Bassajew

Bassajew

Schamil Salmanowitsch Bassajew (russisch Шамиль Салманович Басаев; * 14. Januar 1965 in Wedeno, Tschetschenien; † 10. Juli 2006 in Inguschetien) war ein tschetschenischer Terrorist und Rebellenführer. Für zahlreiche Anschläge und bewaffnete Überfälle war er verantwortlich. Bis zu seinem Tod galt Bassajew als der meistgesuchte Mann Russlands.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Aktivitäten

Bassajew stammte aus einer Familie tschetschenischer Rebellen. Sein Großvater kämpfte nach der Oktoberrevolution für die Errichtung eines unabhängigen Kaukasus-Emirats. Nach seinem Schulabschluss 1982 leistete Bassajew seinen Grundwehrdienst in der sowjetischen Luftwaffe. Später arbeitete er auf der Aksaiski-Sowchose im Gebiet Wolgograd. Vergeblich bemühte er sich um ein Jurastudium an der Moskauer Lomonossow-Universität. 1987 nahm er ein Agraringenieursstudium auf, das er jedoch 1988 wegen schlechter Noten abbrechen musste.

Während des Augustputsches in Moskau gegen Michail Gorbatschow gehörte er 1991, mit einigen Handgranaten bewaffnet, zu den Verteidigern des Weißen Hauses, in dem sich Boris Jelzin verschanzt hatte. Im November des gleichen Jahres entführte Bassajew ein sowjetisches Flugzeug mit 178 Passagieren nach Ankara. Die Geiseln wurden schließlich in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny freigelassen. 1991 bis 1992 wurde er in Pakistan von islamistischen Extremisten ausgebildet. Dann ging er nach Abchasien. Dort kämpfte er von 1992 bis 1993 als Kommandeur eines tschetschenischen Bataillons für die Abspaltung der autonomen Republik von Georgien und wurde dort stellvertretender Verteidigungsminister. Bassajews Einheit war verantwortlich für die Tötung tausender georgischer Zivilisten in Sochumi und im abchasischen Dorf Leselidse. 1994 verließ er Abchasien und nahm ein dreimonatiges Partisanentraining in Afghanistan auf.

Aufstieg zur tschetschenischen Leitfigur

Während des Ersten Tschetschenien-Kriegs von 1994 bis 1996 wurde er zusammen mit Aslan Alijewitsch Maschadow zu einer Leitfigur der Rebellenbebewegung. Im Juni 1995 organisierte er im Krankenhaus der südrussischen Stadt Budjonnowsk eine Geiselnahme, bei der über 150 Menschen getötet wurden. Bassajew und seine Mittäter erhielten freies Geleit. 1996 wurde er Kommandeur der tschetschenischen Streitkräfte. Im August leitete er den erfolgreichen Angriff zur Einnahme der tschetschenischen Hauptstadt Grosny.

Als Tschetschenien de facto (aber nicht de jure) unabhängig wurde, wechselte Bassajew für kurze Zeit in die Politik. Zu den tschetschenischen Präsidentschaftswahlen im Januar 1997 trat er gegen Maschadow als Präsidentschaftskandidat an, unterlag jedoch. Ein Jahr später ernannte ihn Maschadow zum Premierminister, befristete diese Position aber auf sechs Monate.

Islamischer Fundamentalismus

Das Verhältnis zwischen Maschadow und Bassajew galt nach außen hin als gespannt, da Bassajew und Maschadow zumindest verbal für unterschiedliche Vorgehensweisen gegenüber Russland eintraten. Bassajews Bündnispartner war der aus Saudi-Arabien stammende Terrorist Ibn al-Chattab. Bassajew und Chattab strebten die Herrschaft des Wahabismus, einer ultrakonservativen Richtung des Islams, in Tschetschenien an. In ihrem Herrschaftsbereich wurde das islamische Scharia-Gericht eingeführt. Ab 1996 sollen sie von Osama bin Laden finanziell unterstützt worden sein.

Im August 1998 begann Bassajew gemeinsam mit Chattab eine Rebellion in der russischen Republik Dagestan, die an Tschetschenien grenzt, den sogenannten Dagestankrieg. Das tat er, ohne die Zustimmung von Aslan Maschadow, den er in seiner Funktion als tschetschenisches Staatsoberhaupt ignorierte. Allerdings wird diese Divergenz von vielen als künstlicher Trick nach außen eingeschätzt. Die Eskalation zu einem bewaffneten Konflikt, die durch die wahabitischen Banden ab dem Juni 1999 herbeigeführt wurde, ist der wesentliche Auslöser des Zweiten Tschetschenien-Kriegs. Durch das Bestreben Bassajews, Teile Dagestans aus dem Einflussbereich der Russischen Föderation zu lösen, wurde eine Verteidigungsreaktion der russischen Streitkräfte provoziert. Damit wurde der Waffenstillstand, der seit 1996 geherrscht hatte, und der niemals wirklich stabil war, endgültig gebrochen. In der Folge gelang es den russischen Streitkräften, die nicht zuletzt durch die energische Politik von Wladimir Putin wesentlich besser ausgerüstet und zahlenmäßig weit überlegen waren, die tschetschenischen Separatisten im August 1999 zunächst aus Dagestan zu vertreiben. Der im Herbst folgenden russischen Offensive konnten die Rebellen nichts gleichwertiges entgegensetzen, obwohl die Tschetschenen nicht zuletzt durch Bassajew zu bedingungslosem Widerstand aufgestachelt wurden. Sie wurden von den russischen Streitkräften ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, die sich ebenfalls auf den Kampfplätzen befand, zusammengeschossen. Man testete dabei auf russischer Seite auch die Wirkung neuer Waffensysteme, wie zum Beispiel von Aerosolbomben oder einem neuen Raketenwerfertyp. In seiner Ignoranz der massiven Überlegenheit der russischen Streitkräfte und seinen sturen Verteidigungsbefehlen demonstrierte Bassajew seine Unfähigkeit, eine höhere militärische Kommandostelle auszufüllen. Im Gegensatz zu vielen seiner tschetschenischen Untergebenen, die bei der Verteidigung Grosnys ums Leben kamen, verlor Bassajew bei den Kämpfen nur ein Bein durch eine Antipersonenmine, als er sich im Januar 2000 aus Grosny zurückzog. Bassajew lebte seither im Untergrund. Aufgrund seiner Behinderung konnte er sich nach 1999 nicht mehr direkt an Anschlägen beteiligen.

Eskalation öffentlichkeitswirksamer Gewalt

Im Oktober 2002 organisierte er die Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater, die Mowsar Barajew leitete. Bei der Erstürmung des Theaters starben 129 Geiseln und 41 Geiselnehmer. Später rühmte er sich, junge Frauen aus Tschetschenien zu Selbstmordattentäterinnen (russisch Smertnizy) ausgebildet zu haben.

Am 27. Dezember 2002 bekannte er sich zu dem Anschlag auf ein Regierungsgebäude in Grosny, bei dem ein von Selbstmordattentätern geführter und mit Sprengstoff beladener LKW das Gebäude rammte und 80 Menschen tötete. Bassajew veröffentlichte ein Video von der Aktion und behauptete, die Fernzündung selbst vorgenommen zu haben.

Im Mai 2004 ließ Bassajew den tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow ermorden. Bei einer Siegesparade zum 9. Mai im Fußballstadion von Grosny explodierte unter der Tribüne, auf der Achmat Kadyrow saß, eine starke Sprengladung. Achmat Kadyrow erlag wenig später seinen Verletzungen.

Im August 2004 bekannte sich Bassajew zu den Bombenanschlägen auf zwei russische Passagiermaschinen und einem Anschlag auf die Moskauer U-Bahn, bei denen 99 Menschen umkamen.

Er war auch Organisator der Geiselnahme von Beslan, bei der zwischen dem 1. und 3. September 2004 mindestens 335 Menschen ums Leben kamen, darunter viele Schulkinder. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hatte 300 Millionen Rubel (8,2 Millionen Euro) auf seinen Kopf ausgesetzt.

In der tschetschenischen Bevölkerung galt Bassajew bei einigen als populär, wird aber von anderen für die Eskalation der Gewalt verantwortlich gemacht.

Eine friedliche Lösung des Tschetschenien-Konflikts schloss Bassajew aus. Der Krieg werde 20 bis 25 Jahre dauern. Er werde erst beendet, wenn das "Gesetz Allahs in Jerusalem herrscht". Bassajew galt als unkontrollierbar. Anlass für diese Einschätzung gab sein Verhalten in den Jahren 1998 und 1999. Deshalb kann auch davon ausgegangen werden, dass Bassajew nicht von Al Qaida Befehle entgegennahm, sondern lediglich eine lockere Zusammenarbeit mit der Terrororganisation bestand. Weiterhin zeichnete er sich in der Vergangenheit durch politische und militärische Entscheidungen aus, die ihn als unfähigen Strategen und Politiker erscheinen lassen.

Am 11. Juli 2006 gab der russische Inlandsgeheimdienst FSB an, in der Nacht auf den 10. Juli 2006 sei Bassajew infolge einer lange geplanten Operation des russischen Geheimdienstes bei Ekashewo in Inguschetien (Nordkaukasus) liquidiert worden. Tschetschenische Rebellen bestätigten am gleichen Tag seinen Tod, behaupteten jedoch, dass es sich um einen Unfall gehandelt hatte. FSB-Chef Nikolai Patruschew gab dagegen an, dass Spezialeinheiten der Armee Bassajew beim Transport eines Sprengsatzes angegriffen und getötet hätten, womit ein geplanter Terroranschlag verhindert worden wäre, so offizielle Version von russischer Seite. Im Rahmen einer späteren genetischen Untersuchung des Leichnams konnte die Identität von Bassajew bestätigt werden.

Siehe auch

Literatur

  • Paul J. Murphy: The Wolves of Islam: Russia and the Faces of Chechen Terror. Potomac Books, Washington D.C. 2006, ISBN 1-574-88831-5

Weblinks

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