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Unter Denunziation (Herkunft: lat. denuntiare = absprechend berichten, Anzeige/Meldung machen, lat. denuntiatio = Ankündigung, Anzeige, Androhung) versteht man die (häufig anonyme und/oder öffentliche) Beschuldigung oder Anzeige einer Person. Der Begriff enthält eine persönliche negative Wertung dieses Vorgangs und wird z. B. nicht verwendet, wenn die Anzeige gesellschaftlich akzeptiert ist, wie etwa bei Mord oder Vergewaltigung.
Im ethischen Sinn wird allgemein von Denunziation gesprochen, wenn in einem nicht freiheitlichen System Menschen bei staatlichen Vollzugsbehörden angezeigt werden, obwohl dem Anzeigenden klar sein muss, dass er sie damit der Gefahr der politisch motivierten Verfolgung aussetzt. (Siehe beispielsweise: Heimtückegesetz)
Klatsch und Denunziation sind eng miteinander verwobene Kommunikationsprozesse, die häufig der Ausgrenzung Einzelner dienen. Die Denunziation zeichnet dabei die Besonderheit aus, dass sie an eine übergeordnete Instanz (Vorgesetzte, Partei, staatliche Stellen) ergeht, von der – in aller Regel unausgesprochen – Sanktionen gegen die Betroffenen erwartet werden. Insofern ist sie ein Mittel der sozialen Kontrolle, das die „höhere Instanz“ gern zu instrumentalisieren versucht. Nicht selten treten Neid und Rachegefühle als Motive für Denunziation zu Tage, die dann als gesellschaftspolitisches oder gar staatserhaltendes Anliegen verbrämt wird.
Im Gegenzug kann Denunziation aber auch ganz gezielt Mittel zum Zweck staatlicher Informationsbeschaffung sein und dabei so unterschiedlichen Zwecken dienen wie der Entnazifizierung in den Ost- und Westzonen Nachkriegsdeutschlands oder der „Volkskontrolle“ beim Aufbau einer neuen Gesellschaft in der DDR. So kann Denunziation je nach Sichtweise als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und als Straftatbestand gewertet, aber auch als Zeichen „antifaschistischer Wachsamkeit“ (Erich Mielke 1948) anerkannt werden.[1]
Vielfach besteht in Diktaturen eine gesetzliche Pflicht zur Denunziation. So regelte § 225 des Strafgesetzbuch der DDR die Pflicht der DDR-Bürger zur Strafanzeige, wenn sie Kenntnis von bestimmten als schwer eingestuften Straftaten hatten. Derartige Regelungen bestehen auch in Rechtsstaaten (z. B. in Deutschland in § 138 StGB). In der DDR umfasste die Aufzählung der schweren Straftaten deutlich mehr Handlungen als in der Bundesrepublik Deutschland und umfasste auch Sachverhalte wie Republikflucht oder die „Weitergabe von nicht geheim zu haltenden Nachrichten zum Nachteil der DDR“ (§ 99), die im Rechtsstaat nicht verfolgt werden. Auch war Anzeigebehörde für diese Sachverhalte nicht die Polizei oder Staatsanwaltschaft sondern die Anzeige musste beim Ministerium für Staatssicherheit vorgenommen werden.
Im Nationalsozialismus wurde das Gesetz zur Bestrafung von falscher Anschuldigung verschärft, zugleich aber eine Fülle von Denunziationsmöglichkeiten geboten – ohne dabei jedoch eine Denunziationspflicht zu statuieren. Im Westen Nachkriegsdeutschlands hingegen wurde – sieht man von den Aufforderungen der Militärregierung zur aktiven Mithilfe bei der Entnazifizierung ab – auf einer eher informellen Ebene über Denunziation als Mittel zur Lösung von Konflikten wie als Positionsbestimmung in der neuen demokratischen Ordnung verhandelt. „Der Vergleich der Gesellschaftsformen gibt uns auch einen Einblick, wie sich Rechts- und Unrechtsbewusstsein des Einzelnen auf Grund der Interventionen von Staat und Justiz verändern und verhaltensanleitend werden können“.[1]
Eine Denunziation unter Kindern oder Schülern wird umgangssprachlich als Petzen bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Andere Wortbedeutung
Im älteren Diplomatendeutsch war die „Denunziation“ auch der Widerruf eines Vertrages.
Literatur
- Karol Sauerland: Dreissig Silberlinge: Denunziation: Gegenwart und Geschichte. Verl. Volk und Welt, Berlin 2000, ISBN 3-353-01097-1.
- Inge Marßolek, Olaf Stieglitz (Hrsg.): [1] (= Special Issue von Historical Social Research / Historische Sozialforschung, HSR Vol. 26, 2001, Nr. 2/3; free download: [2] HSR-Retro)
- Bernward Dörner: NS-Herrschaft und Denunziation: Anmerkungen zu Defiziten in der Denunziationsforschung. In: Historical Social Research. 26, Nr. 2/3, 2001, S. 55-69 (http://hsr-trans.zhsf.uni-koeln.de/hsrretro/docs/artikel/hsr/hsr2001_519.pdf).
Einzelnachweise
- ↑ a b „Denunziation – Instrument sozialer Kontrolle“ zum sozialen Hintergrund
Weblinks
- „Denunciation“ in der Catholic Encyclopedia zum kirchenrechtlichen Hintergrund
- Christian Bommarius, Der Bürger als Denunziant („Berliner Zeitung“, 9. März 2006 – vgl. Falsche Verdächtigung)
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