- Ursula Ruth Kuczynski
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Ruth Werner (* 15. Mai 1907 in Schöneberg; † 7. Juli 2000 in Berlin), eigentlich Ursula Beurton, zuvor Ruth Ursula Hamburger , geboren als Ruth Ursula Kuczynski, war eine deutsche Kommunistin, Schriftstellerin und Agentin des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU. Dort wurde sie unter dem Decknamen „Sonja“ geführt und bekleidete zuletzt den Rang eines Obersten.
Sie wurde als eines von sechs Kindern von Robert René Kuczynski und Berta Kuczynski in einer wohlhabenden jüdischen Familie in Schöneberg geboren. Ihr Vater arbeitete als Ökonom und Statistiker. Ihr älterer Bruder war der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Kuczynski.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Als Elfjährige spielte sie die Hederl in dem Kinoklassiker Das Dreimäderlhaus (1918) von Richard Oswald.[1] Mit 19 Jahren trat sie 1926 der Kommunistischen Partei Deutschlands bei und wurde unmittelbar nach Bekanntwerden von ihrem Arbeitgeber, dem Berliner Ullstein Verlag, entlassen. Sie gründete die Marxistische Arbeiterbibliothek (MAB Berlin) und übernahm deren Leitung. Sie begann für die Parteizeitungen der KPD Die Rote Fahne und Welt am Abend zu schreiben.
Werner heiratete 1929 den deutschen Architekten Rudolf Hamburger und folgte ihm 1930 nach Shanghai. Dort lernte sie nach viereinhalb Monaten, vermittelt durch die linke amerikanische Journalistin Agnes Smedley, Richard Sorge kennen, der sie für die GRU anwarb und in China Informationen für die Sowjetunion sammeln ließ. Sie hielt Kontakt zu untergetauchten chinesischen Kommunisten, lagerte Waffen, versteckte einen Gesuchten. Als ihr Ehemann von ihren Aktivitäten erfuhr, und sie versuchte auch diesen als Agenten anzuwerben, zerbrach die Ehe. Nach zweijähriger Tätigkeit ging sie 1933 mit Empfehlung Sorges nach Moskau, um das Spionagehandwerk gründlich zu erlernen. Ihren Sohn Michael brachte sie bei ihren Schwiegereltern in der Tschechoslowakei unter.
Werner diente dem militärischen Nachrichtendienst GRU in Asien und Europa. Sie war 1934 in Mukden in der Mandschurei, das Japan seit dem Mukden-Zwischenfall von 1931 besetzte. Ihr dortiger Führungsagent nannte sich Ernst. Mit ihm hatte sie zeitweilig eine Romanze. Als die GRU 1935 die Enttarnung der beiden Agenten befürchtete, beorderte sie Werner, die von Ernst ihre Tochter Janina im April 1936 erwartete, mit ihrem Ehemann nach Polen. Als Deutschland 1939 Danzig besetzte, baute Werner Widerstandsgruppen in der Stadt auf.
Ende 1938, bevor die Wehrmacht Polen angriff, war sie mit ihrem Ehemann und dem geheimen Sender unter dem Namen Ursula Schulz bereits in die Schweiz geflüchtet, um dort einen Nachrichtendienst aufzubauen. In der Schweiz rekrutierte sie Gruppen für den Einsatz in Deutschland. Von dort funkte sie auch für Sándor Radó. In der Schweiz lernte sie im Februar 1939 die englischen Kommunisten und Spanienkämpfer Len Beurton und Alexander Foote kennen. Foote, der ihr ob seines ruhmreichen Einsatzes im Spanischen Bürgerkrieg von der Moskauer Zentrale empfohlen worden war, setzte sie auf die Messerschmitt-Werke an. Sein Landsmann Len Beurton sollte Kontakt zu den I.G. Farben herstellen.[2]
Für Burton war es nach seinen Schilderungen Liebe auf den ersten Blick. Sie schilderte es als Pflicht zur Tarnung. Die GRU schickte Werner jedoch zunächst in den Fernen Osten.
1940 wurde Werner von der GRU nach Großbritannien entsandt, um dort ein Netz aufzubauen. In Großbritannien heiratete sie 1940 ihren zweiten Ehemann Len Beurton, erlangte die britische Staatsbürgerschaft und lebte bis 1949 in Großbritannien. 1943 gebar sie in England ihren Sohn Peter. Sie ließ sich in der Umgebung Oxfords nieder, um ab 1943 für die „Atomspione“ Klaus Fuchs und Melita Norwood als Kurier zu arbeiten. Sie beschleunigte dadurch die Entwicklung der sowjetischen Atombombe, die 1949 erstmalig gezündet wurde. Neben Fuchs und Norwood führte sie einen Offizier der Royal Air Force, einen Spezialisten in U-Boot-Radar, und gewann Informationen von ihrem Bruder, ihrem Vater und anderen deutschen Emigranten.
Werner gelang es im Herbst 1944, den amerikanischen Geheimdienst anzuzapfen. Da die Amerikaner deutsche Emigranten als Fallschirmspringer über Deutschland absetzen wollten, sorgte sie dafür, dass unter diesen die Mehrzahl zuverlässige Kommunisten waren, die ihre Informationen aus dem Dritten Reich nicht nur Washington, sondern auch Moskau zur Verfügung stellen sollten.
Bis zum Unternehmen Barbarossa, dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, ignorierte Stalin die Informationen seiner Nachrichtendienste über den bevorstehenden Einmarsch in die Sowjetunion.
1949 musste Werner wegen der Enttarnung von Klaus Fuchs aus Großbritannien fliehen und ging in die DDR nach Ost-Berlin. 1950 schied Werner auf eigenen Wunsch aus der GRU aus.
„Sie war die vielleicht erfolgreichste Kundschafterin der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg“[3] und eine der Wenigen, die Stalins Misstrauen, seine Säuberungen und Verhaftungswellen unversehrt überlebte. Sie wurde aber 10 Jahre nach ihrem Ausscheiden aus der GRU aus dem Amt für Information in der DDR entlassen, weil sie eine Panzerschranktür zu schließen vergaß. Nach sechs Jahren im Staatsdienst beschäftigte sie sich als Autorin zunächst überwiegend mit der Publikation von Kinderbüchern. In dieser Zeit nahm sie ihr Pseudonym Ruth Werner an.
1969 ehrte die GRU sie mit einem zweiten Rotbannerorden, dem höchsten Militärorden der Sowjetunion. Bis 1977 entsprach sie ihrer Verschwiegenheitspflicht äußerst diszipliniert. Als sie 1977 ihre Memoiren veröffentlichte, verschwieg sie ihre Kontakte zu Klaus Fuchs, der zu diesem Zeitpunkt noch lebte. In der DDR gelangte sie zu Popularität durch die Veröffentlichung ihrer Autobiographie Sonjas Rapport, die ein Bestseller wurde. Im gleichen Jahr wurde sie in der DDR mit dem Nationalpreis I. Klasse und mit dem Karl-Marx-Orden geehrt.
Im November 1989 betrat die nunmehr 82-Jährige noch einmal die politische Bühne und sprach im Berliner Lustgarten vor Zehntausenden nach dem Fall der Mauer von ihrem Vertrauen in einen menschlichen Sozialismus. Anfangs setzte sie noch großes Vertrauen in Egon Krenz.
Sie gehörte bis zu ihrem Tode dem „Ältestenrat“ beim Parteivorstand der PDS an.
Bei ihrer Beisetzung im Juli 2000 auf dem Friedhof Berlin Baumschulenweg sprach ein Gesandter der Russischen Föderation als Trauerredner. Ohne dass Werner jemals Uniform getragen hatte, war sie Oberst der Roten Armee. Postum erhielt sie den russischen Orden der Freundschaft.
Werk
- Die gepanzerte Doris, Kinderbuchverlag Berlin 1954
- Ein ungewöhnliches Mädchen, Verlag Neues Leben, Berlin, 1959
- Olga Benario. Die Geschichte eines tapferen Lebens, Verlag Neues Leben, 1961
- Über hundert Berge, Verlag Neues Leben, Berlin, 1965
- Ein Sommertag, Verlag Neues Leben, Berlin, 1967
- In der Klinik, Verlag Neues Leben, Berlin, 1968
- Muhme Mele, Neuauflage: Spotless, Berlin, 2000
- Kleine Fische – Große Fische, Verlag Neues Leben, Berlin, 1972
- Ein sommerwarmer Februar, Kinderbuchverlag 1973
- Der Gong des Porzellanhändlers, Verlag Neues Leben, Berlin, 1976
- Vaters liebes gutes Bein, Kinderbuchverlag 1977
- Gedanken auf dem Fahrrad, Verlag Neues Leben, Berlin 1980
- Kurgespräche, Verlag Neues Leben, Berlin 1988
- Ein Tropfen Zeit - Gedichte und Texte, Verlag Husum, Cobra, 1990 ISBN 3-923146-28-0
- Sonjas Rapport - Erste vollständige Ausgabe, Verlag Neues Leben (Eulenspiegel Verlagsgruppe) 2006 (zuerst 1977), ISBN 3-355-01721-3
Filme
- Darstellerin
- Die Bunte Platte (1934)
- Ein Kind ist vom Himmel gefallen (1933)
- Achten sie auf Meyer (1933)
- Das Dreimäderlhaus (1918)
- Biografische Filme
- Sabine Mieder: Deckname Sonja - das geheime Leben der Agentin Ruth Werner; Erstsendung 7. Februar 2001 um 23.30 Uhr in der ARD
Literatur
- Eberhard Panitz: Treffpunkt Banbury – oder wie die Atombombe zu den Russen kam : Klaus Fuchs, Ruth Werner und der größte Spionagefall der Geschichte, Verlag Das Neue Berlin, 2003, ISBN 3-360-00990-8
- Benjamin B. Fischer: “Farewell to Sonia, the Spy Who Haunted Britain”', International Journal of Intelligence and Counterintelligence 15, No. 1, Frühjahr 2002: S. 61-76.
- Rudolf Hempel (Hrsg.): Funksprüche an Sonja. Die Geschichte der Ruth Werner, Verlag Neues Leben, Berlin, 2007, ISBN 978-3-355-01731-2
- Auszüge daraus online in: Hermann Kant: Gestern mit Ruth und Len - Erinnerungen an die Kundschafterin und Schriftstellerin Ruth Werner, kominform.at, 15. Mai 2007
- Thomas Karny: "Sonja" – Stalins beste Spionin, in: Wienerzeitung vom 12. Mai 2007
Weblinks
- Literatur von und über Ruth Werner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Filmdatenbank
- Kurzbiografie des Deutschlandradios
- Bericht über Peter Beurton und seine Eltern
- Gespräch mit den Kindern von Ruth Werner
Einzelnachweise
- ↑ http://www.imdb.de/title/tt0009027/
- ↑ http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3946&Alias=wzo&cob=283794
- ↑ http://www.mdr.de/artour/2546762.html
Personendaten NAME Werner, Ruth ALTERNATIVNAMEN Kuczynski, Ruth Ursula; Beurton, Ursula; Hamburger, Ruth Ursula KURZBESCHREIBUNG deutsche Schriftstellerin, Schauspielerin und sowjetische Spionin GEBURTSDATUM 15. Mai 1907 GEBURTSORT Berlin STERBEDATUM 7. Juli 2000 STERBEORT Berlin
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