U-Bahn Kairo

U-Bahn Kairo
Logo der Kairoer Metro

Die Kairoer Metro in Ägyptens Hauptstadt ist das einzige voll entwickelte U-Bahn-System Afrikas. Derzeit befinden sich zwei Strecken in Betrieb, die beide separat betrieben werden. Eine dritte U-Bahnstrecke ist im fortgeschrittenen Planungsstadium. Alle Linien befahren die Normalspur von 1435 mm.

Inhaltsverzeichnis

Strecken

Linie 1

Karte der Kairoer Metro

Anfang der 1970er Jahre wurden die Verkehrsprobleme in der ägyptischen Hauptstadt Kairo immer gravierender. Kilometerlange Staus waren keine Seltenheit. Daher wurde 1973 ein U-Bahn-Ausbauplan von der ägyptischen Regierung beschlossen. Dieser sah vorerst ein System aus drei Linien vor, von denen bisher zwei gebaut wurden.

Die Linie 1 (Rote Linie), 1987 eröffnet, besteht eigentlich aus drei Teilen, zwei Vororteisenbahnstrecken und einem langen Tunnelstück im Zentrum der Stadt. Die Linie 1 wird deutlich stärker als die bisher einzige andere Linie benutzt und verbindet den Industriestandort Helwan im Süden und die bevölkerungsreichen Vorstädte um El Marg im Norden. Die Vorortbahnstrecken, die in die U-Bahnlinie integriert wurden, hatten 1971 einen Anteil von 81 % am Eisenbahnvorortverkehr. Rein technisch gesehen gehört die Strecke zum Netz der ägyptischen Eisenbahn, findet hier doch auch noch Güterverkehr statt. Andere Personenzüge fahren hier nicht. Die südliche Eisenbahnstrecke nach Helwan wurde 1877 als staatliche Eisenbahn eröffnet. 1888 wurde die Strecke privatisiert und von der Gesellschaft der Brüder Suares betrieben. Ein Jahr später trassierte man die Strecke neu, nun führte sie parallel zum Nil in den südlichen Teil der Kairoer Innenstadt. Dort erhielt sie sogar einen eigenen Kopfbahnhof. Spätestens seit damals gibt es Projekte, die Nord- und die Südstrecke zu verbinden, wie durch den Bau der U-Bahn geschehen. Einen ersten Antrag der Suares-Gesellschaft für den Bau eines solchen Verbindungsstücks wies man im März 1890 ab. 1904 wechselte wiederum die Gesellschaft, nun Delta Railways, bis diese 1916 verstaatlicht wurde. 1956 elektrifizierte die ägyptische Staatsbahn die Strecke, was eine Besonderheit im damals noch dampfbetriebenen Eisenbahnnetz darstellte.

Zug der Linie 1

Die Linie 1 wurde in drei Schritten fertig gestellt: 1982 begannen die ersten Bauarbeiten, am 27. September 1987 konnte das unterirdische Tunnelstück im Zentrum Kairos von Mubarak nach Sayyida Zeinab eröffnet werden. Dazu gehörte auch noch die Umstellung der südlichen Eisenbahnstrecke auf U-Bahn-Betrieb. 4,8 Kilometer Neubaustrecke waren zu bauen, 22,5 km gehörten zur bereits bestehenden Strecke. Am 12. April 1989 konnte die nördliche Eisenbahnstrecke endlich umgestellt werden. Diese reichte von der Station Mubarak bis nach El Marg. 15,4 km lang war die neu zu eröffnende Strecke. Im Mai 1999 kam noch eine Station hinzu. Es wurde der eingleisige Betrieb von El Marg bis New El Marg aufgenommen. Diese Strecke ist insgesamt 1,3 km lang. Dennoch enden auch heute noch viele Züge an der vorherigen Endstation El Marg. Insgesamt ist die Strecke der Linie 1 etwa 44 Kilometer lang und hat 35 Stationen. Fast alle Stationen haben Seitenbahnsteige, die bis zu 197 Meter lang sind. Die maximale Kapazität der Linie beträgt pro Tag zwei Millionen Fahrgäste, derzeit benutzen etwa 1,4 Millionen Passagiere die Linie 1 pro Tag. Die Streckenhöchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h, in Spitzenzeiten wird in einem 210-Sekunden-Takt gefahren. Technisch möglich wäre allerdings sogar ein 150-Sekunden-Takt. Um eine schnelle Abfertigung zu erreichen, sind die Züge an beiden Enden mit Personal besetzt. Die Linie 1, die durch ihre relativ hohen Stationsabstände und Streckengeschwindigkeiten eher einer S-Bahn ähnelt, wird umgangssprachlich auch die „French-Linie“ (französische Linie) genannt. Das liegt daran, dass die Fahrzeuge auf dieser Strecke vom französischen Eisenbahnproduzenten Alstom entworfen wurden.

Linie 2

Station Ataba der Linie 2

Nach dem Ausbauplan von 1973 sollte die Linie 2 vom nördlichen El Mazallat bis zur im Süden gelegenen Cairo University führen. Die Streckenlänge sollte 13,5 km betragen. Nach einigen Verhandlungen erweiterte man die Pläne im Norden um 2,5 km nach Shubra el Kaima beziehungsweise 3 km bis nach Um el Mesrien (auch Giza Suburbs). Die Linie entstand komplett neu, das heißt, nicht wie die erste Linie auf bereits bestehenden Strecken. Die ersten Bauarbeiten begannen am 12. Juni 1993. In fünf Ausbaustufen erreichte die Linie ihren heutigen Zustand.

  • 1. Oktober 1996 Shubra el KheimaMubarak, 8 km
  • September 1997 MubarakSadat, 3 km
  • 19. April 1999 SadatCairo University, 5,5 km
  • 8. Oktober 2000 Cairo UniversityGiza Suburbs, 2,7 km
  • 17. Januar 2005 Giza SuburbsEl Monieb, 2,6 km

Heute ist die Linie 2 etwa 22 km lang und hat 20 Stationen. Auf dem Streckenabschnitt El Behous – Mubarak fährt die U-Bahn unterirdisch. Hier erfolgte auch die erste Nil-Unterquerung in ganz Afrika, wofür die Schlitzbauweise angewendet wurde, da der Boden hier zu großen Teilen aus Bauschutt und heterogenen Ablagerungen des Flusses besteht. Um einen Wassereinbruch zu vermeiden, errichtete man Tunnelaußenwände mit 1 bis 2 Meter dickem Spezialbeton. Die Sohle des Tunnel liegt etwa 30 Meter unter dem Gelände. Im nördlichen Teil verläuft die U-Bahn über eine Viaduktstrecke und endet am ebenerdigen Bahnhof Shubra el Kheima, wo sich auch der Betriebshof der Linie 2 befindet. Im Süden fährt die Linie 2 parallel zur Niltaleisenbahnstrecke, die nach Oberägypten führt. Es entstanden auch zwei Umsteigestationen zur Fernbahn. Wie auch bei der Linie 1 gibt es auf Linie 2 fast nur Seitenbahnsteige, die hier 144 Meter lang sind. Die maximale Streckenkapazität beträgt 1,85 Millionen Fahrgäste pro Tag bei Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h und einem 105-Sekunden-Takt. Täglich werden etwa 1,2 Millionen Fahrgäste befördert, die Mindesttaktzeit beträgt dabei drei Minuten. Die Baukosten für die gesamte Linie, die auch aufgrund der aus Japan stammenden Züge „Japan-Line“ (japanische Linie) genannt wird, betrugen etwa 2 Milliarden US-Dollar.

Technik

Zug der Linie 1

Die Linie 1 zeigt ihre Verwandtschaft zur Eisenbahn deutlich mit der Stromzuführung per Stromabnehmer und Oberleitungen. Auf dieser Linie kommen dreiteilige Züge in der Zusammenstellung Triebwagen - Beiwagen - Triebwagen zum Einsatz, die vom französischen Eisenbahnhersteller Alstom geliefert wurden. Insgesamt 100 Einheiten wurden in den Jahren 1983 und 1984, das heißt vor der Eröffnung der U-Bahn, an die staatliche ägyptische Eisenbahngesellschaft geliefert. Diese besaß jedoch keine Erfahrung mit dem Unterhalt, weshalb die Züge vorerst durch Alstom gewartet wurden. In den Jahren 1993, 1994 und 1999 lieferte die Firma Semaf weitere 39 baugleiche Dreier-Einheiten. In allen Zügen der Linie 1 findet sich Querbestuhlung, das heißt 2+2 vis à vis. Es gibt sowohl Einheiten, die mit Klimaanlage ausgestattet sind, als auch solche mit Ventilatoren. Derzeit gibt es 139 Zugeinheiten.

Technisch gesehen besteht ein krasser Gegensatz zwischen den Linien 1 und 2. Bei der Linie 2 erfolgt die Stromabnahme und -rückgabe per Stromschiene, was schon eher einer typischen U-Bahn gleicht. Die Züge wurden von Kinky Sharyo und den Firmen Toshiba, Mitsubishi und Semaf entwickelt und produziert. Erst wurden 6-Wageneinheiten geliefert, die aus 2 End- und 4 Mittelwagen bestehen. Nach der Eröffnung der ersten vier Baustufen erweiterte man diese um jeweils 2 Mittelwagen, sodass auch die volle Bahnsteiglänge ausgenutzt werden konnte. Jährliche Fahrzeuglieferungen fanden in den Jahren 1995-2000 statt. Heute gibt es insgesamt 35 Einheiten. Im März 2004 gab das ägyptische Informationsministerium bekannt, dass für umgerechnet 73,12 Millionen Euro sieben weitere Züge bestellt werden. Ein weiterer Unterschied zur Linie 1 ist, dass hier keine Querbestuhlung, sondern Längssitze eingebaut wurden. Alle Einheiten sind klimatisiert.

Betrieb

U-Bahnhof Mar Girgis, Linie 1; Stationsnamen werden sowohl in arabischer als auch lateinischer Schrift wiedergegeben

Auch wenn die Kairoer Metro aus der Eisenbahn entstanden ist, gibt es, wie fast überall bei den U-Bahnen in der Welt, nur eine Wagenklasse. Der erste Waggon eines Zuges ist auf allen Strecken Kairos für Frauen reserviert. Im Gegensatz zu den anderen Verkehrsmitteln im Kairoer Raum unterscheidet sich die Metro vor allem in puncto Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung. Jeder Bahnhof - der sowohl in arabischer als auch englischer Sprache angeschrieben wird - ist personell besetzt, eine U-Bahnstreife sorgt dafür, dass keine Schmierereien oder Sonstiges in den Bahnhöfen verübt werden. Sie kontrollieren und setzen nebenbei auch das überall geltende Fotografierverbot durch. Das Fahrkartensystem ähnelt sehr der Pariser Métro; der Fahrgast kauft eine mit einem Magnetstreifen versehene Karte und muss durch die an jedem Ausgang vorhandene Sperre durchziehen, die Karte gilt für eine Fahrt mit Umsteigeberechtigung. Die Karten können an Fahrkartenschaltern gekauft werden, es gibt keine Automaten. Die Betriebszeiten sind für beide Linien täglich von 5:00 bis 24:00 Uhr.

Trotz der langen Stationsabstände ist die Belastung der zwei U-Bahnlinien relativ hoch, man kann sie mit den lateinamerikanischen U-Bahnsystem in Rio de Janeiro, Santiago de Chile und Mexiko-Stadt vergleichen. Etwa 20 Prozent aller motorisierten Fahrten im Kairoer Ballungsraum fallen auf das U-Bahnsystem. Im Jahr 2004 wurden insgesamt 949 Millionen Fahrgäste befördert.

Weiterer Ausbau

Eingang zur Station Attaba (Linie 2)

Der ursprüngliche Ausbauplan von 1973 sah, wie schon erwähnt, nur drei Linien vor. Die dritte Linie sollte vom östlichen Darassa unter dem Nil und dem Stadtzentrum durch bis ins westliche Imbaba führen. Die vorhandenen Linien sollten an den Stationen Attaba (Linie 2) und Nasser (Linie 1) gekreuzt werden.

Da in den folgenden Jahren aufgrund anderer Prioritäten und Veränderungen im Kairoer Raum sich die Situation veränderte, wurde 1998 die „Greater Cairo Public Transport Study” entwickelt und im Jahr 2000 vorgestellt. Die Baupläne mit dem Horizont 2022 sehen neben den vorhandenen Linien noch vier weitere vor. Auch wenn die Strecke der Linie 3 im wesentlichen unverändert blieb, gab es kleinere Änderungen. Im Westen soll die U-Bahnlinie 3 nun den Kairoer Flughafen anbinden, im Osten zweigt von der Hauptstrecke ein 3,6 km langer Ast nach Mohandessin ab. Die gesamte Strecke der Linie 3 soll 34,2 km lang sein und 29 Stationen haben. Im Gegensatz zu den anderen zwei Strecken soll diese Linie komplett unterirdisch verlaufen. Der Bau der Linie ist in 4 Stufen vorgesehen:

  • Stufe 1: Attaba - Abbassia, 4,3 km und 5 Stationen
  • Stufe 2: Abbasia - Al Ahram, 6,2 km und 4 Stationen
  • Stufe 3: Attaba - Imbaba / Mohandessin, 11,6 km und 12 Stationen
  • Stufe 4: Al Ahram - Cairo International Airport, 12,1 km und 8 Stationen

Geplant ist eine Gesamtbauzeit von zehn bis zwölf Jahren, was durch eine Überlappung der Baustufen erreicht werden kann. Fahrgastprognosen gehen bei der Gesamtvollendung der Strecke von täglich etwa 1,8 Millionen Passagieren aus. Hinsichtlich der Technik soll die Linie 3 der Linie 2 sehr ähneln, da sie auch per Stromschiene betrieben werden soll. Kostenschätzungen gehen für die Baustufen 1 und 2 von etwa 4430 Mio. ägyptischen Pfund aus (etwa 575,9 Millionen Euro). Die europäische und japanische Entwicklungsbank haben Finanzkooperationen zugesagt. Zwei Konsortien unter Führung des Schienenfahrzeugbaukonzerns Alstom liefern für den ersten 4,3 Kilometer langen Abschnitt zwischen Attaba und Abbassia Signaltechnik, Kommunikation und elektromechanische Ausrüstung.[1]

Neben der Linie 3 sind in der Studie noch 3 anderen Linien vorgesehen:

  • Linie 4 Nasr City - Abbassia - Giza - El Haram (etwa 24 km)
  • Linie 5 Nasr City - Heliopolis - Shubra el Keima (etwa 19 km)
  • Linie 6 Maadi - altes Stadtzentrum - Shubra el Kheima (etwa 21 km)

Durch den Bau dieser Linien wird das zwar schon sehr geschrumpfte, aber teilweise noch sehr leistungsfähige Straßenbahnnetz in Heliopolis große Konkurrenz bekommen. Zwar sind Absichtserklärungen für den Wiederaufbau der Straßenbahn abgegeben worden, doch sind sie bei den geplanten Strecken doch sehr in Frage zu stellen.

Quellen

  1. Blickpunkt Straßenbahn, Ausgabe 2/2007, Seite 96

Literatur

  • W. J. Hinkel, K. Treiber, G. Valenta und H. Liebsch: gestern-heute-morgen – U-Bahnen von 1863 bis 2010 Schmid Verlag, Wien 2004, ISBN 3-900-607-443 (Kapitel "Kairo")
  • Dipl.-Ing. Christoph Groneck: Artikel Metro und sonstiger ÖPNV in Kairo: Entwicklung und Perspektiven in der Zeitschrift „stadtverkehr” Ausgabe 2/05, EK-Verlag, Freiburg

Weblinks


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