- Versuchspilot
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Ein Testpilot ist ein erfahrener Pilot, der ein Fluggerät oder ein Avioniksystem erprobt. Der Testpilot erfliegt dabei die Grenzbereiche des Fluggeräts: Es werden in einem genau festgelegten Testprogramm unter Anderem maximale und minimale Geschwindigkeiten erflogen, maximale Startgewichte ausgetestet, sowie das Überzieh- und Trudelverhalten des Fluggeräts erprobt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die ersten systematischen Test von Flugzeugen wurden im Ersten Weltkrieg am Royal Aircraft Establishment (RAE) in Großbritannien durchgeführt. In den 1920er-Jahren wurden diese Testflüge, sowie deren Durchführung am RAE und bei der NACA in den USA weiter voran getrieben. Als die NACA 1958 in die NASA überging und der Schwerpunkt der Testflüge sich in die Bereiche Stabilität und Handling verlegte, entwickelte sich die Arbeit des Testpiloten hin zu einer viel mehr technisch-wissenschaftlichen betonten Vorgehensweise. Ebenfalls wurde ab dieser Zeit mehr Wert auf die Qualität, sowie die Reproduzierbarkeit der Testflüge gelegt.
Als älteste Testpilotenschule wird die heutige Empire Test Pilots' School (ETPS) in Wiltshire, Großbritannien, bezeichnet. Die wichtigsten Testpilotenschulen in Nordamerika sind die Testpilotenschule der US-Air-Force auf der Edwards Air Force Base, die Testpilotenschule der US-Navy auf der Naval Air Station Patuxent River, Maryland, und die private Testpilotenschule NTPS auf dem Mojave Airport in Kalifornien. In Europa existieren außer der ETPS noch EPNER (Ecole du Personnel Navigant d'Essai et de Reception) in Frankreich, das Zentrum der Raumfahrtausbildung und Flugerprobung im Michail Gromow Luftfahrtforschungsinstitut in Schukowski in der Nähe von Moskau, Russland und die ebenfalls private ITPS (International Test Pilots School) in Woodford, Großbritannien. Weitere Testpilotenschulen existieren zum Beispiel in Brasilien und Indien.
Ausbildung
Um Testpilot zu werden, muss ein Anwärter die folgenden klassischen Eigenschaften, neben einer abgeschlossenen Pilotenausbildung, mitbringen:
- Die Fähigkeit, ein vorgegebenes Testprogramm zu verstehen und es mit höchstmöglicher Präzision umzusetzen,
- die Fähigkeit, jeden Test genau und umfassend zu dokumentieren,
- ein ausgezeichnetes Gespür für das Fluggerät und die Fähigkeit, ungewöhnliche Verhaltensweisen des Fluggeräts während eines Tests genau zu analysieren,
- die Fähigkeit, Probleme mit dem Fluggerät während eines Tests schnell zu lösen, und
- die Fähigkeit, mit vielen (schiefgehenden) Dingen gleichzeitig fertigzuwerden (Multitasking).
Daneben benötigt ein Testpilot im Allgemeinen ein naturwissenschaftliches Studium, sowie ein sechs- bis zwölfmonatiges Studium an einer der international anerkannten Testpilotenschulen. Das Studium gliedert sich, am Beispiel der Testpilotenschule der US-Air-Force, in: Theoretischer Unterricht, Training im Simulator und praktische Übungen im Flugzeug. Es besteht dort aus den vier Hauptphasen „Durchführung & Effizienz“, „Fliegerische Fähigkeiten“, „Systeme“ und „Testmanagement“. Das Studium gilt als äußerst anspruchsvoll und vermittelt dem angehenden Testpiloten alle Fähigkeiten um ein beliebiges Fluggerät sowie beliebige Avioniksysteme nach dem Studium zu fliegen und zu testen.
Aufgaben
Testpiloten arbeiten für militärische oder zivile Organisationen, wie Flugzeughersteller oder Fluggesellschaften, in verschiedenen Aufgabenbereichen vom Erstflug eines neuen Flugzeugprototyps, über die Erprobung des Flugzeuges und seiner Ausrüstung bis hin zur Endabnahme eines Serienflugzeugs vor Auslieferung an den Kunden. Diese fliegerische Erprobung umfasst unter Anderem das Erfliegen der Grenzbereiche, also zum Beispiel der Mindest- und Maximalgeschwindigkeiten in verschiedenen Konfigurationen (ein- und ausgefahrenes Fahrwerk, verschiedene Klappenstellungen, usw.). Ebenso wird das Verhalten des Fluggeräts in ungewöhnlichen Flugzuständen, wie im Trudeln oder im Strömungsabriss untersucht. Die Methoden, wie diese Flugzustände zu vermeiden und ggfls. wieder auszuleiten sind, werden ebenfalls während der fliegerischen Erprobung von Testpiloten (mit-)entwickelt. Weiterhin werden maximale Abflug- und Landegewichte ermittelt und erprobt, Notverfahren bei Ausfällen von Komponenten des Fluggeräts entwickelt und erprobt, sowie effiziente Methoden der Bedienung des Fluggerätes entwickelt. Natürlich werden ebenso die Komponenten und Systeme eines neuen Flugzeuges vor der Übergabe an den Kunden von Testpiloten im Flug umfassend überprüft.
Neben der fliegerischen Erprobung sind Testpiloten an der Entwicklung der Testprogramme, der Dokumentation, sowie der Auswertung der einzelnen Tests beteiligt und können dort aufgrund ihrer Ausbildung den Entwicklungsingenieuren Feedback zu den gestesteten Flug- und Avioniksystemen geben. Ebenso gehört die Ausbildung der Ausbilder (zum Teil) zu ihren Pflichten. Zu guter Letzt werden Testpiloten zur Flugunfalluntersuchung als Spezialisten oder für Tests herangezogen.
Gefahren
Bei Testflügen kann es jederzeit zu ungewöhnlichen Situationen kommen. Sei es, weil Komponenten und Systeme ausfallen, oder weil sie anders reagieren als vorgesehen. Je nachdem, ob und wie ein Testpilot auf diese Situationen reagiert, besteht das Risiko eines schweren Unfalls oder im schlimmsten Fall eines Absturzes. Zur Minimierung dieser Gefahren werden Testprogramme deshalb normalerweise schrittweise aufeinander aufbauend ausgelegt. Ebenso werden Testprogramme immer mehr durch Computer und Simulationen ersetzt oder vorausberechnet. Dadurch reduziert sich das Risiko für den Testpiloten deutlich.
Weitere Testpiloten
Ebenfalls als Testpilot bezeichnet werden Piloten, die neue Fluggeräte in verschiedenen Flugsportarten, z.B. Gleitschirme, Hängegleiter oder Speedflyer probefliegen und testen. Auch hier werden, genau wie im Flugzeug, Geschwindigkeiten erflogen und Grenzbereiche ausgetestet. Da es sich um Sportgeräte handelt, die zum Teil später von wenig erfahrenen Piloten geflogen werden, spielt in diesen Tests zusätzlich die Reaktion des Fluggeräts auf verzögerte und falsche Reaktionen des Piloten eine große Rolle. Obwohl diese Testpiloten durch ihre Rückmeldungen zum Flugverhalten des Fluggeräts großen Einfluss auf die Konstruktion haben, wird selten ein naturwissenschaftliches Studium vorausgesetzt; es „genügen“ weit überdurchschnittliches Können und langjährige Erfahrung.
Im Motorsport werden zum Beispiel in der Formel 1 Fahrer als Testpiloten bezeichnet, die die Rennwagen neben den regulären Fahrern erproben, aber nicht in den Rennen antreten. Ein anderer gebräuchlicher Begriff in diesem Zusammenhang ist Testfahrer.
Testpiloten in der Raumfahrt
Vom 17. Juli 1962 bis zum 21. August 1968 erreichten 13 Flüge der X-15 eine Höhe von über 50 Meilen. Nach US-Definition beginnt dort der Weltraum, sodass die acht Piloten dieser Flüge in den USA als Raumfahrer gelten. Die fünf militärischen Piloten Robert White, Robert Rushworth, Joe Engle, William Knight und Michael Adams erhielten für diese Leistung Astronautenschwingen als Auszeichnung. Die drei am X-15-Programm beteiligten zivilen Piloten wurden erst am 24. August 2005 mit den Schwingen geehrt. Bill Dana nahm die Auszeichnung selbst in Empfang; die verstorbenen Piloten Joe Walker und John McKay wurden durch Angehörige vertreten.
Nach Definition der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) liegt die Grenze zum Weltraum bei 100 km. Nur zwei der X-15-Flüge überschritten diese Grenze: Flug 90 am 19. Juli 1963 mit 106.010 m und der Flug am 22. August 1963 mit 107.960 m. Beide Male war der Pilot Joe Walker, sodass er, nach internationaler Definition, der einzige Pilot war, der mit der X-15 den Weltraum erreichte.
Die ersten sieben Astronauten des NASA-Weltraumprogramms Alan Shepard, Virgil Grissom, John Glenn, Scott Carpenter, Walter Schirra, Deke Slayton, Gordon Cooper waren durchweg militärische Testpiloten. Auch heute noch sind viele der Piloten des Space Shuttle ehemalige Testpiloten.
Berühmte Testpiloten
- Ernst Udet - Fliegerass des Ersten Weltkriegs und Kunstflieger
- Erich Warsitz - erster Flug eines Jet-Flugzeuges (Heinkel He 178, 27. August 1939) und eines Flüssigkeits-Raketenflugzeuges (Heinkel He 176, 20. Juni 1939)
- Heini Dittmar - erster Flug mit einer Geschwindigkeit von mehr als 1000 km/h (1003,67 km/h, 2. Oktober 1941, Messerschmitt Me 163 „Komet“)
- Ludwig Hofmann - Jungfernflug mit der Flettner Fl 282 Kolibri, dem ersten einsatzfähigen Hubschrauber der Welt
- Hanna Reitsch - 40 Rekorde in allen Klassen und Flugzeugtypen
- Erich Klöckner - erster Segelflug am Rand der Stratosphäre 11. Oktober 1940 (erreichte Höhe: 11.460 m)
- Lothar Sieber - erster bemannter senkrechter Raketenstart am 1. März 1945 mit der Bachem Ba 349 „Natter“ (dabei tödlich verunglückt)
- Chuck Yeager – erster Überschallflug 1947
- Michael James Adams - verunglückte tödlich mit der X-15
- Albert Scott Crossfield - erster Flug mit Mach 2 (1953)
- Neil Armstrong - erster Mensch auf dem Mond
- Pete Knight - bisher schnellster Pilot eines Flugzeugs mit Mach 6,72 (3. Oktober 1967)
- Michail Michailowitsch Gromow - flog 1937 10148 Kilometer von Moskau nach San Jacinto/Kalifornien und überquerte dabei den Nordpol
- Mark Lasarewitsch Gallai - testete mindestens 124 Flugzeugtypen
- Wladimir Kokkinaki - gab während seiner 40jährigen Laufbahn kein einziges Flugzeug auf
- Heinz Scheidhauer - war Testpilot bei Gebrüder Horten und überflog als erster Mensch im Segelflugzeug die Anden
Siehe auch
Literatur
- Yeager, Chuck Yeager: An Autobiography. G K Hall & Co, 1986. ISBN 0-8161-4023-5
- Hallion, Richard P. Test Pilots: Frontiersmen of Flight. Washington, DC: Smithsonian Press, 1988. ISBN 0-87474-549-7.
- Lutz Warsitz: Flugkapitän Erich Warsitz – Der erste Düsenflugzeugpilot der Welt, Books on Demand, Norderstedt, 2006, ISBN 3-8334-5378-8, Buchinfo
- Lutz Warsitz: THE FIRST JET PILOT – The Story of German Test Pilot Erich Warsitz, Pen and Sword Books Ltd., England, 2008, ISBN 9781844158188, Buchinfo
Weblinks
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