- Val Calanca
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Das Calancatal (italienisch Val Calanca) ist ein Seitental des Misox. Die acht Gemeinden sind im Kreis Calanca (Circolo di Calanca) zusammengeschlossen und gehören zusammen mit dem Kreis Messoco und Roveredo zum Bezirk Moësa. Das Calancatal ist wie das Misox, das Puschlav, das Bergell und das Dorf Bivio am Julierpass, Teil des italienischsprachigen Gebietes des Kantons Graubünden.
Inhaltsverzeichnis
Geografie
Das Calancatal beginnt bei Grono (332 m ü.M.) und zieht sich parallel zum Misox im Osten und zur Tessiner Riviera im Westen 27 km nach Norden bis zum höchsten Punkt, dem Puntone di Fracion (3202 m.ü.M.). Im Talboden fliesst die Calancasca, die bei Grono in die Moësa mündet. Das Klima im unteren Teil ist eher mild mit Kastanienbäumen, weiter oben wird es sehr alpin. Zur Geschichte des wilden Tales gehören auch immer wieder Bergstürze. Die Ursachen sind die talwärts neigende Schieferung der Felsformationen sowie die Calancasca, die Teile des Talbodens abträgt und damit die Felsmassen destabilisiert. Im Juni 2007 stürzen 400'000 Kubikmeter Fels beim Steinbruch Arvigo ins Tal hinunter. Rund 400 Personen im hinteren Tal sind eingeschlossen, weil die einzige Strasse gesperrt werden musste.
Geschichte
Das Tal wurde von Norden her (San Bernardino, Misox) besiedelt, weil es im Süden keinen passierbaren Zugang hatte. Der Name Calanca (abschüssig, steil) deutet auf ligurische Einwanderer (ca. 8 Jh.v.Chr.). Die anfänglichen verstreuten Hofsiedlungen wurden mit dem Übergang zur arbeitsteiligen Alpwirtschaft aufgegeben. Ab dem 15. Jahrhundert bildeten sich einzelne Dörfer, wo die Bevölkerung aufwändige Arbeiten gemeinsam (Gemeinwerk) erledigte. Dazu gehörte das Anlegen und Unterhalten von Wasserleitungen und Alpwegen, die Säuberung der Alpweiden von Steinen und Geröll, das Begleiten und Hüten des Viehs auf den verschiedenen Alpstufen, die Herstellung von Alpkäse usw.
Seit dem 12. Jahrhundert gehörte das Calancatal mit dem Misox zur Herrschaft der in der Burg Mescco residierenden von Sax (de Sacco). 1480 ging die Herrschaft an die Mailänder Grafen Trivulzio über. 1496 schloss sich die Talschaft zusammen mit dem Misox dem Grauen Bund als Schutzbündnis an. Zu dieser Zeit herrschte in der kleinen Alpenrepublik der Drei Bünde eine Aufbruchstimmung. Zur republikanischen Souveränität der vollen politischen Mündigkeit wollte man mit Hilfe der Reformation auch die Befreiung von der Vormachtstellung und politischen Mitbestimmung der katholischen Kirche.
1549 erlangte das Calancatal durch den Loskauf von Trivulzio seine politische Unabhängigkeit. Mit der Kantonalisierung 1851 und der Gliederung in 11 politische Gemeinden büsste das Calancatal einen Teil dieser Unabhängigkeit wieder ein.
In jüngster Zeit (2005) geriet das Calancatal im Rahmen der sogenannten Entleerungsstrategie der Neuen Regionalpolitik in die Schlagzeilen. Eine Studie durch Basler Architekten glaubt, die Aufgabe von „unrentablen“ Berggebieten wäre finanziell von Vorteil. Kritiker wie die Organizzazione Regionale della Calanca verweisen jedoch auf die vielfältigen Aufgaben der peripheren Talschaften im Interesse des ganzen Landes (Erholungsraum für urbane Bevölkerung, Produktion erneuerbarer Energien, Wasserreserven, Schutz vor Naturgefahren wie Überschwemmung tieferliegender Täler usw.).
Bevölkerung
Die Dörfer des Calancatals sind mit Arvigo als Hauptort in acht politischen Gemeinden zusammengefasst (Reihenfolge von Süden nach Norden):
- Castaneda
- Sta. Maria
- Buseno inkl. Molina
- Arvigo inkl. Landarenca (Fusion 1980)
- Braggio
- Selma
- Cauco inkl. Bodio
- Rossa inkl. Augio und Sta. Domenica (Fusion 1982)
Das Calancatal hat seit 1733 eine abnehmende Bevölkerung. Damals lebten hier 2'900 Einwohner; 1773 waren es 2'246; 1850 1'595; 1950 1'287; 1990 740; 2000 809. Versuche die Entvölkerung zu stoppen, haben in den letzten Jahren zu einer Stabilisierung geführt.
Wirtschaft
Im Calancatal wird hauptsächlich Vieh- und Alp- und Holzwirtschaft betrieben, da die Steilhänge und die Höhenlage nur wenig Ackerbau zulässt (Roggen-, Weizen- und später Kartoffelanbau). Zahlreiche Auswanderer, die in den Nachbarländern als Korbflechter, Glaser, Pechverkäufer und Harzer arbeiteten, brachten dem Tal willkommene Zusatzeinkünfte. Der grösste Arbeitgeber im Tal und einzige Industriebetrieb ist der Werksteinbruch der Firma Polti in Arvigo. Der Calanchiner Gneis (Gneis) wird wegen seiner Qualität geschätzt und zur Hälfte ins Ausland exportiert. Hier wurden auch die seltenen Minerale Babingtonit und Hedenbergit gefunden. Oberhalb Cauco wurde früher Speckstein (Lavez, Steatit) abgebaut und zu Gefässen verarbeitet. Heute spielt im Sommer der Tourismus (Ferienwohnungen) eine wichtige Rolle.
Verkehr und Tourismus
Das Calancatal kann mit dem Auto nur vom Süden her ab Grono erreicht werden. Die Kantonsstrasse endet in Rossa. Es gibt eine Postautoverbindung ab Grono nach Rossa und nach Santa Maria.
Das Calancatal ist eine wilde, noch sehr unberührte Landschaft. Der Bergliebhaber findet hier zahlreiche Berg- und Wanderwege. Bekannt ist vor allem der Sentiero Alpino Calanca. Auf der linken Talseite sind die Übergänge ins Misox: der Pass de Omenit und der Pass di Passit (von Rossa nach San Bernardino), die Bocchetta de Trescolmen (von Rossa nach Mesocco), und der Passo Buffalora (von Rossa via Capanna Buffalora nach Soazza). Auf der rechten Talseite sind die Übergänge ins Riviera- und Bleniotal: die Bocchetta di Pianca Geneura (von Landarenca via Capanna Cava nach Biasca) und der Pass Giümela (von Rossa via Val Pontirone nach Malvaglia). Der bekannte Aussichtsberg der Südschweiz, der Pizzo di Claro (2727 m ü.M.), kann von Landarenca (Luftseilbahn Selma-Landarenca) oder von der Capanna Brogoldone (Luftseilbahn Pizzo di Claro: Lumino TI - Monti Saurù) bestiegen werden.
Touristenunterkünfte gibt es im Kultur-Hotel La Cascata in Augio, in Gasthäusern und den Dorfherbergen von Landarenca, Selma, Sta. Maria und Cauca sowie in der direkt am Sentiero liegenden Buffalorahütte.
Literatur
- Silvia Fantacci, Ueli Hintermeister, Val Calanca. 21 Wanderungen in einem ursprünglichen Südalpental, Rotpunktverlag Zürich 2002, ISBN 3-85869-238-7
Weblinks
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