- Verfassung des Norddeutschen Bundes
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Als Bismarcksche Reichsverfassung wird die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 bezeichnet, die aus der 1866 ausgearbeiteten Verfassung des Norddeutschen Bundes hervorging.
Sie entstand durch die Zusammenfassung vieler Einzeldokumente wie den Novemberverträgen inklusive den Schlussprotokollen sowie der Verfassungsänderung bezüglich der Bezeichnungen Deutsches Reich und Deutscher Kaiser. Die Zusammenfassung erfolgte durch das Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871.[1]
Inhaltsverzeichnis
Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871
Das Deutsche Reich ist ein Bundesstaat, der nach der Idee der Reichsverfassung durch die Fürsten einiger deutscher Staaten (ohne Österreich) und durch den Norddeutschen Bund gestiftet wurde. Seine Verfassung lehnte sich stark an der des Norddeutschen Bundes an, wie sie nach dem Deutschen Krieg 1866 entstanden war. Die Staatsform bzw. das Regierungssystem, das durch die Verfassung von 1871 begründet wurde, wird in der Literatur als „eingeschränkte Monarchie“ umschrieben. Denn auf der einen Seite blieb dem monarchischen Prinzip eine starke Stellung vorbehalten, auf der anderen Seite war dem Volk auf der Grundlage eines recht fortschrittlichen Wahlrechts durch den Reichstag eine Beteiligung an der Gesetzgebung gesichert.
Der Verfassungstext macht deutlich, dass es sich bei der Schaffung des Deutschen Reichs nicht um einen souveränen Akt des "Deutschen Volkes" handelt. Insofern verstehen sich die Fürsten und Städte als der verfassungsgebende Souverän.
Stärkstes Land war Preußen mit etwa zwei Drittel der Bevölkerung. Die Vorschriften der Verfassung erfüllten drei verschiedene Aufgaben. Einerseits wurde im Außenverhältnis (Verhältnis von Staat zu Staat) die Zuständigkeit des Reichs von der Zuständigkeit der Gliedstaaten nach dem föderativen Prinzip abgegrenzt („Verbandszuständigkeit“ des Reiches). Hier folgt die Verfassung dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Wo nicht das Reich durch die Verfassung ausdrücklich für zuständig erklärt wurde, waren die Bundesstaaten berufen („im Zweifel für die Bundesstaaten“). Die Zuständigkeit des Reiches war in der Verfassung nach den Staatsfunktionen (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung) höchst unterschiedlich geregelt. Anderseits stellte die Verfassung ein Organisationsstatut dar, in dem die Staatsorgane des Reichs benannt und ihre Kompetenzen untereinander festgesetzt wurden (Organzuständigkeit). Soweit die Vorschriften der Reichsverfassung die Organzuständigkeit regelten, stellte die Verfassung ein reines Binnenrecht dar. Eine dritte Art von Vorschriften regelt das Verhältnis zwischen den Bürgern (Untertanen) und dem Reich. Dieses Rechtsverhältnis ist in der Verfassung nur vereinzelt einer Regelung (z. B. Inländergleichbehandlung, Wehrpflicht) zugeführt worden. Auf einen umfassenden Grundrechtskatalog wurde verzichtet.
Zunächst werden die Zuständigkeiten des Reichs überhaupt geschildert. Danach erfolgt ein Überblick über die Staatsorgane (Bundesrat, Kaiser und Reichskanzler, Reichstag) und ihre Kompetenzen. Im Anschluss wird auf das Verhältnis zwischen Bürgern (Untertanen) und Reich eingegangen (Grundrechte) und die Praxis des Verfassungslebens geschildert.
Zuständigkeiten des Reiches
Das Reich hatte numerativ aufgezählte Gesetzgebungszuständigkeiten (sogenannte Titel). Nur innerhalb dieser Bereiche konnte das Reich regulierend tätig werden. Charakteristisch für die Verfassung war, dass die Gesetzgebungszuständigkeiten gegenüber den Zuständigkeiten in der Verwaltung weit „überschießend“ ausgestaltet waren. Folgendes Regelungsmuster lag demnach zugrunde: Nur wenn dem Reich eine Gesetzgebungszuständigkeit eingeräumt wurde, konnte es Reichsgesetze erlassen; im übrigen wurden die Bundesstaaten tätig. Erließ das Reich Gesetze, wurden sie wegen der überschießenden Gesetzgebungszuständigkeit in der Regel nicht durch das Reich selbst, sondern durch die Bundesstaaten als eigene Angelegenheit ausgeführt. Dem Reich stand auf Grund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung nur dort der Verwaltungsvollzug durch Reichsbehörden zu, wo die Verfassung ihm den Vollzug ausdrücklich einräumte. Im Übrigen verblieb dem Reich lediglich eine Aufsicht betreffend die Rechtmäßigkeit der Ausführung durch die Bundesstaaten. Dabei war der Bundesrat nach Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 der Verfassung oberste Rechtsaufsichtbehörde des Reiches. Wären die Bundesstaaten ihren Bundespflichten nicht nachgekommen, hätte der Kaiser nach Beschluss des Bundesrats diese im Wege unmittelbaren Zwangs dazu anhalten können. Der Grund für die „überschießende“ Gesetzgebungszuständigkeit war neben dem Beharrungswillen der Bundesstaaten darin zu sehen, dass die Bundesstaaten über eine gut ausgebaute flächendeckende Verwaltungsorganisation verfügten, welche sich das Reich zunutzen machen konnte. Ihm war es somit möglich, kostengünstig Politik zu gestalten, weil die Kosten der Umsetzung bei den Bundesstaaten anfielen.
Verfassungstheoretisch sehr umstritten war die sogenannte „Kompetenz-Kompetenz“, d. h. die Kompetenz des Reiches, seine Kompetenzen gegenüber den Bundesstaaten selbst auszuweiten. Für eine solche Möglichkeit sprach die Regelung, dass Bundesrat und Reichstag über ein Reichsgesetz die Verfassung ändern konnten. Dagegen deutete der Gedanke, dass das Reich durch die Bundesfürsten und Senate der Hansestädte gestiftet worden sei, darauf hin, dass nur die Stifter die Zuständigkeit des Reiches im Verhältnis zu ihnen ändern könnten. In der Praxis wurden die Zuständigkeiten des Reichs durch verfassungsändernde Reichsgesetze jedenfalls erweitert. So erhielt z. B. 1873 das Reich infolge einer Initiative der nationalliberalen Abgeordneten Lasker und Miquel für das gesamte bürgerliche Recht einen Gesetzgebungstitel (sog. lex Miquel-Lasker).
Gesetzgebungszuständigkeiten des Reiches
Innenpolitisch konnte nur soviel gestaltet werden, wie die Verfassung dem Reich an Gesetzgebungszuständigkeit einräumte. Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit hatte das Reich über Zölle, die Besteuerung des im Bundesgebiet gewonnen Salzes und Tabaks, des im Bundesgebiet erzeugten Branntweins und Bieres, des aus einheimischen Erzeugnissen gewonnenen Zuckers und Sirups. Dem Reich oblag ausschließlich die Gesetzgebungszuständigkeit über Vorschriften zum Schutz vor der Hinterziehung von Verbrauchssteuern und zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze. Die weiteren Gesetzgebungszuständigkeiten des Reiches konnten die Bundesstaaten subsidiär ausüben, soweit das Reich nicht tätig geworden ist (konkurrierende Gesetzgebung). Das waren im wesentlichen Gebiete der Rechtspolitik (Strafrecht, Handels- und Wechselrecht, das Prozessrecht, das Schuldrecht (ab 1873 das gesamte bürgerliche Recht) und das Recht zum Schutze des geistigen Eigentums), des freien Warenverkehrs (Zoll- und Handelsgesetzgebung, Maß-, Münz-, Banknoten- Gewichtssystem), des Schutzes des deutschen Außenhandels und der deutschen Kauffarteiflotte, des freien Personenverkehrs (Freizügigkeit-, Heimat- und Niederlassungsverhältnisse, Staatsbürgerschaftsrecht und Passwesen, Regelungen über die Fremdenpolizei (Aufenthaltsrecht für Ausländer), Auswanderungsangelegenheiten) und Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit von Gewerbebetrieben, das gemeinsame Konsulatswesen, das Versicherungs- und Bankenwesen. Dem Reich stand die Gesetzgebung für das Land- und Wasserstraßenwesen, das Eisenbahnwesen, das Post- und Fernmeldewesen zu. Des Weiteren konnte das Reich gesetzliche Bestimmungen für die Medizinal- und Veterinärpolizei (Gesundheits- und Seuchenüberwachung) und das Presse- und Vereinswesen erlassen. Diese Gesetzgebungszuständigkeiten waren für die Gebiete Bayerns (Bestimmungen über Heimat- und Niederlassungsverhältnisse, Eisenbahnwesen, Post- und Fernmeldewesen, Bier, Branntwein) und Württembergs (Post- und Fernmeldewesen, Bier, Branntwein) und Badens (Bier, Branntwein) eingeschränkt worden.
Verwaltungszuständigkeiten
Reichsgesetze wurden in der Regel durch die Bundesstaaten als eigene Angelegenheiten ausgeführt. Für das Reich bewendete es mit einer Rechtsaufsicht. Nur wo die Verfassung dem Reich ausdrücklich den selbständigen Gesetzesvollzug durch Reichsbehörden zusprach, durfte es gegenüber dem Bürger vollziehend tätig werden. Soweit den Bundesstaaten die Verwaltung oblag, konnten sie die Errichtung und Einrichtung ihrer Behörden, das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsvorschriften selbst bestimmen. Innenpolitisch bestand daher auf vielen Sachgebieten eine gemeinsame Zuständigkeit von Reich und Bundesstaaten. Dieses kooperative Modell wurde noch dadurch verstärkt, dass die Regierungen der Bundesstaaten über den Bundesrat auf die Reichsgesetzgebung maßgeblichen Einfluss ausübten und über den Bundesrat auch die Rechtsaufsicht des Reiches über den Vollzug von Reichsgesetzen durch die Bundesstaaten kontrollierten.
Infolge Annexkompetenz unterstand dem Reich der Auswärtige Dienst und die Verwaltung seiner Organe (z. B. Reichstagsverwaltung). Das Reich kontrollierte auch das Konsulatswesen. Eine einheitliche Reichsverwaltung bestand auf dem Gebiet des Post- und Telegraphenwesens. Dies galt nicht für die Gebiete Bayern und Württembergs. Eigentümlich an der Post- und Telegraphenverwaltung war, dass die für den lokalen und technischen Bereich bestimmten Beamten bei den einzelnen Betriebsstellen Landesbeamte blieben, obwohl sie in einer Reichsverwaltung arbeiteten und die Anordnungen des Reiches zu befolgen hatte. Nur die oberen Beamten und Aufsichtsbeamte waren Reichsbeamte.
Die Kaiserliche Marine war in der Verwaltung des Reichs. Das Landkriegswesen unterstand sowohl dem Reich als auch den Bundesstaaten. Näheres zum Kriegswesen siehe unter: Militärische Kommandostruktur
Die Eisenbahnverwaltungen blieben in den Händen der Bundesstaaten. Das Reich hatte jedoch gegenüber den Eisenbahnverwaltungen auf bestimmten Gebieten in der Sache Weisungsbefugnisse z. B. betreffen den baulichen Zustand oder die Materiealbeschaffung. Insbesondere legte das Reich einen einheitlichen Eisenbahntarif fest. Die Bundesregierungen der Bundesstaaten waren verpflichtet, die deutschen Eisenbahnen wie ein einheitliches Netz zu verwalten.
Die Bundesstaaten behielten über die allgemeine und innere Verwaltung (einschließlich der Kommunen) die alleinige Kontrolle. Auch die Finanz- und Steuerverwaltung blieb in den Händen der Bundesstaaten. Das Reich konnte durch besondere Reichsbeamten nach Vernehmung des Bundesratsausschusses für Zoll- und Steuerwesen zur Aufsicht zu den Zoll- und Steuerbehörde sowie den vorgesetzten Dienststellen entsenden. Das Reich konnte durch Beschlussfassung des Bundesrats, soweit dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des Zoll- und Steuerwesen zustand, ausnahmsweise Verwaltungsvorschriften und Bestimmungen über die Errichtung von Landessteuer- und Landeszollbehörden erlassen.
Die Bundesstaaten hatten auch weiterhin eine eigene Polizei (Vollzugspolizei, Kriminalpolizei und Feuerwehr). Sie führten eine eigene Bauverwaltung und Verwaltungen der Gesundheits-, Fremden- und Gewerbepolizei usw.
Gerichtsbarkeit
Gerichtshoheit hatten die Bundesstaaten. Das Reich übte nur dort die Gerichtsbarkeit aus, wo die Verfassung sie dem Reich ausdrücklich zusprach. Das Reich übte die Gerichtsbarkeit bei Hoch- und Landesverratssachen, bei Beleidigungen gegen ein Reichsorgan oder einen Reichsbeamten durch das Oberappellationsgericht in der Freien und Hansestadt Lübeck aus (1877 abgelöst durch das Reichsgericht in Leipzig). Durch Reichsgesetz konnte die Zuständigkeit der Reichsgerichtsbarkeit erweitert werden, was mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 auch geschah. Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten, die staatsrechtlicher Natur waren, wurden vom Bundesrat entschieden, der insoweit Staatsgerichtshof war. Falls für verfassungsrechtliche Streitigkeiten innerhalb eines Bundesstaates dieser keinen eigenen Staatsgerichtshof hatte, war das Reich über der Bundesrat zur Entscheidung berufen.
Staatsorgane
Der Bundesrat
Das höchste Staatsorgan war der Bundesrat, der sich aus 58 Vertretern der 25 Bundesstaaten zusammensetzte (Art. 6 Abs. 1). Die Bundesstaaten entsandten zum Bundesrat Bevollmächtigte, die nur einheitlich abstimmen konnten. Der Bundesrat war daher Vertretung der Bundesstaaten auf der Reichsebene und kein Parlament.
Folgende Stimmverteilung war im Bundesrat gegeben:
Bundesstaat Stimmen im Bundesrat Preußen 17 Stimmen Bayern 6 Stimmen Sachsen 4 Stimmen Württemberg 4 Stimmen Baden 3 Stimmen Hessen 3 Stimmen Mecklenburg-Schwerin 2 Stimmen Braunschweig 2 Stimmen Sachsen-Weimar 1 Stimme Mecklenburg-Strelitz 1 Stimme Oldenburg 1 Stimme Sachsen-Meiningen 1 Stimme Sachsen-Altenburg 1 Stimme Sachsen-Coburg-Gotha 1 Stimme Anhalt 1 Stimme Schwarzburg-Rudolstadt 1 Stimme Schwarzburg-Sondershausen 1 Stimme Waldeck 1 Stimme Reuß älterer Linie 1 Stimme Reuß jüngeren Linie 1 Stimme Schaumburg-Lippe 1 Stimme Lippe 1 Stimme Lübeck 1 Stimme Bremen 1 Stimme Hamburg 1 Stimme Gesamt 58 Stimmen Durch das Reichsgesetz vom 31. Mai 1911 erhielt auch das Reichsland Elsaß-Lothringen drei Stimmen. Preußen hatte im Bundesrat zwar nur 17 Stimmen, besaß aber ein aufgrund der Sperrminorität von 14 Stimmen de facto ein Vetorecht. Auch die süddeutschen Staaten konnten gemeinsam verfassungsändernde Gesetze blockieren. Der Bundesrat war als Vertreter der Fürsten und der Senate der Freien und Hansestädte als der eigentliche Souverän des Reiches gedacht. Dass der Reichskanzler den Vorsitz des Bundesrats führte, unterstrich die Stellung des Bundesrats als oberstes Verfassungsorgan.
Nach Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 der Verfassung beschloss der Bundesrat über die vom Reichstag gefassten Beschlüsse (alle Parlamentsgesetze waren zustimmungspflichtig). Auch befand er über die dem Reichstag zu machenden Vorlagen (Gesetzesinitiativrecht). Die Achtung vor der Eigenstaatlichkeit der Bundesstaaten kam besonders dadurch zum Ausdruck, dass der Bundesrat die Verwaltungsvorschriften erließ, welche zur Ausführung der Reichsgesetze durch die Bundesstaaten benötigt wurden, wenn nicht ein Reichsgesetz mit Zustimmung des Bundesrats etwas abweichendes vorsah; der Bundesrat regelte die Einrichtung der erforderlichen Landesbehörden (Art. 7 Abs. 1 Nr. 2).
In Ermangelung eines Staatsgerichtshofs wurden Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten nicht privatrechtlicher Natur, durch den Bundesrat erledigt (Art. 76 Abs. 1).
Um seine umfassenden Aufgaben erfüllen zu können, bildete der Bundesrat aus seiner Mitte mehrere Fachausschüsse, denen die für die Aufgabenerfüllung nötigen Beamten zur Verfügung gestellt werden mussten.
Der Kaiser als „Präsidium des Bundes“
Die Verfassung betonte das monarchische Element. Das Präsidium des Bundes führte der König von Preußen unter dem Titel Deutscher Kaiser. Was Preußen und das Reich verband, war also keine Personalunion. So gesehen irrte Wilhelm II., als er am Ende des Ersten Weltkriegs meinte, er könne auch lediglich als Deutscher Kaiser abdanken, aber König von Preußen bleiben. Es hätte diesbezüglich die Verfassung geändert werden müssen.
Der Kaiser vertrat das Reich völkerrechtlich, konnte Bündnisse und andere Verträge mit fremden Mächten eingehen, beglaubigte und empfing Gesandte. Er konnte anderen Staaten den Krieg erklären. Diese Kaiserlichen Befugnisse wurden dadurch beschränkt, dass er für Verträge mit fremden Mächten, soweit sie Bereiche betrafen, für welche das Reich Gesetzgebungsbefugnisse hatte, die Zustimmung von Bundesrat und Reichstag benötigte. Insbesondere musste der Bundesrat eine Kriegserklärung durch den Kaiser erlauben. Die Einwilligung des Bundesrats war im Falle eines Angriffskriegs auf das Gebiet des Bundes oder seiner Küsten entbehrlich. Der Kaiser berief zudem den Bundesrat und den Reichstag ein, welchen er zusammen mit dem Bundesrat auch auflösen konnte (Art. 12). Dem Kaiser standen die Ausfertigung und die Verkündigung der Reichsgesetze zu.
Die Kaiserlichen Machtbefugnisse gingen aber weiter als der Name Präsidium des Bundes vermuten ließ. Machtpolitisch äußerst wirksam war, dass der Kaiser den Reichskanzler und die Reichsbeamten ernennen und absetzen konnte (Art. 15 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1). Somit war die Exekutive des Reiches nur dem Kaiser gegenüber verantwortlich. Anordnungen und Verfügungen des Kaiser bedurften der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, der dadurch die Verantwortlichkeit übernahm (Art. 17 Satz 2).
Die Kriegsmarine unterstand dem einheitlichen Oberbefehl des Kaisers; ihre Organisation und Zusammensetzung oblag dem Kaiser, er ernannte die Offiziere und Marinebeamten (Art. 53 Abs. 1). Nach Art. 63 Abs. 1 der Verfassung unterstand das Heer dem Oberbefehl des Kaisers in Frieden und Krieg. In Friedenszeiten war dagegen den Bundesfürsten mit eigenem Heer (Preußen, Sachsen, Baden, Württemberg und Bayern) der Oberbefehl vorbehalten. Wichtiger Ausfluss der Kommandogewalt des Kaisers war nach Art. 68 die (nie praktisch gewordene, doch als Drohmittel benutzte) Befugnis, den Kriegszustand zu erklären, wenn in einem Teil des Bundesgebiets die öffentliche Sicherheit bedroht gewesen wäre.
Die Prärogativen des Kaisers schränkten das Mitwirkungsrecht des Reichstags stark ein. Somit galt im Deutschen Reich nach 1871 der Kaiser faktisch als Souverän und die Verfassung war damit noch weit entfernt vom liberalen Ziel der Volkssouveränität, welche indirekt über das Parlament zum Ausdruck kommen sollte. Die Parlamentarisierung des Reiches, das heißt die Bewegung, die dazu führte, dass der Reichstag im Mittelpunkt der Macht stand, kam erst mit der Oktoberreform 1918. Erst danach war der Reichskanzler dem Reichstag verantwortlich, Friedenserklärungen, Militär und Außenpolitik unterstanden ab dann dem Reichstag. Diese Reformen öffneten den Weg zu Friedensverhandlungen.
Reichstag
Der Reichstag war neben dem Kaiser das unitarische Element in der sonst stark föderativen Reichsverfassung. Der Reichstag ist dem Bundesrat kompetenziell untergeordnet. Der Reichstag wurde nach Art. 20 Abs. 1 durch eine direkte, geheime und allgemeine Wahl auf drei Jahre, ab 1888 auf fünf Jahre bestimmt. Die Abgeordneten hatten ein freies Mandat und waren als Vertreter des gesamten Volkes an Weisungen nicht gebunden (Art. 29). Das Abgeordnetenmandat war ein Ehrenamt; die Zahlung von Besoldungen oder Entschädigungen war ausgeschlossen (Art. 32). Dieses Diätenverbot wurde später nach mehreren Anläufen aufgehoben. Beamte, welche in den Reichstag gewählt wurden, mussten ihr Amt aber nicht ruhen lassen (Art. 21 Abs. 1). Das führte in der Praxis zu einem deutlichen Überhang an Beamten im Parlament. Die Abgeordneten genossen Immunität (Art. 30 f.). Die Verhandlungen des Reichstags waren öffentlich (Art. 22 Abs. 1).
Das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht aus Art. 20 Abs. 1 unterlag in der Praxis durch ein Wahlgesetz (verfassungsrechtlich bedenklichen) Einschränkungen. Näheres im Unterkapitel „Verfassungspraxis“.
Dem Reichstag standen klassische Parlamentsrechte zu. Er verabschiedete zusammen mit dem Bundesrat die Reichsgesetze auf den Gebieten, auf welchen das Reich Zuständigkeit besaß (Art. 5 Abs. 1). Er hatte ein Gesetzesinitiativrecht (Art. 23). Von großer Wichtigkeit war, dass der Etat des Reiches durch ein Haushaltsgesetz bewilligt werden musste (Art. 69). Das galt auch für den Haushalt der kaiserlichen Marine, nicht jedoch für die Militärhaushalte der Bundesstaaten, die ihre eigenen Heere behielten. Dem Reichstag war über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs jährlich Rechnung zu tragen (Art. 72). Ein wesentliches Defizit des Reichstags war allerdings, dass sich der Reichskanzler als alleiniger verantwortlicher Minister für seine Politik nicht gegenüber dem Reichstag verantworten musste. Der Reichstag konnte weder den Reichskanzler wählen, noch ihm das Misstrauen aussprechen. Eine Verantwortlichkeit des Reichskanzlers gegenüber dem Reichstag wurde erst Oktober 1918 eingeführt („Oktoberverfassung“). Die Politik wurde nie entscheidend vom Reichstag festgelegt, sondern bis 1888 stark vom Reichskanzler Bismarck, danach eher von Wilhelm II bestimmt („persönliches Regiment“). Jedoch schlugen sich in den Reichstagswahlen stets Stimmungen innerhalb der Bürger des Deutschen Reiches nieder, auf die Reichskanzler beziehungsweise Kaiser reagierten. Der Reichstag konnte über das Haushaltsrecht, insbesondere über die Bewilligung des Marinehaushalts, aber auch wegen der Abhängigkeit der Politik von Gesetzen doch erheblichen Einfluss ausüben.
Die Grundrechte
Allgemeines
In der Reichsverfassung gab es keinen Grundrechtskatalog. Da auf der Grundlage der Verfassung von 1871 in erster Linie die Länder Verwaltungskompetenzen besaßen und insofern gegenüber den Bürgern als diejenigen Akteure auftraten, die durch ihr Verwaltungshandeln in bürgerliche Grundrechte eingriffen, machte es durchaus Sinn, dass Grundrechte in den Verfassungen der Einzelstaaten verbürgt waren. Einen Grundrechtskatalog auf Bundesebene gab es erst seit 1919. Lediglich ein Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Staatsangehörigkeit eines Bundesstaates (Inländergleichbehandlung) war nach Art. 3 Abs.1 der Verfassung vorgesehen.
Grundrechte in den Bundesstaaten
Die fehlende Festschreibung der Grundrechte muss nicht zwangsläufig zum Obrigkeitsstaat führen, wie das Beispiel Englands zeigt, wo auch ohne geschriebenen Grundrechtskatalog die Menschenrechte gewahrt wurden. Umgekehrt hat der Weimarer Republik ihr Grundrechtskatalog gegen die restaurativen bzw. totalitären Kräfte nur wenig geholfen. Praktisch hat sich das weitgehende Fehlen von Grundrechten in der Reichsverfassung kaum ausgewirkt, weil nicht dem Reich, sondern den Bundesstaaten, neben dem Vollzug der Landesgesetze, wie geschildert größtenteils auch der Vollzug der Reichsgesetze oblag. Ganz überwiegend wurden daher nur die Bundesstaaten gegenüber dem Bürger rechtseingreifend tätig. Maßgeblich waren daher die in den Verfassungen der Bundesstaaten garantierten Grundrechte. Das galt nicht für das Reichsland Elsaß-Lothringen, welches Kronbesitz war.
Lehre vom Gesetzesvorbehalt
Die Bindung der Staatsorgane an die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte kann auch außerhalb der Verfassungsurkunde verbürgt sein, wie es heute beispielsweise in England und Frankreich der Fall ist. Im Kaiserreich wurde das Fehlen eines Grundrechtsteils durch die Rechtsprechung und die konstitutionelle Verfassungstradition aufgefangen, welche für Eingriffe in die Freiheit und das Eigentum des Bürgers eine Regelung durch Parlamentsgesetz als erforderlich ansah. (Lehre vom Gesetzesvorbehalt). Der Lehre vom Gesetzesvorbehalt gemäß bedarf jeder Eingriff in Freiheit und Eigentum der Bürger eines formalen Parlamentsgesetzes („kein Rechtseingriff ohne Gesetz“). Diese führte weit über die Lehre vom Vorrang des Gesetzes hinaus („kein Rechtseingriff gegen ein bestehendes Gesetz“). Durch diese Lehre wurde durch die „Hintertür“ ein Grundrechtsschutz eingeführt, weil die Rechtfertigungsbedürftigkeit staatlicher Eingriffe funktional den Grundrechten gleichstand.
Die Verfassungspraxis
Die Reichsleitung
Die Verfassung sah einen Ministerrat (kollegiales Spitzenorgan der Exekutive) nicht vor. Bismarck, der die Verfassung maßgeblich mit ausgearbeitet hatte, hatte befürchtet, eine Regierung könnte der parlamentarischen Kontrolle des Parlaments unterstellt werden. An Stelle eines solchen kollegialen Staatsorgans stand deshalb ausschließlich der Reichskanzler als einziger verantwortlicher Reichsminister. Zu seiner Unterstützung schuf sich Bismarck das Reichskanzleramt, das von Staatssekretär Delbrück geleitet wurde. Wegen dessen Komplexität lagerte Bismarck Abteilungen des Reichskanzleramtes in gesonderte oberste Reichsbehörden (Reichsämter) aus, die ihrerseits von Staatssekretären geleitet wurden. Daneben sollte diese Auffächerung die Machtstellung Delbrücks einschränken. Die Staatssekretäre waren keine Minister, die ihren Aufgabenbereich eigenverantwortlich wahrnahmen (Ressortprinzip), sondern Untergebene des Reichskanzlers. Das Stellvertretungs-Gesetz machte dieses Praxis der Stellvertretung des Reichskanzlers in einem bestimmten Ressort oder in all seinen Aufgabenbereichen möglich. Der Reichskanzler behielt sich vor, Vorgänge aus den Reichsämtern jederzeit an sich zu ziehen. 1871 entstand das Auswärtige Amt, 1873 das Reichseisenbahnamt, 1876 das Reichspostamt, 1877 das Reichsjustizamt, 1879 das Reichsschatzamt und das Reichsamt des Inneren, 1889 bildete sich das Reichsmarineamt und 1907 schlussendlich das Reichskolonialamt. Neben diesen von Staatssekretären geleiteten Reichsämter, gab es noch andere obere Reichsbehörden: Rechnungshof (1871), Statistisches Amt (1872), Reichsschuldenverwaltung (1874), Kaiserliches Gesundheitsamt (1876), Patentamt und Reichsgericht (1877), Reichsversicherungsamt (1884).
Außenpolitik
Der schwachen Rolle des Reiches in der Innenpolitik, stand eine starke Rolle in der Außen- und Militärpolitik entgegen. Die Außenpolitik (völkerrechtliche Vertretung, Bündnisse und Verträge mit fremden Mächten, Erklärung von Krieg und Frieden, Gesandte zu beglaubigen) stand nach Art. 11 der Verfassung dem Kaiser zu. Damit führte das Reich die Außenpolitik weitgehend selbständig. Der Bundesrat wirkte dabei mit, indem er einer Kriegserklärung des Reiches zustimmen musste, es sei denn das Reich wurde angegriffen und Verträgen, welche die Reichsgesetzgebung berührten, musste zugestimmt werden. Die Bundesstaaten konnten aber untereinander und auch an fremde Mächte Diplomaten entsenden und Gesandtschaften fremder Staaten akkreditieren. Die Bundesstaaten traten gegenüber ausländischen Staaten nur insoweit in Beziehung, als sie die Verpflichtungen, die sie mit diesen eingegangen waren, auch staatsrechtlich erfüllen konnten. Damit bewendete es sich in der Außenpolitik der Bundesstaaten mit Angelegenheiten, in denen die das Reich nicht tätig werden konnte (z. B. Konkordate).
Verhältnis zwischen Preußen und dem Reich
Der Reichskanzler war mit zwei kurzen Ausnahmen auch preußischer Ministerpräsident und Außenminister Preußens. Als Außenminister Preußens verfügte er über die preußischen Stimmen im Bundesrat. Als Ministerpräsident von Preußen wiederum war er nur Vorsitzender eines Kollegialkabinetts, in welchem der König die Minister berief und entließ. Das Verhältnis Bundesrat zu Reichstag wurde dadurch verkompliziert, dass aufgrund des unterschiedlichen Wahlrechts für beide Parlamente dort auch die gesellschaftlichen Gegensätze im Reich zum Tragen kamen; im Bundesrat waren eher die besitzenden Klassen vertreten, im Reichstag eher die Bürger und Arbeiter. Nicht genug damit, im Reichstag saßen auch die Vertreter der nationalen Minderheiten (Polen, Dänen, Elsässer und Lothringer); mit zunehmender Spannungen dieser Menschen zum Deutschen Reich konnte die Regierung auf deren Gegenstimmen fast mit Sicherheit zählen; im Bundesrat waren die Minderheiten nicht vertreten. In der Praxis sprach die Regierung Gesetzesvorlagen meist mit dem Bundesrat ab, ehe sie dem Reichstag vorgelegt wurden.
Militärische Kommandostruktur
Eine Sonderstellung nahm das Militär ein. Das Reich hatte zwar die Gesetzgebungszuständigkeit für das Militärwesen und die Marine. Ein Reichskriegsministerium war aber nicht vorgesehen. Es gab zwar einen preußischen Kriegsminister, dieser war aber nur für Verwaltungsangelegenheiten des Heeres zuständig. Den eigentlichen Oberbefehl über das Heer hatte der preußische Generalstab, der direkt dem König unterstand. Die Marine hingegen war Reichsangelegenheit und unterstand dem Kaiser, was die Kommandogewalt betraf. Finanzierung und Verwaltung unterstanden dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes und damit indirekt dem Reichskanzler; allerdings hatte der Staatssekretär das Recht, direkt an den Kaiser zu berichten. Die Kommandogewalt des Kaisers wurde durch die Kaiserliche Admiralität (Admiralstab) unterstützt. Daneben existierte noch das Marinekabinett. Das Marinekabinett war eine Art Adjutantur des Kaiser, mit deren Hilfe er die Arbeit von Reichsmarineamt und Admiralstab koordinierte.
Reichstagsauflösungen
Die stärkste Waffe der Regierung gegen den Reichstag war die Reichstagsauflösung, über die der Kaiser allerdings nur mit Zustimmung des Bundesrats verfügen konnte. Schon Bismarck machte davon Gebrauch. Oft, z. B. bei der Flottenvorlage 1898 reichte auch schon die Drohung mit Neuwahlen, um den Reichstag gefügig zu machen. Im Hintergrund gab es noch die Drohung, das Reich, das ja durch Vertrag mit den Bundesfürsten gegründet wurde („Stiftung des Bundesfürsten“), mit deren Hilfe wieder aufzulösen und mit einer anderen Verfassung neu zu gründen (verfassunggebende Gewalt der Bundesfürsten). Die Verfassung enthielt allerdings keine Kündigungsklausel; ein solches Vorgehen hätte einen Staatsstreich bedeutet. Das erste Mal kam diese Drohung unter Bismarck 1890 ins Spiel.
Finanzverfassung des Reichs
Die stärkste Waffe des Reichstags gegen die Regierung war der Haushalt, der vom Reichstag genehmigt werden musste; das betraf auch den Marinehaushalt. Häufig handelten die Parteien ihre Zustimmung zum Haushalt gegen andere Zugeständnisse aus. Das politische „Schwergewicht“ des Haushaltsgesetzes wurde aber durch die Finanzverfassung des Reichs relativiert. Denn die Ertragshoheit des Reichs war relativ schwach ausgeprägt. Dem Reich standen Zölle und – allgemein gesprochen – Verbrauchssteuern zu, den Ländern Steuern auf Besitz und Einkommen. Überschüsse lieferte das Reich an die Länder ab (in den ersten Jahren kam dies tatsächlich auch vor!), Defizite wurden durch sogenannte Matrikularbeiträge von den Ländern gedeckt. Mit wachsenden Ausgaben des Reichs wurde das Defizit zur Regel. Natürlich wehrten sich die Länder nach Kräften gegen steigende Matrikularbeiträge. So wollte z. B. der Kaiser gern eine starke Marine, war aber als König von Preußen strikt gegen eine Beitragserhöhung. Eine Finanzreform kam der Quadratur des Kreises gleich, da aufgrund der unterschiedlichen Interessen in beiden Häusern der Reichstag eher für Vermögenssteuern und der Bundesrat eher für Verbrauchssteuern war. Erst 1909 kam es – nach vielen vergeblichen Anläufen – zu einer Finanzreform, die dem Reich über Verbrauchssteuern (Bier, Schnaps und Tabak) zu einigermaßen ausreichenden Einnahmen verhalf.
Verfassung unter Wilhelm II.
Solange Bismarck regierte, fielen alle diese Komplikationen nicht so stark ins Gewicht, da er dank seiner persönlichen Autorität und der (nahezu) uneingeschränkten Unterstützung durch den alten Kaiser auch dort Einfluss ausübte, wo er formal nicht zuständig war. Als jedoch Wilhelm II. begann, seine Rechte voll wahrzunehmen bzw. aus verfassungsrechtlicher Sicht überzustrapazieren, wurden die Probleme deutlich sichtbar. Dazu kam dann noch eine dritte Instanz, die Kabinette des Kaisers (Zivil, Heer und Marine), die zwar in der Verfassung nicht vorkamen, aber aufgrund ihrer ständigen Nähe zum Kaiser erheblichen Einfluss gewannen – selbst ein so mächtiger Mann wie Tirpitz hatte einige Mühe, sich dagegen durchzusetzen.
Wahlrecht
Das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht aus Art. 20 Abs. 1 unterlag in der Praxis durch das Wahlgesetz erheblichen Einschränkungen. Gewählt wurde nach dem Mehrheitswahlrecht. Kam es im ersten Wahlgang zu keiner absoluten Mehrheit, fand eine Stichwahl zwischen den ersten zwei Kandidaten statt. Die Wahlkreise von 1871 wurden bis zum Ersten Weltkrieg nicht neu eingeteilt. Dies führte dazu, dass die ländlichen Kreise mit ihren mehr konservativen Stimmen deutlich überrepräsentiert waren. Diese Verzerrungen führten zu einer bedenklichen Gefährdung der Stimmengleichheit. Allerdings wurde er im Unterschied zu vielen Parlamenten der Bundesstaaten nach einem allgemeinen und gleichen Wahlrecht und nicht nach einem Dreiklassenwahlrecht bestimmt. Die Allgemeinheit der Reichstagswahl wurde dadurch beschränkt, dass zu den Reichstagswahlen bis 1918 nur Männer ab 25 Jahren wahlberechtigt waren, obwohl solche Einschränkungen in der Verfassung nicht vorgesehen waren. Begründet wurde die Rechtmäßigkeit dieser Einschränkung damit, dass die Verfassungsväter wie selbstverständlich davon ausgegangen wären, dass nur Männer und nur Erwachsene wahlberechtigt seien.
Im Jahr 1919 wurde die Bismarcksche Reichsverfassung durch die Weimarer Reichsverfassung abgelöst.
Quellen
- ↑ Werner Frotscher, Bodo Pieroth: Verfassungsgeschichte, 5. Aufl., München 2005, Rn 383.
Siehe auch
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