Verfassung der Türkei

Verfassung der Türkei

Die Türkische Verfassung aus dem Jahr 1982 (türkisch: 1982 Anayasası; amtlich: Türkiye Cumhuriyeti Anayasası) ist die geltende Verfassung des türkischen Staates und somit die rechtliche und politische Grundordnung der Republik Türkei.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Am 12. September 1980 putschte sich das Militär zum dritten Mal an die Macht und verhängte Kriegsrecht über das Land. Mit dem Gesetz Nr. 2324 über die Verfassungsordnung vom 27. Oktober 1980 wurde die Verfassung von 1961 teilweise außer Kraft gesetzt und die Generäle Kenan Evren, Nurettin Ersin, Tahsin Şahinkaya, Sedat Celasun sowie der Admiral Nejat Tümer übernahmen als Nationaler Sicherheitsrat (NSR) die Exekutiv- und Legislativgewalten. Die Judikative blieb formal unberührt, wurde faktisch jedoch nicht unerheblich eingeschränkt. So konnten beispielsweise vom NSR erlassene Gesetze nicht auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden.

Mit dem Gesetz Nr. 2485 vom 29. Juni 1981 wurde eine - aus dem NSR und der Beratenden Versammlung (Danışma Meclisi) bestehende - Konstituierende Versammlung (Kurucu Meclis) ins Leben gerufen. Die Beratende Versammlung bestand insgesamt aus 160 Mitgliedern. 40 wurden direkt vom NSR bestimmt; die übrigen Mitglieder wurden zunächst von den Gouverneuren vorgeschlagen und anschließend seitens des NSR ernannt. Den Vorsitz übte der Politiker und ehemalige Ministerpräsident Sadi Irmak aus.

Die Konstituierende Versammlung hatte die Aufgabe eine neue Verfassung sowie ein Parteien- und Wahlgesetz auszuarbeiten. Zudem übernahm sie die Aufgabe der Gesetzgebung.

Aus den Reihen der Beratenden Versammlung wurde unter dem Vorsitz des Verfassungsrechtlers Orhan Aldıkaçtı ein 15-köpfiger Verfassungsausschuss gebildet. Dieser erarbeitete zwischen dem 23. November 1981 und dem 17. Juli 1982 einen Verfassungsentwurf, welcher am 23. September 1982 zunächst von der Beratenden Versammlung und am 18. Oktober 1982 vom NSR angenommen wurde. Am 7. November 1982 wurde die Verfassung mit 91,37% der Stimmen per Volksentscheid angenommen und trat am 9. November 1982 in Kraft.

Am 6. November 1983 fanden schließlich Parlamentswahlen statt, wonach die Konstituierende Versammlung nach Art. 177 der Verfassung aufgelöst wurde.

Inhalt

Die Verfassung besteht aus 177 Artikeln. Demnach definiert sich die Türkei als „demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat“, der dem „Wohl der Gemeinschaft, der nationalen Solidarität und Gerechtigkeit, den Menschenrechten und dem Nationalismus Atatürks“ verbunden ist.

Der Staatspräsident fungiert als „Hüter der Verfassung“ (Art. 1, Abs. 4) und ist das Staatsoberhaupt der Türkei, der die „Anwendung der Verfassung und die ordentliche und harmonische Tätigkeit der Staatsorgane“ beaufsichtigen soll.

In Artikel 5 werden die „Grundziele und -aufgaben des Staates“ definiert:

„Die Grundziele und -aufgaben des Staates sind es, die Unabhängigkeit und Einheit des Türkischen Volkes, die Unteilbarkeit des Landes, die Republik und die Demokratie zu schützen, Wohlstand, Wohlergehen und Glück der Bürger und der Gemeinschaft zu gewährleisten, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse zu beseitigen, welche die Grundrechte und -freiheiten der Person in einer mit den Prinzipien des sozialen Rechtsstaates und der Gerechtigkeit nicht vereinbaren Weise beschränken, sowie sich um die Schaffung der für die Entwicklung der materiellen und ideellen Existenz des Menschen notwendigen Bedingungen zu bemühen.“

Vor allem auf Grund des in der Verfassung festgeschriebenen „Nationalen Einheitsstaates“ wird die Türkei zentralistisch verwaltet.

Nach Art. 75 der Verfassung besteht die Große Nationalversammlung der Türkei seit 1995 aus 550 Abgeordneten. Nach der Verfassung sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes und nicht beispielsweise einer Partei oder Region. Darüber hinaus kennt die türkische Verfassung eine ausführliche Regelung über die Unvereinbarkeit zwischen bestimmten Ämtern in der Regierung und der Justiz sowie dem Abgeordnetenmandat.

Artikel 104 der türkischen Verfassung regelt die Kompetenzen des Staatsoberhauptes.

Die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates sind gemäß Art. 118 der türkischen Verfassung die Oberbefehlshaber von Heer, Marine, Luftwaffe und Gendarmerie, der Generalstabschef, der Ministerpräsident, seine Stellvertreter, der Außen-, der Innen-, und der Verteidigungsminister sowie als Vorsitzender des Rates der Staatspräsident.

Literatur

  • Kemal Gözler: Türk Anayasa Hukukuna Giriş. 1. Auflage. Ekin Yayınevi, Bursa 2008, ISBN 978-9944-141-37-6.
  • Gazi Çağlar: Die Türkei zwischen Orient und Okzident: eine politische Analyse ihrer Geschichte und Gegenwart. Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-016-1.
  • Bertold Spuler, u.a.: Studien zur Geschichte und Kultur des Vorderen Orients : Festschrift für Bertold Spuler zum siebzigsten Geburtstag. Brill, 1981, ISBN 9789004065352, S. 273 m.w.N.
  • Kraelitz-Greifenhorst, Friedrich von: Die Verfassungsgesetze des Osmanischen Reiches. Verlag des Forschungsinstitutes für Osten und Orient, Wien 1919.

Weblinks


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