Vektorsteuerung

Vektorsteuerung
Schubvektorsteuerung an einer Su-30MKI.

Eine Schubvektorsteuerung ermöglicht Lenkbewegungen durch gezieltes Richten des Abgasstrahls eines Antriebs. Sie wird meist bei militärischen Flugzeugen sowie Raketen eingesetzt, um die Manövrierfähigkeit zu verbessern. Dies kann durch Strahlruder, Ablenkflächen am Düsenaustritt oder Schwenken der ganzen Düse erreicht werden.

Neben konventionell startenden Flugzeugen wird Schubvektorsteuerung auch bei Senkrechtstartern verwendet; hierbei wird das Flugzeug beim vertikalen Start vom senkrecht nach unten gelenkten Schub getragen. Für den Horizontalflug werden die Düsen in die entsprechende Position gestellt, um dem Flugzeug Vortrieb zu geben, der Auftrieb wird dann auf konventionelle Weise von den Flügeln erzeugt.

Inhaltsverzeichnis

Technik

Notwendig ist eine Schubvektorsteuerung für Langstreckenraketen, da während der Startphase sowie im Vakuum des Weltraumes eine aerodynamische Steuerung nicht möglich ist. Bei kleineren Raketen und Kampfflugzeugen kann sie die Steuerruder unterstützen oder ersetzen, um die Wendigkeit zu erhöhen. Bei einem Flugzeug ermöglicht sie sehr viel höhere Anstellwinkel, so sind steuerbare Flugzustände jenseits des kritischen Anstellwinkels möglich. Beim deutsch-amerikanischen Projekt Rockwell-MBB X-31 wurden z. B. Anstellwinkel bis zu 70° ohne Verlust der Kontrolle über das Flugzeug erreicht.

Größtes Problem bei der Serienfertigung von Luft- und Raumfahrzeugen mit 3D-Schubvektorsteuerung ist die thermische Belastung der Düsen, die nach Materialien verlangt, die erst seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu akzeptablen Preisen verfügbar sind.

Nach demselben Prinzip arbeiten auch Jetantriebe im Schiffbau. Das Problem der thermischen Belastung ist im Schiffbau naturgemäß zu vernachlässigen, so dass die Schubvektorsteuerung hier schon rund 50 Jahre vorher eingesetzt wurde.

2D- und 3D-Steuerung

Wird der Abgasstrahl nur in einer Ebene abgelenkt, bezeichnet man dies als 2D-Schubvektor. Bei einer in alle Richtungen schwenkbaren Düse spricht man von einem 3D-Schubvektor.

Der Einsatz von 2D-Schubvektorsteuerung in Form von Schubumkehr bei der Landung ist an vielen mit einem Strahltriebwerk angetriebenen Flugzeugen üblich.

Das bekannteste Flugzeug, welches die 2D-Schubvektorsteuerung nicht nur zum Bremsen, sondern auch zum Fliegen von 3D-Manövern nutzt, ist der britische Senkrechtstarter Harrier.

Durch Einsatz der 3D-Schubvektorsteuerung sind neben besserer Luftkampffähigkeit auch Landungen auf kurzen Landebahnen möglich. Dies wurde zuletzt durch das deutsch-amerikanische Forschungsflugzeug X-31 von 1990 demonstriert. Das Konzept der Schubvektorsteuerung der X-31A wurde wesentlich von der Firma MBB entwickelt, die später als DASA firmierte und nun in die EADS eingegliedert ist.

Das erste Serienkampfflugzeug mit 2D-Schubvektorsteuerung war die Variante Su-30MKI der Su-30, die von Russland zusammen mit der indischen Luftwaffe entwickelt und 2002 ausgeliefert wurde. Während alle F-22 Raptor der USAF mit einer 2D-Schubvektordüse ausgerüstet werden, ist für den Eurofighter Typhoon erst eine spätere Schubvektornachrüstung (3D) für die Tranche-3-Modelle (Auslieferung ab 2010) geplant. Bei der chinesischen Chengdu J-10 ist ebenfalls eine 3D-Schubvektorsteuerung vorgesehen.

Technik bei Raketen

Bei Raketen haben sich hauptsächlich zwei Arten von Schubvektorsteuerungen durchgesetzt:

  • Schwenken des gesamten Raketentriebswerkes in zwei Achsen, welches kardanisch aufgehängt ist
  • Schwenken der Düse, dies wird überwiegend bei Feststoffboostern verwendet (z.B. Space Shuttle Feststoffbooster), da ein Schwenken des gesamten Boosters nicht möglich ist.

Im folgenden werden andere Arten der Schubvektorkontrolle aufgelistet welche nur eine geringe Verbreitung erfahren haben:

  • Kleine schwenkbare Zusatztriebwerke, sogenannte Vernier Düsen (z.B. Sojus (Rakete))
  • Einspritzen von Flüssigkeit in den seitlichen Teil der Düse, durch das Verdampfen der Flüssigkeit wird die Ausdehnung der Verbrennungsgase beeinflusst und damit der Schubvektor manipuliert (UGM-27 Polaris)
  • Drehbares Strahlruder im Abgasstrom (A4 (Rakete))
  • Einpressen von Luft in den seitlichen Teil der Düse, durch die Druckänderung ändert sich auch der Schubvektor.
  • Die Abgase des Gasgenerators (Ein Gerät, welches Treibstoff verbrennt um Energie für die Turbopumpen bereitzustellen) werden auf eine schwenkbare Düse geleitet, welche wiederum einen variablen Schubvektor erzeugt [1]

Aktuatoren

Zum Schwenken der Düsen werden überwiegend hydraulische oder elektrische Aktuatoren verwendet. Bei sehr großen Triebwerken (jeweils die erste Stufe: Ariane 5, Delta IV, Atlas, Space Shuttle) werden aufgrund der benötigten hohen Kräfte hydraulische Aktuatoren verwendet. In den oberen Stufen (z.B. der Ariane 5 und Delta IV) kommen elektrische Aktuatoren zur Verwendung, da diese effizienter mit der Energie umgehen und leichter zu lagern und installieren sind (kein Hydrauliköl).

Energiequellen für Schubvektorsysteme

Als Energiequelle für hydraulische Schubvektoraktuatoren kommen zumeist chemisch angetriebene Pumpen zum Tragen (z.B. Space Shuttle[2]). Bei der Saturn V Rakete wurde das gesamte Schubvektorkontrollsystem vom Treibstoffsystem mit angetrieben, die ohnehin vorhandene Turbopumpe lieferte so die benötigte Energie und ersetzte ein separates Antriebssystem. Der Gewichtsersparnis stand jedoch die Anforderung gegenüber, dass das gesamte Hydrauliksystem, speziell die Dichtungen, kompatibel zum Treibstoff sein musste.

Ein anderer Energieträger für die Schubvektorkontrolle sind Hydraulikakkumulatoren. So setzt die Ariane 5 einen Kugeltank ein, welcher das Hydrauliköl enthält und durch Stickstoff unter Druck gesetzt wird. Der vorhandene Druck reicht aus, um genügend Energie für einen Start zur Verfügung zu stellen. Das aufgebrauchte Öl wird im Abgasstrahl verbrannt.

Plattformen

Eine F-15 ACTIVE mit 3D-Schubvektorsteuerung

Im Folgenden werden Kampfflugzeuge aufgelistet, welche über eine Schubvektorsteuerung verfügen.

Muster Typ Bewegungs-
spielraum
Triebwerk Lenkwirkung1 Erstflug
F-15 S/MDT 2D 20° 2 × F100-PW-200 2 × 23,6 kN September 1988
F-15 ACTIVE 3D 20° 2 × F100-PW-299 2 × 28,7 kN März 1996
F-16 VISTA 3D 20° [3] F110-GE-100 27,8 kN April 1992
F-16 Fighting Falcon
mit „AVEN“
3D 20° [4] F110-GE-129 28,7 kN Juli 1993
F/A-18 HARV 3D 25° [5] 2 × F404-GE-400 2 × 21,9 kN April 1987
F-22 Raptor 2D 20° 2 × F119-PW-100 2 × 34,7 kN September 1997
X-31 3D k. A. F404-GE-400 - Oktober 1990
MiG-29 OWT 3D 15° [6] 2 × RD-133 2 × 14,7 kN 2003
Su-47 3D k. A. 2 × Solowjow D-30F-6 k. A. 25. 9. 1997
MiG-35 (optional) 3D k. A. 2 × Klimow-RD-33MK(B)-3M k. A. 2007
Su-30 MKI 2D 15° 2 × AL-31FP 2 × 20,5 kN Juli 1997
Su-35BM 3D 15° vertikal
8° horizontal[7]
2 × 117S 2 vertikal 2 × 23,7 kN
horizontal 2 × 12,6 kN
Februar 2008

1 Die Lenkwirkung einer Schubvektorsteuerung setzt sich aus deren Bewegungsspielraum und der Schubkraft der Triebwerke zusammen. Sie wirkt orthogonal zur Flugachse und kann durch folgende Gleichung ermittelt werden:

F_S = \frac{F_T}{90 \cdot B^{-1}}

FS – Lenkwirkung der Schubvektorsteuerung bei maximaler Auslenkung
FT – Maximale Schubkraft des Triebwerks im Nachbrennerbetrieb
B – Maximal möglicher Auslenkungswinkel der Schubvektorsteuerung


2 Projektbezeichnung, befindet sich im Prototypenstadium. Erstflug im Februar 2008, wurde auf Basis des AL-31F Triebwerks entwickelt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Schubvektorsteuerung über Gasgeneratorabgase
  2. Shuttle Antriebssystem für die Schubvektorkontrolle)
  3. F-16.net
  4. Jane's Aero Engines 2002
  5. NASA factsheet
  6. http://www.bredow-web.de/ILA_2006/Military/MiG-29/mig-29.html
  7. GlobalSecurity.com

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