Unmittelbare Anwendung

Unmittelbare Anwendung

Die unmittelbare Anwendbarkeit (uA) (engl. direct applicability) ist eine Norm des Europarechts, welche es Einzelpersonen ermöglicht, deren unmittelbar betroffene Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einzuklagen. (vgl. Artikel 249 EG-Vertrag)

Üblicherweise ist es ausschließlich Staaten, staatlichen Behörden oder EU-Behörden gestattet Klagen vor dem EuGH einzubringen. Der Europäische Gerichtshof entschied allerdings im Falle Van Gend & Loos“ (1963) entgegen geltendem Völkerrecht, dass auch Einzelpersonen als Rechtssubjekte der EU anzusehen sind, die ihre Rechte und Pflichten im Bezug zum Europarecht direkt einklagen können, und sich nicht zunächst an einzelstaatliche Organe richten müssen. Durch Abgabe gewisser Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten an die Gemeinschaft, haben gewisse eindeutige Vertragsverpflichtungen auch direkte Auswirkungen auf die Mitgliedsstaaten, deren Organe, sowie die Bürger der EU.

Voraussetzungen

Die Voraussetzung zur unmittelbaren Anwendbarkeit ist die Begründung einer echten Rechtspflicht, d.h. nicht ausschließlich einer Bemühenspflicht:

  • die Norm muss klar und präzise sein
  • ihre Wirksamkeit darf nicht von weiteren Bedingungen abhängen
  • es darf kein weiterer Vollzugsakt für deren Wirksamkeit erforderlich sein
  • es darf keinen weiteren Ermessensspielraum für deren Anwendung geben

Beispiele für die Norm der unmittelbaren Anwendbarkeit im Rahmen des Primärrechts wären etwa die Grundfreiheiten, das Kartellverbot oder die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Erwerbsleben, sowie Abkommen der EG mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen. Bezüglich des Sekundärrechts sind Verordnungen, Entscheidungen und unter bestimmten Voraussetzungen auch Richtlinien unmittelbar anwendbar.

Richtlinien

Der effet utile Vorsatz des Europäischen Gerichtshofes, sowie der bona fide Grundsatz, sieht vor, dass EU-Recht möglichst bürgernah und rasch umgesetzt werden soll (Rechtsschutz innerhalb der EU). Im Gegenzug soll auch ermöglicht werden, Rechtsverletzungen möglichst rasch einklagen zu können. Daher sind auch Richtlinien, die Mitgliedsstaaten zu einer raschen Umsetzung verpflichten, unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbar anwendbar, d.h. direkt einklagbar.

Voraussetzungen (unabhängig voneinander):

  • bei Säumnis eines Staates
  • bei Ablauf der Umsetzungsfrist
  • bei vertikalen Rechtsstreitigkeiten
  • Einforderung von richtlinienkonformem Verhalten von Einzelpersonen
  • eine inhaltliche Eignung (Vollzugseignung) der Richtlinie erforderlich

Unterscheidung

Im Zusammenhang mit der unmittelbaren Anwendbarkeit im EU-Recht sind des weiteren zu unterscheiden:

  • Unmittelbare Geltung: Ein Rechtsakt, welcher ohne Umsetzungsakt Bestandteil der nationalen Rechtsordnung ist (z.B. Verordnungen)
  • Unmittelbare (Direkt-) Wirkung: Eine konkrete Anwendbarkeit von Normen durch Organe der Mitgliedsstaaten
Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Unmittelbare Diskriminierung — Der Begriff Diskriminierung bezeichnet sowohl in den Sozial und Rechtswissenschaften als auch umgangssprachlich die soziale Diskriminierung, die gruppenspezifische Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder Individuen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Unmittelbare Anwendbarkeit — Die unmittelbare Anwendbarkeit (uA) (engl. direct applicability) ist eine Norm des Europarechts, die es Einzelpersonen ermöglicht, deren unmittelbar betroffene Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einzuklagen (vgl.… …   Deutsch Wikipedia

  • Unmittelbare Versorgungszusage — Erteilt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, so handelt es sich um eine Direktzusage oder unmittelbare Versorgungszusage (Pensionszusage), wenn kein anderer Durchführungsweg gewählt… …   Deutsch Wikipedia

  • unmittelbare Wirkung — Eigenschaft einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsnorm, ohne weitere gesetzgeberische Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesen Rechtskraft zu besitzen und entsprechende nationale Vorschriften unanwendbar zu machen. Die u.W. eines Rechtsakts ist… …   Lexikon der Economics

  • Str8ts — Offizielles Logo Str8ts ist ein Logikrätsel, das an Sudoku erinnert. Auch bei Str8ts wird ein 9 x 9 Gitter so mit den Ziffern 1 bis 9 gefüllt, dass jede Ziffer in jeder Spalte und in jeder Zeile nur einmal vorkommt. Anders als bei… …   Deutsch Wikipedia

  • Cutting Stock Problem — Das eindimensionale Zuschnittproblem (engl. one dimensional cutting stock problem) ist ein schweres ganzzahliges lineares Optimierungsproblem mit dem Ziel, eindimensionale Teile in vorgegebenen Bedarfszahlen aus möglichst wenig Stücken Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Eindimensionales Zuschnittproblem — Das eindimensionale Zuschnittproblem (engl. one dimensional cutting stock problem) ist ein schweres ganzzahliges lineares Optimierungsproblem mit dem Ziel, eindimensionale Teile in vorgegebenen Bedarfszahlen aus möglichst wenig Stücken Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Zuschnittproblem — Das eindimensionale Zuschnittproblem (engl. one dimensional cutting stock problem) ist ein schweres ganzzahliges lineares Optimierungsproblem mit dem Ziel, eindimensionale Teile in vorgegebenen Bedarfszahlen aus möglichst wenig Stücken Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Zuschnittsproblem — Das eindimensionale Zuschnittproblem (engl. one dimensional cutting stock problem) ist ein schweres ganzzahliges lineares Optimierungsproblem mit dem Ziel, eindimensionale Teile in vorgegebenen Bedarfszahlen aus möglichst wenig Stücken Material… …   Deutsch Wikipedia

  • Medizinprodukt — bezeichnet einen Gegenstand oder einen Stoff, der zu medizinisch therapeutischen oder diagnostischen Zwecken für Menschen verwendet wird, wobei die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im Unterschied zu Arzneimitteln primär nicht pharmakologisch,… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”