- Tötungsdelikte
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Ein Tötungsdelikt ist eine Straftat gegen das menschliche Leben.
Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Die Straftaten gegen das Leben sind in den §§ 211 bis 222 StGB geregelt. Der ebenfalls in diese Deliktsgruppe eingeordnete strafbare Schwangerschaftsabbruch und sonstige Straftaten im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch sowie die Aussetzung sind keine Tötungsdelikte. Letztere ist ein Lebensgefährdungsdelikt. Dieser Artikel behandelt die Tatbestände der vorsätzlichen Tötung, die in den §§ 211, 212, 213 und 216 StGB geregelt sind.
Normative Grundlagen
§ 211 Mord.
- (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
- (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
- heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
- einen Menschen tötet.
§ 212 Totschlag.
- (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
- (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
§ 213 Minder schwerer Fall des Totschlags.
- War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
§ 216 Tötung auf Verlangen.
- (1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
- (2) Der Versuch ist strafbar.
§ 222 Fahrlässige Tötung.
- Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Mord oder Totschlag
Des Totschlags macht sich strafbar, wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne eines der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Mordmerkmale zu erfüllen. Auf einen möglicherweise vorliegenden Affekt kommt es indes nicht an. Sowohl Mord wie auch Totschlag erfordern Vorsatz bezüglich des Todeserfolgs (zu den erhöhten Voraussetzungen des Tötungsvorsatzes siehe auch Hemmschwellentheorie). So ist nicht jede Tötung im Affekt ein Totschlag und nicht jede Tötung ohne Affekt ein Mord. Die Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag erfolgt ausschließlich über die Mordmerkmale, deren Problematik nicht zu unterschätzen ist. Über die dringende Notwendigkeit einer Neustrukturierung der Tötungsdelikte herrscht daher in der Wissenschaft seit Jahrzehnten Konsens. Die Mordmerkmale sind kaum geeignet, einen Tatbestand hinreichend abzugrenzen, und daher mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar (vgl. Weber (1999): 160 f.). Es war aber auch nicht das rechtspolitische Anliegen des nationalsozialistischen Gesetzgebers, der die noch heute geltende Tatbestandsregelung im Jahre 1941 einführte, dem Tatrichter mit den wachsweichen Mordmerkmalen ein handfestes Instrument für die Subsumption eines Tötungsdelikts unter die Tatbestände Mord und Totschlag zur Verfügung zu stellen. Durch die aus ihrer Subjektivität resultierende Interpretationsoffenheit der Mordmerkmale stellt der Gesetzgeber die Verurteilung eines Täters als Mörder oder Totschläger im Wesentlichen in die Willkür der Gerichte.
Ein empirischer Beleg findet sich in Rasch/Hinz (1980: 378); vgl. auch Weber (1999): 144). Demnach handelt es sich bei den im Untersuchungszeitraum 1945-1975 in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz festgestellten Mordmerkmalen zu 0,0 % um das Merkmal "Mordlust", jedoch zu 5,8 % in Bayern. Das Merkmal "Befriedigung des Geschlechtstriebs" weist in Schleswig-Holstein, Bremen und Saarland einen Anteil von 0,0 % auf, in Bayern jedoch von 9,4%. Das Merkmal "Habgier" weist in Bremen einen Anteil von 7,4% auf, in Bayern jedoch von 41,7 %. Das Merkmal "sonstige niedrige Beweggründe" weist in Berlin-West einen Anteil 15,7 % auf, in Bremen jedoch von 40,7 %. Das Merkmal "Heimtücke" weist in Bayern einen Anteil von 2,8 % auf, in Hessen jedoch von 32,6%. Das Merkmal "Grausamkeit" weist in Bayern einen Anteil von 0,8 % auf, in Hamburg jedoch von 26,0%. Das Merkmal "Ermöglichung einer anderen Straftat" weist in Bremen einen Anteil von 2,5 % auf, in Berlin jedoch von 17,9 %. Das Merkmal "Verdeckung einer anderen Straftat" weist in Bremen einen Anteil von 4,9 % auf, im Saarland jedoch von 17,5 %.
Diese Untersuchung enthält leider einen methodischen Fehler. Entscheidende Größe ist nämlich nicht, welche Bedeutung, im Hinblick auf die Feststellungshäufigkeit, ein Mordmerkmal im Vergleich zur Gesamtheit der übrigen hat, sondern mit welchem Anteil aller vorsätzlichen Tötungen nach den §§ 211, 212 und 213 StGB in den einzelnen Bundesländern auf die jeweiligen Mordmerkmale erkannt wurde. Die o.g. Häufigkeitsunterschiede sind jedoch derart extrem, dass man anhand der Untersuchung - trotz ihrer methodischen Schwäche - bedenkenlos feststellen kann, dass den Urteilen zufolge im Untersuchungszeitraum z.B. die Tötungsdelikte in Hessen um ein Vielfaches häufiger "heimtückisch" begangen wurden als in Bayern. Aber niemand wird wohl, unter Verweis auf das Datenmaterial, die These vertreten wollen, dass die hessischen Täter bei ihren Tötungen tatsächlich "rein zufällig" über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten um ein Vielfaches häufiger "heimtückisch" vorgegangen sind als die bayerischen.
Die Subjektivität der Mordmerkmale bedingt ihre willkürliche Zuschreibung und damit die Willkür der gerichtlichen Entscheidung, ob der Täter "Mörder" ist oder nicht. Zwar lassen sich die Mordmerkmale präzisieren - der BGH ist dauerhaft damit beschäftigt und fällt hierzu regelmäßig Leitsatzentscheidungen - aber durch eine Präzisierung gewinnen sie keinen objektiven Charakter. So entschied der BGH in Bezug auf das Mordmerkal der "Befriedigung des Geschlechtstriebs": "Eine Absicht zur Befriedigung des Geschlechtstriebs ist ebenfalls nicht erforderlich, sondern es reicht, wenn der Täter dies "gegebenenfalls" will (BGHSt 19, 101, 105)" (BGH Urteil vom 22. April 2005 - 2 StR 310/04). Hier erfolgt eine Präzisierung des Mordmerkmals dahingehend, dass es zur Erfüllung hinreicht, wenn der Täter durch die Tat auch nur "gegebenenfalls" geschlechtliche Befriedigung erlangen möchte. Die tatrichterliche Wertung, ob dieser "gegebenenfalls" geschlechtliche Befriedigung erlangen wollte, bleibt dennoch bedenklich subjektiv. Sie entscheidet aber nicht nur über die mit einem unendlichen Stigmatisierungseffekt verbundene Anheftung des Etiketts "Mörder", sondern auch über zahlreiche Haftjahre mehr oder weniger. Dies ist eine rechtsstaatlich völlig untragbare Situation. So verurteilte das Landgericht Kassel den Angeklagten Armin Meiwes am 30. Januar 2004 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten.
Der BGH hob das Urteil am 22. April 2005 auf Revision der Staatsanwaltschaft auf, verwarf die Revision des Angeklagten, und verwies die Sache zu neuer Verhandlung an das Landgericht Frankfurt am Main, das den Angeklagten am 9. Mai 2006 wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; eine Revision des Angeklagten steht zur Entscheidung an. Dem Wortlaut des BGH-Urteils vom 22. April 2005 zufolge, ist eine neuerliche Verwerfung der Revision höchst wahrscheinlich. Dennoch sehen unabhängige Rechtswissenschaftler, so z.B. der Gießener Kriminologe Artur Kreuzer, der der Verteidigung nicht behelfend zur Seite stand, keine Mordmerkmale erfüllt. Es ist also auch hier eine offenkundig subjektive Entscheidung, die zu einer Erhöhung des Stramaßes von acht Jahren und sechs Monaten auf lebenslänglich führt. Für den Angeklagten erhöht sich die Haftzeit damit um mindestens 6 Jahre und 6 Monate. Da zu zeitiger Freiheitsstrafe Verurteilte bereits nach zwei Drittel der verbüßten Haftzeit auf Bewährung entlassen werden können und "Lebenslängliche" nach 15 Haftjahren mitnichten einen rechtlichen Anspruch auf Entlassung haben, liegt die tatsächliche zusätzlich zu verbüßende Haftzeit deutlich höher - wohlgemerkt, ohne dass neue Tatsachen oder Beweise zutage getreten sind, also beim selben objektiven Tatbestand. Grund für das zweite Verfahren war ausschließlich eine nach Auffassung des BGH rechtsfehlerhafte Würdigung der vorhandenen Beweise im ersten.
Das rechtspolitische Anliegen des nationalsozialistischen Gesetzgebers
Das theoretische Fundament der bis heute geltenden Regelung der Tötungsdelikte bildet die nationalsozialistische Tätertypenlehre, nach der sich der "Mörder" vom "Totschläger" durch seine grundandere "Wesensart", die durch Erfüllung des normativen Tätertyps zum Ausdruck kommt, unterscheiden soll. Zu diesem Zwecke entwickelte man die Mordmerkmale als Kennzeichnungsbeispiele des normativen Tätertyps. Die unbegrenzte Auslegbarkeit der Mordmerkmale eröffnete dem Tatrichter nun die Möglichkeit, den Angeklagten auf Grundlage des "gesunden Volksempfindens", also des der nationalsozialistischen Ideologie gemäßen Bildes vom normativen Tätertyp, und damit nicht zuletzt entsprechend seiner Haltung zum Regime, unter die Rechtsfigur des normativen Tätertyps zu subsumieren bzw. hierauf zu verzichten, und schließlich ideologiegetreu als "Mörder" oder "Totschläger" zu verurteilen (vgl. Weber (1999): 149).
Das hinter der Theorie vom normativen Tätertyp stehende Gedankengut gewinnt durch genaue Betrachtung des Gesetzteswortlauts an eindrucksvoller Deutlichkeit. § 211 StGB definiert nicht den Mord, sondern den "Mörder". Er ist neben dem Totschlag, welcher ausschließlich dadurch gekennzeichnet ist, dass die Tat nicht Mord, der Täter also nicht "Mörder" ist, der einzige Straftatbestand, der sich nicht durch die Tat, sondern den Täter definiert. Die Verurteilung als "Mörder" knüpft demgemäß nicht an die Tat, sondern die Wesensart, das persönliche Sein, also die Persönlichkeit des Täters - "der strafrechtliche Abschied vom Tatprinzip", so das Komitee für Grundrechte und Demokratie in "Manifest wider die lebenslange Freiheitsstrafe" (1990), S. 22 (zitiert aus Weber (1999): 152).
Negative und positive Typenkorrektur
Die Mordmerkmale stellten lediglich nicht abschließende Regelbeispiele zur Charakterisierung des "Mördertyps" dar. So sah die nationalsozialistische Rechtsprechung die Möglichkeit vor, einen Täter ohne Zuerkennung eines der in § 211 Abs. 2 StGB genannten, also geschriebenen, Mordmerkmale durch Feststellung des ungeschriebenen Mordmerkmals der "besonderen Verwerflichkeit" gleichwohl als "Mörder" zu verurteilen (negative Typenkorrektur). Ebenso konnte ein Täter trotz Zuschreibung eines Mordmerkmals gleichwohl als "Totschläger" verurteilt werden (positive Typenkorrektur). Entscheidend war jeweils eine politische, der Willkür Tür und Tor öffnende "Prüfung, Betrachtung und Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters", so Freisler, beteiligt an der Novellierung als Staatssekretär im Reichsjustizministerium und späterer Präsident des Volksgerichtshofs. Nach 1941 weitete die Rechtsprechung den richterlichen Ermessensspielraum wie folgt aus: "Entscheidend dafür, ob ein Täter Mörder oder Totschläger ist, [...] ist vielmehr, wie Tat und Täter vom Standpunkt des gesunden Volksempfindens aus sittlich zu bewerten sind" (RGSt 77: 41ff., 44 zitiert nach Weber (1999): 147).
Die negative Typenkorrektur spielte eine herausragende Rolle bei Kritikern des Regimes und Menschen, die nach der nationalsozialistischen Rassenlehre als minderwertig galten. So wäre ein Behinderter, der infolge des aus einer schweren Beleidigung durch einen "vollwertigen Menschen" resultierenden Zorns sich auf der Stelle zur Tötung desselben hätte hinreißen lassen, mindestens nach sittlicher Bewertung seiner Person als Mörder verurteilt worden, obwohl die Tat nicht aus einem niedrigen Beweggrund oder heimtückisch, grausam, oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder zur Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat durchgeführt wurde. Auch für eine willkürliche Zuschreibung des Mordmerkmals der "sonstigen niedrigen Beweggründe" läßt der Gesetzeswortlaut hier ausnahmsweise keinen Raum, da es hierzu nicht hinreicht, daß die Tat als solche "niedrig" ist, sondern ein niedriger Beweggrund des Täters verlangt wird. Das Instrument der negativen Typenkorrektur beseitigt so die letzten Grenzen richterlicher Willkür, die die gesetzliche Tatbestandsregelung noch zieht. Nicht zuletzt stellte es auch eine allgemeine Erleichterung für die Gerichte dahingehend dar, daß diese teilweise von vornherein auf die gesonderte Prüfung der einzelnen Mordmerkmale verzichteten, und es in der schriftlichen Begründung zur Verwerfung der Revision einer Angeklagten nur noch lapidar hieß: "Im vorliegenden Falle hat das LG gegenüber der Angeklagten [...] die besondere Verwerflichkeit der Tötung einwandfrei bejaht. Hiernach ist die Beschwerdeführerin als Mörderin zu bestrafen" (RGSt 77: 286ff., 288f., zitiert nach Weber (1999): 148). Die Gebrauchmachung von der negativen Typenkorrektur war auch nicht auszuschließen bei Tätern, deren Opfer, im Gegensatz zu ihnen, eine Funktion im Staatsapparat innehatten.
Das Instrument der negativen Typenkorrektur erlangte v.a. im Kriegsstrafrecht Bedeutung.
Zu den Tötungsdelikten im weiteren Sinne sind die folgenden erfolgsqualifizierten Delikte mit Todesfolge zu zählen, die sämtlichst Verbrechenscharakter aufweisen. Diese Tatbestandsnormen umfassen allesamt vorsätzliche strafbare Handlungen, im Rahmen derer der Täter fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt. (Anmerkung: Ein erfolgsqualifiziertes Delikt ist gekennzeichnet durch das Knüpfen an einen bestimmten Taterfolg - hier an den Tod eines Menschen.)- Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge, § 176 b StGB
- Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung mit Todesfolge,§ 178 StGB
- Aussetzung mit Todesfolge, § 221 Abs. 3 StGB
- Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB
- Beteiligung an einer Schlägerei, bei der der Tod eines Menschen verursacht wird, § 231 StGB
- Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge, § 235 Abs. 5 StGB
- Freiheitsberaubung mit Todesfolge, § 239 Abs. 4 StGB
- Erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge, § 239a Abs. 3 StGB
- Geiselnahme mit Todesfolge, §§ 239b Abs. 2, 239a Abs. 3 StGB
- Raub mit Todesfolge, § 251 StGB (auch in der Form des räuberischen Diebstahls oder der räuberischen Erpressung mit Todesfolge)
- Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer mit Todesfolge, § 316a StGB
- Brandstiftung mit Todesfolge, § 306c StGB
- Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie oder Sprengstoff mit Todesfolge, § 307 Abs. 3 StGB bzw. § 308 Abs. 3 StGB
- Missbrauch ionisierender Strahlung mit Todesfolge, § 309 Abs. 4 StGB
- Fehlerhaftes Herstellen einer kerntechnischen Anlage mit Todesfolge, § 312 Abs. 4 StGB
- Herbeiführen einer Überschwemmung mit Todesfolge, §§ 313 Abs. 2, 308 Abs. 3 StGB
- Gemeingefährliche Vergiftung mit Todesfolge, §§ 314 Abs. 2, 308 Abs. 3 StGB
- Angriff auf den Luft- und Seeverkehr mit Todesfolge, § 316c Abs. 3 StGB
- Beschädigen wichtiger Anlagen mit Todesfolge, § 318 Abs. 4 StGB
- Umweltstraftaten mit Todesfolge, §§ 324 - 329, 330 Abs. 2 Nr. 2 StGB
- Schwere Gefährdung durch Giftfreisetzung mit Todesfolge, § 330a Abs. 2 StGB
In Nebenstrafgesetzen finden sich weitere erfolgsqualifizierte Delikte, die an einen Tötungserfolg knüpfen.
Selbsttötung
Die Selbsttötung (Suizid) ist in Deutschland straffrei. Somit sind auch der Versuch und die Teilnahme (Beihilfe, Anstiftung) grundsätzlich straffrei. Dabei gilt jedoch, dass die Anstiftung eines Schuldunfähigen oder die Anstiftung mittels Betruges oder Täuschung zur Tötung in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) führt. Wer aufgrund seiner Garantenstellung verpflichtet ist (z.B. Angehörige, Ärzte etc.), eine Selbsttötung zu verhindern, kann wegen Unterlassung seines Eingreifens bestraft werden. Der Gehilfe kann ebenfalls wegen Unterlassen der Hilfeleistung nach § 323c StGB bestraft werden, da der Suizidversuch einen Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB darstellt.
Registrierte Tötungsdelikte
In der Bundesrepublik Deutschland polizeilich registrierte Tötungsdelikte (ohne fahrlässige Tötungen im Straßenverkehr) seit 1993 nach der Polizeilichen Kriminalstatistik:
PKS (Schlüssel 0000*) Jahr Delikte (n) Häufigkeitszahl (HZ) 1993 5.140 6,35 1994 4.654 5,72 1995 4.908 6,02 1996 4.420 5,40 1997 4.292 5,23 1998 3.736 4,55 1999 3.744 4,56 2000 3.676 4,47 2001 3.577 4,35 2002 3.541 4,30 2003 3.465 4,20 2004 3.525 4,27 2005 3.549 4,30 2006 3.452 2007 3.356 * 0000 umfasst Mord, Totschlag,
Tötung auf Verlangen, Kindstötung,
fahrlässige Tötung und
SchwangerschaftsabbruchEtwa 50% aller begangenen Tötungsdelikte sind Versuche (2005: 1.608 = 45,3%). Die Aufklärungsquote der Tötungsdelikte betrug 2005 92,9%.
Normative Grundlagen in anderen Ländern
Österreich
§ 75 StBG Mord
- Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.
§ 76 StBG Totschlag
- Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen läßt, einen anderen zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
§ 77 StBG Tötung auf Verlangen
- Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
§ 78 StBG Mitwirkung am Selbstmord
- Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
§ 79 StBG Tötung eines Kindes bei der Geburt
- Eine Mutter, die das Kind während der Geburt oder solange sie noch unter der Einwirkung des Geburtsvorgangs steht, tötet, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
§ 15 StBG Strafbarkeit des Versuchs
- Die Strafdrohungen gegen vorsätzliches Handeln gelten nicht nur für die vollendete Tat, sondern auch für den Versuch und für jede Beteiligung an einem Versuch. [...]
Hinweis: Die Überschriften der Paragraphen sind (im Gegensatz zu Deutschland) authentisch, dh. vom Gesetzgeber beschlossen.
Schweiz
Art. 111 Vorsätzliche Tötung
- Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne dass eine der besondern Voraussetzungen der nachfolgenden Artikel zutrifft, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Art. 112 Mord
- Handelt der Täter besonders skrupellos, sind namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich, so ist die Strafe lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
Art. 113 Totschlag
- Handelt der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren
Art. 114 Tötung auf Verlangen
- Wer aus achtenswerten Beweggründen, namentlich aus Mitleid, einen Menschen auf dessen ernsthaftes und eindringliches Verlangen tötet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Art. 115 Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord
- Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Art. 116 Kindestötung
- Tötet eine Mutter ihr Kind während der Geburt oder solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht, so wird sie mit Gefängnis bestraft.
Art. 117 Fahrlässige Tötung
- Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Anmerkungen
- Die lebenslange Freiheitsstrafe kann frühestens nach Ablauf von 15 Jahren, im besonderen Fall 10 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.
- Im weiteren gibt es noch die "eventualvorsätzliche Tötung": wenn der Tod eines Menschen billigend inkaufgenommen wird. Eventualvorsätzliche Tötung ist zwischen Fahrlässiger Tötung und Vorsätzlicher Tötung.
Schweden
Quelle: Das schwedische Kriminalgesetzbuch vom 21. Dezember 1962, Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung, Berlin 1976
KAP. 3 Straftaten gegen Leben und Gesundheit
§ 1 Wer einen anderen des Lebens beraubt, wird wegen Mordes zu Gefängnis von 10 Jahren oder auf Lebenszeit verurteilt.
§ 2 Ist eine Straftat der in § 1 genannten Art mit Rücksicht auf die Umstände, die die Tat veranlaßt haben, oder in sonstiger Hinsicht als weniger schwer anzusehen, so ist wegen Totschlags zu Gefängnis von mindestens 6 und höchstens 10 Jahren zu verurteilen.
§ 3 Tötet eine Frau ihr Kind bei der Geburt oder sonst zu einem Zeitpunkt, in dem sie sich auf Grund der Niederkunft in aufgewühltem Sinneszustand oder in schwerer Bedrängnis befindet, so ist sie wegen Kindestötung zu Gefängnis von höchstens 6 Jahren zu verurteilen.
(...)
"Dem pflichtgemäßen Abwägen und Ermessen des Richters wird hier wie an vielen anderen Stellen des Gesetzes durch die Worte "in sonstiger Hinsicht" ein weites Feld eingeräumt, was der schwedischen Gesetzestechnik und -tradition entspricht. In den Motiven wird als Beispiel eines Totschlags genannt, dass der Täter schweren Qualen seelischer Art ausgesetzt war. Dagegen kann auch bei Fehlen von Überlegung Mord vorliegen (kaltblütiges Niederschießen eines Tatzeugen usw.)" (Das schwedische Kriminalgesetzbuch vom 21. Dezember 1962, Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung, Berlin 1976, S. 99).
Süd-Korea
Quelle: Das koreanische Strafgesetzbuch, Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung, Berlin 1968
24. Tötungsdelikte
Art. 250 Totschlag, Aszendententotschlag
- § 1 Wer einen Menschen tötet, wird mit dem Tode, lebenslangem Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft.
- § 2 Wer seinen oder seines Ehegatten Verwandten in aufsteigender Linie tötet, wird mit dem Tode oder lebenslangem Zuchthaus bestraft.
Art. 251 Kindestötung
- Ein Verwandter in aufsteigender Linie, der ein Kind in oder gleich nach der Geburt tötet, um Schande zu vermeiden, oder der in der Voraussicht des Unvermögens, das Kind aufzuziehen oder aus einem anderen besonderen Beweggrund, der als Strafmilderungsgrund gilt, handelt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.
Art. 252 Tötung auf Verlangen oder mit Einwilligung
- § 1 Wer einen anderen auf dessen Verlangen oder mit dessen Einwilligung tötet, wird mit Zuchthaus von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
- § 2 Der Vorangehende Absatz ist auf denjenigen anzuwenden, der einen anderen zum Selbstmord anstiftet oder einem anderen beim Selbstmord Hilfe leistet.
Art. 253 Tötung auf Verlangen durch List usw.
- Hat jemand im Falle des vorangehenden Artikels das Verlangen, die Einwilligung oder die Entscheidung zum Selbstmord des anderen durch List oder Drohung mit Gewalt herbeigeführt, so wird der nach der Vorschrift des Art. 250 bestraft.
Art. 254 Versuch
- Der Versuch der in den vorangehenden Artikeln genannten Delikte ist strafbar.
Art. 255 Vorbereitung, Verabredung
- Wer in der Absicht, die Delikte des Artikels 250 oder 253 zu begehen, Vorbereitungen trifft oder sich verabredet, wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft.
Art. 256 Einstellung von Rechtsfähigkeiten als Zusatzstrafe
- In den Fällen der Art. 250, 252 oder 253 kann, wenn zeitiges Zuchthaus auferlegt wird, zusätzlich auf Einstellung von Rechtsfähigkeiten bis zu zehn Jahren erkannt werden.
Anmerkungen
- Das Höchstmaß der zeitigen Zuchthausstrafe beträgt 15 Jahre.
- Der Strafrest der zeitigen Zuchthausstrafe kann frühestens nach Verbüßung von einem Drittel der Strafzeit zur Bewährung ausgesetzt werden.
- Die lebenslange Zuchthausstrafe kann frühestens nach Ablauf von 10 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.
Literatur
- Dirk Lange: Die politisch motivierte Tötung, Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-631-56656-5.
- Dieter Anders, Hansjürgen Bratzke, Hans-Joachim Gotthardt: Die Bearbeitung von Tötungsdelikten, Boorberg 2006, ISBN 3-415-03684-7
Weblinks
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