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Der Generationenvertrag bezeichnet einen fiktiven gesellschaftlichen Konsens, der die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sichern soll. Die jeweils sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen zahlen mit ihren Beiträgen in die Rentenversicherung die Leistungen für die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Generation und erwerben dabei einen Anspruch auf ähnliche Leistungen der nachfolgenden Generationen an sich selbst. Der Generationenvertrag stellt damit eine Variation des Umlageverfahrens dar, bei der die Umlage nicht innerhalb der Gruppe der Anspruchsinhaber erfolgt, sondern deren Anspruch in einer anderen Gruppe, der nachfolgenden Aktivengeneration, umgelegt wird.
Auch andere Instrumente des Sozialstaates, z. B. die gesetzliche Krankenversicherung, beruhen weitgehend auf dem Prinzip eines „Generationenvertrages“, da die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben im Alter deutlich höher und die laufenden Einnahmen geringer sind als in den Erwerbsjahren.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der Begriff des Generationenvertrages entsteht mit dem Umlageverfahren in den Rentenversicherungen und wird später auch bei anderen Umverteilungsmechanismen im Sozialstaat verwendet. Das ursprüngliche System der gesetzlichen Rentenversicherung baute auf eine Ansparung der Rentenbeiträge, die paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf Rentenkonten zu entrichten waren. Dieses System der Kapitaldeckung wurde 1957 in der Rentenreform 1957 unter Konrad Adenauer zu einem Umlageverfahren umgebaut. Das zugrundeliegende Konzept von Wilfrid Schreiber - auch bekannt als [[[Wilfrid_Schreiber#Der_urspr.C3.BCngliche_.22Schreiber-Plan.22|„Schreiber-Plan“]] verwendete bereits den Begriff des Generationenvertrages. Es wurde jedoch nur teilweise umgesetzt. Schreiber hatte vorgesehen, dass die mittlere Generation, neben der Unterstützung der Alten, zugleich mit Arbeitskraft und Geld für ihren eigenen Ersatz sorgt. Dementsprechend waren auch eine Kinderrente und doppelte Beiträge für Kinderlose vorgesehen (heute auch spezifisch als Drei-Generationenvertrag bezeichnet).
In der Schweiz wurde der Begriff ebenfalls im Rahmen der gesetzlichen Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 1947 in die politische Diskussion eingeführt. Auch die AHV basiert auf einem Umlageverfahren. Mit der Einführung weiterer sozialstaatlicher Umverteilungsmechanismen - zum Beispiel im Krankenversicherungsgesetz von 1996 - weitete sich der Gebrauch des Begriffes auch auf diese Bereiche aus und steht heute für einen breit akzeptierten Grundsatz des schweizerischen Sozialstaates.
Finanzierungsprobleme
Die mit Generationenvertrag arbeitenden Sozialsysteme stehen vor zunehmenden Finanzierungsproblemen aufgrund von zukünftigen demographischen Effekten. Während zurzeit wegen der geburtenstarken Jahrgänge und insbesondere bei männlichen Rentnern, kriegsbedingten Lücken der Generationenvertrag eigentlich aus demographischer Sicht noch hervorragend funktionieren müsste, haben Änderungen auf Beitragszahler- und Leistungsempfängerseite dennoch schon zu Problemen geführt. Fehlende Beitragseinnahmen führten dazu, dass der Bundeszuschuss beispielsweise in Deutschland seit 1990 fast jährlich auf heute mehr als 80 Milliarden Euro erhöht werden musste. Als Hauptursache werden häufig die hohe Arbeitslosigkeit und das Sinken der Lohnquote am Volkseinkommen genannt, außerdem die Einbeziehung der ehemaligen DDR mit ihren sehr ausgedehnten Erwerbsbiographien. Der Leistungskatalog und -umfang der gesetzlichen Rentenversicherer wurde insbesondere in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts deutlich bis an die Grenzen der damaligen Belastbarkeit ausgedehnt. Bei den später sich ausweitenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt wurde es dann unterlassen, diese entsprechend wieder zurückzunehmen.
In wenigen Jahren werden sich auch die eigentlichen Probleme des Generationenvertrages infolge der Bevölkerungsentwicklung bemerkbar machen. Seit Anfang der 1970er Jahre (Pillenknick) hat Deutschland eine ausgesprochen niedrige Geburtenrate, die sog. Kohortenfertilität sank beständig und liegt für die Frauenjahrgänge ab Geburtsjahr 1955 stabil um die 1,35. 1000 Erwachsene zeugen damit im Laufe ihres Lebens nur knapp 700 Kinder. Mit Eintreten dieser Jahrgänge in das Erwerbsleben seit Anfang der 1990er Jahren begann sich die Basis der Beitragszahler zu verschmälern, wenn dies auch gesamtwirtschaftlich, u.a. wegen der geringeren Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder und der noch geringen Einkommen der Berufsanfänger, noch wenig Wirkung zeigt. Eine dramatische Veränderung im Verhältnis von Beitragszahlern und -empfängern erwarten Bevölkerungswissenschaftler etwa ab 2015, wenn geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen und aus dem Erwerbsleben ausscheiden und die Jahrgänge, die wegen des Pillenknicks wenig vertreten sind, eigentlich die Hauptlast der Beitragszahlung tragen sollten. Die Spitze der Probleme wird etwa für die Zeit ab 2030 erwartet; bleibt es (wofür alle Anzeichen sprechen) beim bisherigen Geburtenverhalten, so werden diese danach nicht wieder abnehmen, sondern sich auf Jahrzehnte verfestigen.
Wie schwerwiegend die Auswirkungen auf die Sozialsysteme sein werden, hängt - neben den reinen Kohortenstärken - noch von mehreren Faktoren ab, die ihrerseits untereinander und mit der Bevölkerungsentwicklung zusammenhängen, insbesondere mit der Erwerbsquote und der Produktivitätsentwicklung. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Zahl der Geburten, die Erwerbsquote und die Produktivität in wenigen Jahren so dramatisch verbessern, dass die vorausberechenbaren Probleme wesentlich vermindert werden.
Kritik
Der Begriff „Generationenvertrag“ wird von Kritikern als politisches Schlagwort betrachtet, das suggeriere, der Anspruch aus Rentenanwartschaften sei durch eine Übereinkunft der Generationen gerechtfertigt. Die künftig Erwerbstätigen seien aber im Zeitpunkt der Anspruchsbegründung entweder noch nicht geboren oder jedenfalls noch nicht in der Lage, an den politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen, also ihre eigenen Interessen in diesem Ausgleich zwischen den Generationen wahrzunehmen. Dabei habe sich die Generation der dann zu versorgenden Rentenbezieher selbst einen Ausbau ihrer Ansprüche zugestanden, der in keinem Verhältnis zu ihrem eigenen Beitrag für die Generation stehe, die diesen Anspruch dann erfüllen muss. Insbesondere sei auch das Vermögen der Rentenversicherer in einer aus demographischer Sicht relativ gesunden Zeit aus Gründen der politischen Opportunität durch Erhöhung der Leistungen verschwendet worden, statt es zur Vorsorge weiter auszubauen.
Andere Kritiker sehen den Generationenvertrag als bloße Fiktion an, da Schreibers Pläne nicht vollständig umgesetzt wurden. In Wirklichkeit handele es sich um eine „Versicherung gegen Kinderlosigkeit“: wer nicht in Kinder investiere, könne sich den Verzicht auf massive Rücklagen für sein Alter nur leisten, weil die Kinder anderer Leute später gezwungen würden, ihn zu versorgen. Nicht nur die Kinder, sondern vor allem auch deren Eltern, deren Anteil am „Rententopf“ entsprechend niedriger ausfällt, würden dadurch benachteiligt und um die Früchte ihrer Investition (eben in die Kinder) gebracht, während dem Kinderlosen im Gegenzug nicht nur das für Kinderaufzucht ersparte Geld, sondern insbes. auch sein (beide Geschlechter zusammengerechnet) wegen der fehlenden zeitlichen Doppelbelastung höheres Erwerbseinkommen zur alleinigen Verfügung verbleibt. Entweder müssten daher Kinderlose (bei voller Beitragszahlung, die ja ihren eigenen Eltern und Großeltern zugutekommt) von jeglicher Leistung der Rentenversicherung ausgeschlossen werden und privat vorsorgen, oder sie müssten das mangels Kinderaufzucht gesparte Geld verwenden, um Familien bei der Kinderaufzucht zu unterstützen.
Siehe auch
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