er Pfeiler aus Libanonzedern und die Bauten der Altstadt. Auf dem Damm konnten nun Belagerungsmaschinen herangeschafft werden. Schiffe aus Arwad, Sidon, Byblos und Zypern beteiligten sich an der Belagerung. Tyros fiel im Herbst 332 v. Chr. Die Schiffe aus Arwad nahmen den Südhafen ein, die zypriotischen Schiffe liefen in den Nordhafen ein und die Besatzungen konnten Teile der Stadtmauern besetzen. König Azemilkos war mit den Sufeten und den Gesandten aus Karthago in den Tempel des Melkart geflüchtet und wurde von Alexander verschont, während er 2.000 Männer kreuzigen (Diodor) und 13.000 (Diodor) oder 30.000 (Arrian) Einwohner in die Sklaverei verkaufen ließ. Dem Rest gelang die Flucht nach Karthago. Alexander beging seinen Sieg im Melkarttempel der Stadt, wo er den Rammbock, der als erster die Mauern gesprengt hatte und das heilige tyrische Melkartschiff, das er bereits früher erbeutet hatte, feierlich dem Gotte weihte. Die Stadt wurde teilweise zerstört, war aber zunächst noch der wichtigste makedonische Hafen an der levantinischen Küste. Die Eroberung durch die Makedonen bewirkt den langsamen Niedergang der Stadt. Sie konnte keine politische Eigenständigkeit mehr erringen. An dem Damm lagerte sich im Lauf der Zeit Schwemmland an, so dass aus der Insel eine Halbinsel wurde.
Die andauernden Ausgrabungen in Tyros insbesondere in den letzten 20 Jahren brachten Hunderte von griechischen Inschriften zum Vorschein, die teilweise gut erhalten sind. Sie entstanden zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 8. Jahrhundert n. Chr. also von der Eroberung durch Alexander den Großen bis zur moslemischen Eroberung. Die Großereignisse finden in ihnen kaum ihren Niederschlag. Die Inschriften sagen etwas über das tägliche Leben und die sozialen und kultischen Einrichtungen aus. Die wahrscheinlich älteste griechische Inschrift ist in roten Granit gemeißelt. Die Inschrift ehrt Ptolemäus IV. von Ägypten zu einer Zeit, als Tyros zwischen den griechischen Pharaonen in Ägypten und den Seleukiden Streitobjekt war. Die Inschrift hilft, eine Passage des griechischen Historikers Polybios besser zu verstehen.
Römerzeit
Von den Römern wurden mehrere größere Bauwerke errichtet, die teilweise heute noch erhalten sind. Die Stadt war vermutlich der Geburtsort des berühmten römischen Juristen Domitius Ulpianus (D.50.15.1pr). Die oströmische Zeit dauerte bis zur Schlacht am Jarmuk. Danach wurde Tyros im Zuge der islamischen Expansion von den Arabern erobert.
Mittelalter
Im Jahre 1089 wurde die Stadt von seldschukischen Türken erobert. Nachdem sie 1112 einer Belagerung durch die Kreuzritter standgehalten hatte, wurde die Stadt 1124 von diesen erobert und der Krondomäne des Königreichs Jerusalem zugeschlagen. Sie wurde weiterhin Sitz eines Erzbischofs. Nach dem Fall Jerusalems an Saladin (1187) wurde der Thronsitz nach Akkon verlegt, während die Beratungssitzungen in Tyros stattfanden. Einer Belagerung durch Saladin hielt die Stadt im Jahre 1187 stand. Wenig später wurde Tyros in eine eigene Herrschaft umgewandelt. In der Kathedrale von Tyros wurden möglicherweise die Knochen des während des 3. Kreuzzugs verstorbenen deutschen Kaisers Friedrich I. Barbarossa († 1190) beigesetzt. Im Jahr 1291 eroberten die Mameluken die Stadt zurück.
Die Götterwelt
Die älteste schriftliche Bezeugung tyrischer Götter findet sich im 676 v. Chr. geschlossenen Vertrag zwischen dem Assyrerkönig Asarhaddon und dem Baal von Tyros. Die drei Götter, die den Vertrag auf Seiten von Tyros garantieren heißen Baalshamin, Astarte und Melkart (König der Stadt), der später auch als Baal Sur (Herr des Felsens – auf dem die Stadt errichtet ist) angerufen wird. Flavius Josephus setzt diese Götter mit Zeus, Aphrodite und Herakles gleich.
Überliefert ist auch, dass Hiram von Tyros, der im AT der Bibel als Zeitgenosse Salomos erscheint, die Tempel für diese drei Götter errichtete. Münzabbildungen aus römischer Zeit zeigen u.a. Aphrodite-Tyche mit einer Mauerkrone. Neben ihr eine Viktoria und ein Tropaion. Andere Münzen zeigen einen Baum, einen Brandaltar und zwei Bätyl, die als „ambrossie petre“ (göttliche Felsen) bezeichnet sind. Der Dichter Nonnos von Panopolis erwähnt einen brennenden Ölbaum und Herodot zwei Meter hohe Stelen aus Gold und Smaragd als Tempeleinrichtungen. Die Einrichtung des Tempels, den tyrische Seefahrer im spanischen Gades errichteten, bestand aus einem goldenen Ölbaum, einem Feueraltar und den Baetyl aus Gold- und Silberlegierungen.
Das älteste Bild Melqarts findet sich auf einer Stele des Bar-Hadad (König von Aram) in Aleppo aus dem 9. Jahrhundert v. Chr., auf ihr ist der Gott mit einer Doppelaxt dargestellt. Die Geburt des stetig wiedergeborenen Vegetations- oder Fruchtbarkeitsgottes wird auf einem Weiherelief dargestellt. Eine gehörnte Hirschkuh säugt das Kind, neben dem von einem Adler überragten Bett der Mutter und einem Baum mit brennenden Blättern. Texte erwähnen ihn öfter als Sohn der Aphrodite und des Baalshamin. Die von Hiram installierte Egersis (eine Art Passionsspiel), so berichten zumindest christliche Quellen, nachvollzog den Tod, die Verbrennung auf einem Scheiterhaufen und die Auferstehung dieses Gottes. Ähnliches wird auch über die Götter Adonis und Eschmun berichtet.
Heutiges Tyros
Heute sind vor allem noch Ruinen aus der Römerzeit erhalten, Reste eines gigantischen Hippodroms und die Nekropole vor den Toren der alten Stadt. 1984 wurde Tyros in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Große Teile der Stadt sind darüber hinaus geschütztes Kulturgut entsprechend der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.
Während des Libanon-Konfliktes im Sommer 2006 wurde Tyros von der israelischen Luftwaffe mehrfach bombardiert und erlitt dabei schwere Schäden. Viele internationale Journalisten, wie zum Beispiel Antonia Rados, berichteten Anfang August aus Tyros vom Konflikt.
In der Nähe der Stadt befinden sich seit Ende der 40er Jahre mehrere palästinensische Flüchtlingslager (Al-Bass, Rashidiyeh, Burj Al Shamali).
Siehe auch
Literatur
- H. Jacob Katzenstein: The History of Tyre. From the beginnings of the second millenium B.C.E. until the fall of the neo-babylonian empire in 538 B.C.E. The Schocken Institute for Jewish Research, Jerusalem 1997, ISBN 965-342-677-X (überarb. Version seiner Dissertation, Universität Jerusalem 1964)
- Brad E. Kelle: What's in a Name? Neo-Assyrian designations for the Northern Kingdom and their implications for Israelite history and Biblical interpretation. In: Journal of Biblical Literature, 121/4 (2002), S. 639-666.
- Michael Sommer: Die Phönizier – Handelsherren zwischen Orient und Okzident. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2005. ISBN 3-520-45401-7
- Ernest Will: Die Götter von Tyros In: Ur- und Frühzeit, Bd. 16 (1989), Heft 1
Weblinks
Eintrag in der Welterbeliste der UNESCO auf Englisch und auf Französisch
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