Unmittelbare Anwendbarkeit

Unmittelbare Anwendbarkeit

Die unmittelbare Anwendbarkeit (uA) (engl. direct applicability) ist eine Norm des Europarechts, die es Einzelpersonen ermöglicht, deren unmittelbar betroffene Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einzuklagen (vgl. Art. 288 AEUV).

Üblicherweise ist es ausschließlich Staaten, staatlichen Behörden oder EU-Behörden gestattet, Klagen vor dem EuGH einzubringen. Der Europäische Gerichtshof entschied allerdings im Falle „Van Gend & Loos“ (1963) entgegen geltendem Völkerrecht, dass auch Einzelpersonen als Rechtssubjekte der EU anzusehen sind, die ihre Rechte und Pflichten im Bezug zum Europarecht direkt einklagen können und sich nicht zunächst an einzelstaatliche Organe richten müssen. Durch Abgabe gewisser Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft haben gewisse eindeutige Vertragsverpflichtungen auch direkte Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten, deren Organe, sowie die Bürger der EU.

Voraussetzungen

Die Voraussetzung zur unmittelbaren Anwendbarkeit ist die Begründung einer echten Rechtspflicht, das heißt nicht ausschließlich einer Bemühenspflicht:

  • die Norm muss klar und präzise sein
  • ihre Wirksamkeit darf nicht von weiteren Bedingungen abhängen
  • es darf kein weiterer Vollzugsakt für deren Wirksamkeit erforderlich sein
  • es darf keinen weiteren Ermessensspielraum für deren Anwendung geben

Beispiele für die Norm der unmittelbaren Anwendbarkeit im Rahmen des Primärrechts wären etwa die Grundfreiheiten, das Kartellverbot oder die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Erwerbsleben, sowie Abkommen der EU mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen. Bezüglich des Sekundärrechts sind Verordnungen, Beschlüsse und unter bestimmten Voraussetzungen auch Richtlinien unmittelbar anwendbar.

Richtlinien

Der effet utile Vorsatz des Europäischen Gerichtshofes, sowie der bona fide Grundsatz, sieht vor, dass EU-Recht möglichst bürgernah und rasch umgesetzt werden soll (Rechtsschutz innerhalb der EU). Im Gegenzug soll auch ermöglicht werden, Rechtsverletzungen möglichst rasch einklagen zu können. Daher sind auch Richtlinien, die Mitgliedstaaten zu einer raschen Umsetzung verpflichten, unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbar anwendbar, das heißt direkt einklagbar.

Voraussetzungen (unabhängig voneinander):

  • bei Säumnis eines Staates
  • bei Ablauf der Umsetzungsfrist
  • bei vertikalen Rechtsstreitigkeiten
  • Einforderung von richtlinienkonformem Verhalten von Einzelpersonen
  • eine inhaltliche Eignung (Vollzugseignung) der Richtlinie erforderlich

Unterscheidung

Im Zusammenhang mit der unmittelbaren Anwendbarkeit im EU-Recht sind des Weiteren zu unterscheiden:

  • Unmittelbare Geltung: Ein Rechtsakt, welcher ohne Umsetzungsakt Bestandteil der nationalen Rechtsordnung ist (z. B. Verordnungen)
  • Unmittelbare (Direkt-) Wirkung: Eine konkrete Anwendbarkeit von Normen durch Organe der Mitgliedstaaten
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