Umsturz aller Bündnisse

Umsturz aller Bündnisse

Mit der Umkehrung der Allianzen (frz. renversement des alliances) wird die große Wende in der europäischen Außenpolitik Frankreichs in der Mitte der 1750er Jahre bezeichnet. Frankreich brach mit alten Bündnispartnern und wandte sich dagegen dem jahrhundertelangen Erzfeind Österreich zu.

Der Begriff wird auch für spätere, ähnliche Ereignisse in der Politik verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Die Allianz zwischen Frankreich und Österreich

Verschiedene Faktoren führten dazu, dass Ludwig XV. seine europäische Politik überdachte, die in der Beibehaltung der Ordnung des Westfälischen Friedens eine Bündnispolitik mit der Türkei, Polen, Schweden und Preußen vorsah. Diese Allianz war gerichtet gegen Österreich, England und das aufsteigende Russland. Neben persönlichen Querelen zwischen dem König in Preußen und dem französischen König störte vor allem eine neue Bündnispolitik Preußens, das mit der Konvention von Westminster 1756 eine Allianz mit England einging, das Verhältnis zwischen den beiden Staaten. Frankreich stand mit England seit 1754 bereits im Krieg auf dem amerikanischem Kontinent und in Indien. Die Briten wollten durch den French and Indian War ihre Vorherrschaft auf den beiden Kontinenten festigen (siehe zum französisch-englischen Krieg 1754-1763 u. a. William R. Nester. The First Global War. Britain, France, and the fate of North America. 1756–1775, Westport: Praeger 2000). Frankreich musste die Ankündigung einer Allianz ihres Verbündeten Preußen mit dem Feind als einen Bruch des beim Aachener Frieden geschlossenen Bündnisses begreifen.

Im Gegenzug hatte Österreich den Engländern die Gefolgschaft verweigert, als diese verlangten, dass es seine Truppen in den Niederlanden verstärke und damit eine neue Kriegsbedrohung gegen die Franzosen auslöse. Vor allem auf Grund der vom Staatskanzler von Kaunitz favorisierten Annäherung an Frankreich, die er seit längerem erfolglos versucht hatte anzubahnen, wurden das Bündnis mit England im August 1755 nominell aufgelöst. Nach längeren geheimen Verhandlungen wurde schließlich im März 1756 zuerst ein Defensivvertrag zwischen Österreich und Frankreich für den Fall eines Österreichisch-preußischen Krieges geschlossen. Im Mai desselben Jahres folgte dann der Versailler Vertrag zwischen den beiden Staaten, der eine gegenseitige Truppenhilfe für die sich anbahnenden kriegerischen Konflikte außer den französisch-englischen vorsah. Erweitert wurde dieses Bündnis im Mai 1757 durch einen Offensivvertrag. Da die Österreicher den Verlust Schlesiens durch die Annexion Preußens nicht hinnehmen wollten, der König in Preußen aber einen Gegenangriff vorwegnehmen wollte, fielen die Preußen in einem Präventivschlag in Sachsen ein und lösten den Dritten Schlesischen Krieg aus. Frankreich befand sich durch seine Allianz mit Österreich eingebunden in den Siebenjährigen Krieg und musste ihm militärisch zur Hilfe kommen. Schließlich folgte noch ein dritter Vertrag von Versailles (1758).

Folgen

Preußen war am Ende des Krieges endgültig zu einer neuen europäischen Großmacht aufgestiegen. Für Frankreich, das im deutschen Konflikt wenig zu gewinnen hatte, war der Siebenjährige Krieg dagegen ein politisches, territoriales und finanzielles Desaster, von dem es sich lange nicht erholen sollte. Im Frieden von Paris 1763 verlor es u.a. sein Kolonialreich in Nordamerika, Indien und Afrika.

Trotz der für Frankreich ungünstigen Ausgangslage blieb das neue Bündnis auch nach Ende des Krieges bestehen. Zur Besiegelung der habsburgisch-französischen Allianz wurde die Vermählung des französischen Thronfolgers Ludwig XVI. mit der österreichischen Prinzessin Marie Antoinette arrangiert. Im Zuge der Französischen Revolution, die unter anderem auch auf die Folgen des Siebenjährigen Krieges zurückzuführen war, wurde das Bündnis aufgekündigt und Frankreich erklärte Österreich 1792 den Krieg. In den darauf beginnenden Koalitionskriegen verbündete sich Österreich mit Preußen.

Siehe auch

Ähnliche Ereignisse

Der anscheinend plötzliche Wechsel der Bündnispartner unter Einbeziehung des bisherigen Gegners ist in der Geschichte immer wieder anzutreffen: So sah die preußische bzw. deutsche Außenpolitik am Ende des 19. Jahrhunderts ein Ziel darin, den polnischen Nationalismus zu bekämpfen und den Einfluss Österreichs auf die deutsche Politik einzudämmen. Zu diesem Zweck suchte man die Nähe zu Russland. Unter Wilhelm II. wurde Russland zum Gegner und Österreich zum Verbündeten. Nach dem ersten Weltkrieg strebte Deutschland nach Revision des Versailler Vertrages und insbesondere nach Rückgewinnung der an Polen verlorenen Gebiete. Um Druck auf Polen auszuüben, wurde der vormalige Kriegsgegner Russland bzw. europäische „Paria“ Sowjetunion zum Partner auserkoren (Vertrag von Rapallo, militärische Zusammenarbeit). Ab 1933 wurde die Sowjetunion zum ideologischen Gegner und Polen als mögliche Ausgangsbasis für einen Angriff zum Partner. Als im Sommer 1939 erkennbar wurde, dass Polen dieser Rolle nicht nachkommen wollte, wechselte Deutschland den Partner: Im Hitler-Stalin-Pakt verbündete sich Deutschland mit Russland, beide vereinbarten u.a. eine Aufteilung Polens.

Literatur

  • Lothar Schilling Kaunitz und das Renversement des alliances. Duncker & Humblot, 1994.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Außenpolitik Österreichs — Österreichisches Außenministerium am Wiener Minoritenplatz Österreich sieht sich historisch, auch im Zusammenhang mit seiner „immerwährenden Neutralität“ gerne an der Schnittstelle zweier einander bedrohlich gegenüberstehenden Militärallianzen… …   Deutsch Wikipedia

  • Aufklärung — Daniel Chodowiecki 1791: Im Moment der Aufklärung, zu dem die Göttin der Erkenntnis, Minerva, das Licht spendet, finden die Religionen der Welt zusammen. Aufklärung steht im alltäglichen Sprachgebrauch für das Bestreben, durch den Erwerb neuen… …   Deutsch Wikipedia

  • Allgemeiner Friede — Die griechische Göttin Eirene, Personifikation des Friedens, hält Plutos, den Gott des Reichtums im Arm. (Nach eine Statue des Kephisodot; Athen, um 370 v.Chr.) Die Idee des Allgemeinen Friedens (griechisch: κοινή εἰρήνη / koiné eiréne) war neben …   Deutsch Wikipedia

  • Allgemeiner Frieden — Die griechische Göttin Eirene, Personifikation des Friedens, hält Plutos, den Gott des Reichtums im Arm. (Nach eine Statue des Kephisodot; Athen, um 370 v.Chr.) Die Idee des Allgemeinen Friedens (griechisc …   Deutsch Wikipedia

  • Koine Eirene — Die griechische Göttin Eirene, Personifikation des Friedens, hält Plutos, den Gott des Reichtums im Arm. (Nach eine Statue des Kephisodot; Athen, um 370 v.Chr.) Die Idee des Allgemeinen Friedens (griechisc …   Deutsch Wikipedia

  • Koinè eirene — Die griechische Göttin Eirene, Personifikation des Friedens, hält Plutos, den Gott des Reichtums im Arm. (Nach eine Statue des Kephisodot; Athen, um 370 v.Chr.) Die Idee des Allgemeinen Friedens (griechisc …   Deutsch Wikipedia

  • Koiné eiréne — Die griechische Göttin Eirene, Personifikation des Friedens, hält Plutos, den Gott des Reichtums im Arm. (Nach eine Statue des Kephisodot; Athen, um 370 v.Chr.) Die Idee des Allgemeinen Friedens (griechisc …   Deutsch Wikipedia

  • Manifest der Kommunistischen Partei — Titelblatt der ursprünglichen Veröffentlichung des Manifests der Kommunistischen Partei Das Manifest der Kommunistischen Partei, auch Das Kommunistische Manifest genannt, wurde von Karl Marx und Friedrich Engels[1] um die Jahreswende 1847/48 im… …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich von Brühl — Graf Heinrich von Brühl Graf Heinrich von Brühl (* 13. August 1700 in Gangloffsömmern; † 28. Oktober 1763 in Dresden) war ein sächsischer Kabinetts und ab 1746 Premierminister. Daneben hatte er n …   Deutsch Wikipedia

  • Frankreich [3] — Frankreich (Gesch.). I. Vom Anfang der geschichtlichen Zeit bis zum Ende der römischen Herrschaft, 486 v. Chr. Die ersten Bewohner des heutigen F s waren Celten (s.d.), von den Römern Gallier genannt; nur einzelne Theile des Landes wurden zu der… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”