Unterbringung in der Sicherungsverwahrung

Unterbringung in der Sicherungsverwahrung

Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (fälschlich auch Sicherheitsverwahrung genannt) ist im deutschen Strafrecht eine Maßregel der Besserung und Sicherung und soll dazu dienen, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen. Es handelt sich um eine freiheitsentziehende Maßregel, d. h. ein Straftäter, gegen den Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, verbleibt auch in staatlicher Verwahrung, nachdem er die daneben ausgeurteilte Freiheitsstrafe verbüßt hat, sofern seine Gefährlichkeit nach Auffassung des Gerichts und entsprechender Gutachter noch fortbesteht bzw. (in Umkehrung früher geltender Logiken vor Gericht) die Nichtgefährlichkeit nicht zweifelsfrei geklärt ist.

Inhaltsverzeichnis

Voraussetzungen

Die Sicherungsverwahrung kann vom Gericht

  1. bereits im Urteil angeordnet werden (§ 66 StGB),
  2. im Strafurteil vorbehalten werden (§ 66a StGB),
  3. nachträglich angeordnet werden (§ 66b StGB).

Sie wird neben einer Freiheitsstrafe angeordnet. Wird die Freiheitsstrafe zuerst verbüßt, prüft das Gericht vor Vollzugsende, ob die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dann tritt Führungsaufsicht ein.

Gegenüber Jugendlichen im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) (14 Jahre oder älter, aber noch nicht 18 Jahre alt zum Zeitpunkt der Straftat) war die Anordnung einer Sicherungsverwahrung bislang nicht möglich, gegen Heranwachsende (18 Jahre oder älter, aber noch nicht 21 Jahre zum Zeitpunkt der Straftat) kann nach § 106 Abs. 3 Satz 2 JGG die Anordnung von Sicherungsverwahrung vorbehalten werden. Durch eine Gesetzesänderung (in Kraft seit dem 12. Juli 2008) kann diese Form der Sicherungsverwahrung nunmehr auch bei Jugendlichen zur Anwendung kommen. Bei Schuldunfähigen kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht.

Anordnung im Urteil

Ein Gericht kann gemäß § 66 StGB direkt im Urteil anordnen, den Verurteilten in der Sicherungsverwahrung unterzubringen. Dafür muss eine negative Gefährlichkeitsprognose vorliegen. Sie liegt vor, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung des Täters (Persönlichkeit, Herkunft, Erziehung, Lebenslauf, Familienverhältnisse, Intelligenz etc.) und seiner Taten geschlussfolgert wird, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Darunter versteht man Taten, die entweder die Opfer seelisch bzw. körperlich schwer schädigen oder einen schweren wirtschaftlichen Schaden anrichten. Die Basis für diese Annahme liefert das Gutachten eines Sachverständigen. Es müssen jedoch noch andere Bedingungen erfüllt werden:

  1. Der Täter erhält im aktuellen Verfahren eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren aufgrund einer vorsätzlichen Straftat.
  2. Vor dieser Tat wurde der Täter bereits zweimal für vorsätzliche Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von jeweils mindestens einem Jahr verurteilt. Die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe gilt als einzelne Verurteilung.
  3. Wegen einer oder mehrerer dieser Taten hat er bereits zwei Jahre Freiheitsentzug verbüßt oder sich für diese Dauer im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel befunden. Wenn Untersuchungshaft oder andere Freiheitsentziehungen auf die Freiheitsstrafe angerechnet wurden, so gelten sie im Sinne dieser Bedingung ebenfalls.

Wird der Täter im aktuellen Verfahren aufgrund eines Verbrechens oder einer Straftat nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182 (verschiedene Formen des Sexuellen Missbrauchs), 224 (Gefährliche Körperverletzung), 225 (Misshandlung von Schutzbefohlenen) oder 323a (Vollrausch - nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt (erste Bedingung), reicht es, wenn er wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde (zweite Bedingung). Die dritte Bedingung gilt wie oben angegeben.

Eine vergangene Tat wird nur erfasst, wenn nicht mehr als fünf Jahre zwischen ihr und der folgenden Tat verstrichen sind. Nicht eingerechnet wird dabei die Zeit, in welcher der Täter aufgrund einer behördlichen Anordnung in einer Anstalt verwahrt wurde. Falls die Straftat außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Strafgesetzbuches abgeurteilt wurde, kann sie nur einbezogen werden, wenn sie nach deutschem Strafrecht im ersten Fall eine vorsätzliche Tat, im zweiten Fall ein Verbrechen oder eine andere der dort genannten Straftaten wäre.

Wiegt die aktuelle Verurteilung schwer genug, hat es keine Bedeutung, ob der Täter bereits früher verurteilt wurde oder eine Haftstrafe absaß. Hier gelten folgende Kriterien:

  1. Der Täter hat drei vorsätzliche Straftaten begangen und verwirkt dafür jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, oder er hat zwei Verbrechen oder Straftaten nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225, 323a (nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) StGB begangen und verwirkt dafür jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren.
  2. Er wird wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt.

Anordnungsvorbehalt im Urteil

Wenn ein Täter wegen eines Verbrechens oder einer Straftat nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225, 323a (nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) verurteilt wird und auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, eine negative Gefährlichkeitsprognose jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit gegeben werden kann, darf sich das Gericht eine Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten.

Dasselbe Gericht entscheidet spätestens sechs Monate bevor die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ob eine Sicherungsverwahrung angeordnet wird. Zu diesem Zweck wird eine erneute Beweisaufnahme durchgeführt, die klären soll, ob die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zutreffen. Erneut stellt sich die Frage nach einer negativen Gefährlichkeitsprognose. Um eine Aussage darüber zu treffen, wird neben dem Täter und seiner Tat auch die Entwicklung während des Strafvollzugs in die Gesamtwürdigung einbezogen. Sie muss ergeben, dass vom Verurteilten zukünftig erhebliche Straftaten, welche die Opfer seelisch bzw. körperlich schwer schädigen, zu erwarten sind. Das Gutachten eines bisher unbeteiligten Sachverständigen wird dazu eingeholt.

Die Entscheidung, ob der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wird, verschiebt sich bis zur Entscheidung über die Sicherungsverwahrung, es sei denn, die Voraussetzungen für eine negative Gefährlichkeitsprognose liegen offensichtlich nicht vor.

Nachträgliche Anordnung

Grundvoraussetzung für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist eine Verurteilung wegen eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225, 323a (nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) oder nach den §§ 250 (Schwerer Raub) oder 251 (Raub mit Todesfolge), auch in Verbindung mit den §§ 252 (Räuberischer Diebstahl) oder 255 (Räuberische Erpressung). Werden bei einem aufgrund dieser Taten Verurteilten vor Vollzugsende Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit hinweisen, so kann eine nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn neue Tatsachen vorliegen, die dies rechtfertigen. Tatsachen in diesem Sinne sind neu, wenn sie dem Tatgericht zum Zeitpunkt der Urteilsfindung noch nicht bekannt gewesen sind. Insbesondere das Verhalten des Verurteilten im Vollzug hat hierbei Beachtung zu finden. Eine (nur) weiterbestehende Gefährlichkeit des Täters reicht demnach nicht aus.

Wiederum kommt es auf die Gesamtwürdigung des Täters, seiner Tat und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs an, die ergeben muss, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer schädigen. Zudem müssen die normalen Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorhanden sein.

Wurde der Täter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt, weil er eines oder mehrere Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, begangen hat, so kann das Gericht die Sicherungsverwahrung nur aufgrund einer negativen Gefährlichkeitsprognose anordnen. Weitere Voraussetzungen müssen in diesem Fall nicht vorliegen.

Die dritte Möglichkeit, einen Straftäter nachträglich in die Sicherungsverwahrung zu überführen, ist im Anschluss an eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Wenn der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, kann die Unterbringung in einer Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn eine negative Gefährlichkeitsprognose vorliegt und der Täter schon wegen eines oder mehrerer Verbrechen oder Taten nach den §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 4, 180, 182, 224, 225, 323a (nur, wenn im Rausch ein Verbrechen oder eine der vorgenannten Taten begangen wurde) zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wurde oder die gerade beendete Unterbringung wegen mehrerer dieser Taten angeordnet wurde.

Eine nachträgliche - nicht jedoch eine mit der Verurteilung verbundene - Anordnung der Sicherungsverwahrung ist seit dem 12. Juli 2008 auch bei nach Jugendstrafrecht verurteilten Straftätern möglich (§ 7 Absätze 2 bis 4 JGG). [1]

Vollzug

Der Vollzug der Sicherungsverwahrung ist im Dritten Abschnitt des StVollzG geregelt, soweit dieses in den jeweiligen Ländern gem. § 125a I GG fortgilt. Einige Bundesländer haben jedoch von ihrer Gesetzgebungskompetenz bereits Gebrauch gemacht und eigene Strafvollzugsgesetze erlassen (Bayern mit dem BayStVollzG, das HmbStVollzG für Hamburg, Niedersachsen mit dem NJStVollzG), die mithin an die Stelle des alten StVollzG treten. Dort hat auch der Vollzug der Sicherungsverwahrung eine Regelung erfahren (Art. 159 ff. BayStVollzG, §§ 94 ff. HmbStVollzG, §§ 107 ff. NJStVollzG).

In dem im sonstigen Bundesgebiet fortgeltenden StVollzG regeln die §§ 129 - 135 StVollzG den besonderen Umgang der Vollstreckungsbehörden mit dem Verwahrten. Der Vollzug erfolgt getrennt vom Vollzug einer normalen Freiheitsstrafe (§ 140 Abs. 1 StVollzG). Um dies zu ermöglichen, können entweder eigenständige Anstalten oder abgetrennte Abteilungen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt eingerichtet werden.

Ziel der Unterbringung ist einerseits die sichere Verwahrung zum Schutz der Allgemeinheit (§ 129 S. 1 StVollzG), andererseits die Unterstützung des Verwahrten, damit er sich in das Leben in Freiheit eingliedern kann (§ 129 S. 2 StVollzG). Um den Schäden des langfristigen Freiheitsentzuges entgegenzuwirken, werden einem Sicherungsverwahrten bestimmte Vollzugslockerungen zugebilligt. Er darf eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen (§§ 131, 132 StVollzG), bei der Ausgestaltung der Hafträume und Durchführung von Betreuungsmaßnahmen soll auf seine persönlichen Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Um die Entlassung vorzubereiten, darf dem Verwahrten sogar ein Sonderurlaub bis zu einem Monat gewährt werden (§ 134 StVollzG). Im Übrigen verbleibt es jedoch bei den allgemeinen Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§ 130 StVollzG).

Dauer

Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich unbefristet, was nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004[2] auch im Einklang mit der Verfassung steht.

Mindestens alle zwei Jahre, beginnend mit dem ersten Tag der Unterbringung, muss geprüft werden, ob weiterhin die Gefahr besteht, dass der Täter außerhalb des Vollzugs rechtswidrige Taten begehen wird. Wird dies verneint, dann wird die weitere Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und es tritt Führungsaufsicht (maximal fünf Jahre) ein. Erfolgt während des Zeitraums der Führungsaufsicht kein Widerruf der Entscheidung, gilt die Unterbringung endgültig als erledigt. Lehnt das Gericht die Aussetzung ab, läuft die Frist erneut an.

Nach zehn Jahren kann die Unterbringung beendet werden, sofern nicht die Gefahr besteht, dass vom Untergebrachten infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begangen werden, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Dann tritt für mindestens zwei Jahre Führungsaufsicht ein. Dies ist als gesetzlicher Regelfall gedacht; ob dies auch in der Praxis so gehandhabt wird, ist, mangels statistischer Daten über die Unterbringungsdauer unbekannt.

Der Verwahrte kann auch vom Gericht in ein psychiatrisches Krankenhaus oder in eine Entziehungsanstalt überwiesen werden, wenn dies seine Resozialisierung besser fördert. Eine Rückkehr in die Sicherungsverwahrung kann angeordnet werden, wenn die Überweisung keinen Erfolg erzielt hat bzw. die Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung doch besser gefördert wird.

Geschichte

Historische Ansätze

Die heutige Sicherungsverwahrung wurde als Bestandteil der Maßregeln der Besserung und Sicherung durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher vom 24. November 1933 (RGBl. I 995) eingeführt.

Andere Modelle der Sicherungsverwahrung gab es jedoch schon deutlich früher: So sprach sich z.B. Ernst Ferdinant Klein, Initiator des Preußischen Landesrechts, bereits 1794 dafür aus, dass „Diebe und andere Verbrecher, welche ihrer verdorbenen Neigungen wegen dem gemeinen Wesen gefährlich werden könnten,… auch nach ausgestandener Strafe, des Verhafts nicht eher entlassen werden, als bis sie ausgewiesen haben, wie sie sich auf eine ehrliche Art zu ernähren im Stande sind“ (Kinzig, Jörg 1996: S. 8). Das verabschiedete Gesetz konnte sich jedoch nicht durchsetzen; die Kriminalitätsrate stieg entgegen der Annahme, durch eine ungewiss lange Haftzeit Wiederholungstäter abzuschrecken. So ist die historische Relevanz eher in der Formulierung zu sehen, welche dem heutigen Wortlaut erstmals sehr ähnelt.

Entwurf nach Carl Stooss

Ein weitaus einflussreicherer Entwurf war der Vorentwurf eines Schweizer Strafgesetzbuch im Jahre 1893, entworfen von Carl Stooss. Besonders signifikant für diesen Entwurf sind folgende Artikel:

Art. 23: Die Verwahrung von rückfälligen Verbrechern wird auf 10 bis 20 Jahre verfügt (Art. 40). Die Verwahrung findet in einem Gebäude statt, das ausschließlich diesem Zwecke dient…

Art. 40: Begeht ein Verbrecher, der wiederholt Zuchthausstrafe erstanden hat, innerhalb von 5 Jahren nach Vollzug der letzten Zuchthausstrafe ein neues Verbrechen, und ist das Gericht überzeugt, dass ihn die gesetzliche Strafe nicht von weiteren Verbrechen abzuhalten vermag, so überweist es den rechtskräftig Verurteilten der Bundesbehörde, welche über die Verwahrung von rückfälligen Verbrechern entscheidet. Diese Behörde zieht über das Vorleben des Verbrechers, über seine Erziehung, seine Familienverhältnisse, seinen Erwerb, seine körperliche und geistige Gesundheit, sowie über die Verbrechen, die er begangen, und die Strafen, die er erstanden hat, Erkundigungen ein. Erachtet es die Behörde als unzweifelhaft, dass der Verbrecher nach Vollzug der Strafe wieder rückfällig werden würde, und erscheint es geboten, ihn für längere Zeit unschädlich zu machen, so ordnet sie statt der Strafe seine Verwahrung für die Zeit von 10 bis 20 Jahren an. Andernfalls bleibt das Urteil in Kraft. Nach Ablauf von 5 Jahren kann die Behörde die vorläufige Freilassung des Sträflings verfügen, wenn er zum ersten Mal verwahrt wird und anzunehmen ist, dass er nicht mehr rückfällig werden wird. (Stooss, Carl 1893: S.49)

Die vielen Parallelen zum heutigen §66 des Strafgesetzbuches lassen zumindest spekulativ eine Verbindung beider Gesetze zu:

So wird in beiden Gesetzen die „Verwahrung“ als eigenständige Institution beschrieben, ihr „Klientel“ sind Wiederholungstäter, die einen vorab festgelegten Zeitraum in Verwahrung bleiben sollen, der jedoch je nach Beurteilung des Häftlings verlängert oder verkürzt werden kann. In beiden Fällen werden sie einer „Gesamtwürdigung“ unterzogen, einem Einschätzen des Risikos, welches der Gefangene für die Gesellschaft darstellt. In den folgenden Jahren wurden ähnliche Vorschläge in Deutschland sowohl im Kaiserreich, sowie auch in der Weimarer Republik erarbeitet. Allen gemein ist jedoch, dass es nur bei Gesetzesentwürfen blieb.

Nationalsozialistische Gesetzgebung

Wie oben bereits erwähnt setzten erst die Nationalsozialisten mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 (RGBl. I 995) einen Vorschlag zur Sicherungsverwahrung in die Tat um. Dabei ist zweifelhaft, ob dieses eigenständig ausgearbeitet oder lediglich adaptiert wurde. Auch hier wird die Verwahrung erst bei Mehrfachtätern verhängt:

§ 20a: Hat jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so ist, soweit die neue Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren und, wenn die neue Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. Die Strafschärfung setzt voraus, daß die beiden früheren Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder von ihnen auf Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist.

Hat jemand mindestens drei vorsätzliche Taten begangen und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht bei jeder abzuurteilenden Einzeltat die Strafe ebenso verschärfen, auch wenn die übrigen im Absatz l genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

§ 42e: Wird jemand nach § 20a als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.[3]

Es blieb jedoch nicht bei diesem Rahmen der Bestrafung und so gab eine Gesetzesänderung 1941 Wiederholungstäter zur Todesstrafe frei:

Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20a des Strafgesetzbuchs) und der Sittlichkeitsverbrecher (§§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuchs) verfallen der Todesstrafe, wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordert.[4]

Entwicklung bis heute

Dieses Gesetz fand 1949 mit der Abschaffung der Todesstrafe in der BRD sein Ende, § 20a und § 42e blieben jedoch weiterhin Teil des Strafgesetzbuches, während es in der DDR als „faschistisch“ abgelehnt wurde (was jedoch nicht heißt, dass es keine vergleichbaren Institutionen in der DDR gab). 1970 wurde in der BRD das Gesetz grundlegend überarbeitet: Sicherungsverwahrung galt als letzte Instanz des Strafvollzugs, folglich sollte sehr genau ermittelt werden, wer verwahrt werden muss und wer es nicht (mehr) braucht. Dazu wurden Täter wie schon erwähnt einer „Gesamtwürdigung“ unterzogen, in der nicht nur die Anzahl der Verurteilungen, sondern auch die Länge des Freiheitsentzugs, sowie andere - auch persönliche - Faktoren zur Geltung kamen. 1975 nannte man § 42e ohne inhaltliche Veränderungen in §66 um, wie er heute noch im StGB steht.

Im Jahr 1998 wurde das bisherige Höchstmaß von zehn Jahren bei erstmaliger Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 67d I StGB a.F.) gestrichen. In der Folgezeit wurden die Anforderungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen schrittweise herabgesenkt.[5] Die öffentliche Stimmung wurde hierbei maßgeblich angeheizt durch ein Interview mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Bild am Sonntag im Jahr 2001, in welchem Schröder ein „Wegschließen - und zwar für immer!“ für Sexualstraftäter forderte.[6] Das Schlagwort vom „Wegschließen - und zwar für immer“ wird seitdem immer wieder in ablehnender wie zustimmender Weise zitiert, wenn die Frage der Sicherungsverwahrung diskutiert wird.[7]

Bis zum Jahre 2002 konnte die Sicherungsverwahrung nur im Strafurteil selbst angeordnet werden. Die Möglichkeit des Gerichts, die Sicherungsverwahrung im Strafurteil vorzubehalten, wurde in diesem Jahr eingeführt. Ziel dieser Änderung war es vor allem, den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Sexualstraftätern zu verbessern. Die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg hatten gefordert, die Sicherungsverwahrung auch ohne Vorbehalt nachträglich anordnen zu können. Dies sah der Gesetzesentwurf der Rot-Grünen Koalition jedoch nicht vor.

Einige Länder verabschiedeten daraufhin eigene Gesetze, die eine generelle nachträgliche Sicherungsverwahrung ermöglichten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese in einer Entscheidung vom 10. Februar 2004 für verfassungswidrig, da nach Art. 72 Abs. 1 GG die Länder nur zuständig sind, soweit der Bund noch nicht gesetzgeberisch tätig geworden ist.

Da die Bedenken der Verfassungshüter ausschließlich formeller, nicht aber inhaltlicher Natur waren, konnte am 23. Juli 2004 das „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung[8] in Kraft treten. Seither laufen mehrere Menschenrechtsbeschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die aber bis heute (02.04.2009) noch nicht entschieden wurden.

Statistik

Laut Statistischem Bundesamt waren zum 31. März 2008 insgesamt 448 Gefangene in deutschen Gefängnissen zur Sicherungsverwahrung untergebracht. Zum Vergleich: 350 im Jahr 2005 und 306 im Jahr 2003.[9]. Den Tiefststand hatte die Zahl der Sicherungsverwahrten im Jahre 1984 mit 182 erreicht (Feest (Hrsg.), Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, Neuwied 2006, S. 639). Zur Dauer der Sicherungsverwahrung werden bisher weder vom Statistischen Bundesamt noch von der Kriminologischen Zentralstelle aussagekräftige Daten erhoben. Letztere erfasst seit 2002 alle im jeweiligen Jahr aus der SV Entlassenen und die Dauer von deren Aufenthalt in der Maßregel (zuletzt für das Jahr 2005: Axel Dessecker). Daraus ist zu entnehmen, dass die in die Freiheit entlassenen Sicherungsverwahrten durchschnittlich über 15 Jahre im Gefängnis verbracht haben (wenn man Freiheitsstrafe und SV zusammennimmt). Über Diejenigen, die bisher nicht aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden, liegen keine Zahlen vor.

Entwicklungen im Ausland

Die anderen Staaten im deutschen Sprachraum kennen vergleichbare Regelungen: In Österreich ist eine Unterbringung im Maßnahmenvollzug (§ 23 StGB), in der Schweiz die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern (Art. 42 StGB) möglich. Ähnliche Regelungen gab es seit den 1920er-Jahren (unter dem Einfluss von Franz von Liszt und der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung) in verschiedenen europäischen Staaten. Sie wurden jedoch fast überall nach dem Zweiten Weltkrieg als rechtsstaatswidrig abgeschafft. Neuerdings ist die Sicherungsverwahrung, unter verschiedenen Namen, jedoch wieder auf den Vormarsch: z.B. rétention de sûreté (Frankreich, Forvaring (Dänemark, Norwegen), Terbeschikkingstelling (Niederlande), (preventive detention) Neuseeland. Im Jahre 2003 hat man auch in Großbritannien ein "imprisonment for public protection" (IPP) eingeführt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bundesregierung:Sicherungsverwahrung künftig auch im Jugendstrafrecht möglich
  2. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004, Az.: 2 BvR 2029/01
  3. (Kinzig, Jörg 1996: S.17)
  4. (Kinzig, Jörg 1996: S.20)
  5. Vgl. Stefan Braum: Nachträgliche Sicherungsverwahrung: In dubio pro securitate?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 2004, S. 105.
  6. Bild am Sonntag vom 8. Juli 2001.
  7. Z. B. August Greiner: Wegschließen und zwar für immer?, in: Kriminalistik 2001, S. 650f.; Erardo Christoforo Rautenberg: Wegschließen für immer!?, in: Neue Juristische Wochenschrift 2001, S. 2608ff.; Steffen Hudemann: Wegsperren und zwar für immer?, in: Der Tagesspiegel vom 3. Februar 2007.
  8. Bundesgesetzblatt: Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung 2004
  9. Statistisches Bundesamt: Strafgefangene nach Geschlecht, Alter und Art des Vollzugs, voraussichtliche Vollzugsdauer 2008
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