Verzerrungsgrad

Verzerrungsgrad

Der Klirrfaktor, Formelzeichen k (typischerweise als dimensionslose Verhältniszahl oder in Prozent angegeben), ist ein Maß für die durch nichtlineare Baugruppen erzeugten unerwünschten Verzerrungen. Der Klirrfaktor ist ähnlich dem englischen THD (engl. total harmonic distortion, Gesamtklirrfaktor).

Üblicherweise geht es dabei um elektrische oder akustische Signale in Baugruppen, die den Klang nicht beeinflussen, d. h. einen möglichst geringen Klirrfaktor haben sollen. Bei Anwendungen von nichtlinerarer Verzerrung zur erwünschten Klangbeeinflussung in Effektgeräten wird also nicht vom Klirrfaktor gesprochen.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Der Klirrfaktor k gibt an, wie stark die Oberschwingungen (Harmonischen), die bei der Verzerrung eines sinusförmigen Signals entstehen, im Vergleich zum Gesamtsignal sind. Es ist das Verhältnis des Oberschwingungs-Effektivwertes zum Gesamt-Effektivwert einschließlich Grundschwingungsanteil. Für ein harmonisches Signal ergibt sich der Gesamtklirrfaktor (Klirrfaktor) zu:


k = \sqrt{\frac {\bar U^2_2 + \bar U^2_3 + \bar U^2_4 + \dots} {\bar U^2_1 + \bar U^2_2 + \bar U^2_3 + \bar U^2_4 + \dots}}

Häufig werden die Anteile der einzelnen Oberschwingungen getrennt bestimmt:


k_2 = \sqrt{\frac {\bar U^2_2} {\bar U^2_1 + \bar U^2_2 + \bar U^2_3 + \bar U^2_4 + \dots}}

k_3 = \sqrt{\frac {\bar U^2_3} {\bar U^2_1 + \bar U^2_2 + \bar U^2_3 + \bar U^2_4 + \dots}}

k_n = \sqrt{\frac {\bar U^2_n} {\bar U^2_1 + \bar U^2_2 + \bar U^2_3 + \bar U^2_4 + \dots}}

Der Klirrfaktor k ist immer kleiner/gleich 1 und wird daher meistens in Prozent angegeben. Häufig wird der Klirrfaktor als Klirrdämpfung in Dezibel (dB) angegeben.


D_k = 20\,\mathrm{dB} \cdot \log_{10} k \,

(−)20 dB Klirrdämpfung entsprechen also einem Klirrfaktor von 10 %, (−)40 dB sind 1 %, (−)60 dB bedeuten 0,1 %.

Einige Physiker bestehen darauf, dass die Klirrdämpfung einen positiven dB-Wert haben müsse; in der Praxis wird jedoch ein negativer Wert für Dämpfung und ein positiver Wert für Verstärkung angenommen.

Herkunft des Wortes klirren

Die durch die nichtlinearen Verzerrungen des Audiosignals verursachten unerwünschten Oberschwingungen werden als unangenehme, hochfrequente Geräusche wahrgenommen, die an ein Klirren erinnern. Das Wort klirren ist der Versuch der Wiedergabe eines nichtsprachlichen Geräuschs als lautmalendes Wort (Onomatopoesie).

Wie entsteht das Klirren?

Der Klirrfaktor entsteht in jeder Baugruppe, da die verwendeten Bauteile, insbesondere Halbleiter und Röhren, nichtideale Eigenschaften (Nichtlinearitäten) aufweisen. Insbesondere bei Leistungsverstärkern muss ein Kompromiss zwischen Klirrfaktor und Verlustleistung bzw. Schaltungsaufwand gefunden werden. Bei niedrigen Frequenzen spielen oft thermische Prozesse eine Rolle, die durch die Eigenerwärmung der Baugruppe und die damit einhergehenden Änderungen der Betriebsparameter zu Verzerrungen führen.

Bauelemente mit starken nichtlinearen Eigenschaften:

Bauelemente mit schwächeren nichtlinearen Eigenschaften:

Durch Gegenkopplung kann der Einfluss der nichtlinearen Bauteile auf die Nichtlinearität der Baugruppe verringert werden.

Wird ein Sinussignal in eine (nichtlineare) Baugruppe (z. B. Verstärker, Operationsverstärker) eingespeist, so enthält das Ausgangssignal Oberschwingungen. Diese Oberschwingungen lassen sich mit Hilfe der Fouriertransformation (in trivialeren Fällen mit der Fourierreihenentwicklung) spektral darstellen.

Praxis

Das menschliche Gehör ist, in Abhängigkeit von der Frequenz, für Verzerrungen (Klirr) empfindlich. 5 % Klirrfaktor im Bassbereich sind meist nicht wahrnehmbar. Im Präsenz- bzw. Brillianzbereich (1 bis 4 kHz), wo das Gehör am empfindlichsten ist, können unter bestimmten Bedingungen Verzerrungen auch noch unter 0,5 % hörbar sein. Die Hörbarkeit von Klirr in der elektroakustischen Übertragung (Hifi) hängt jedoch auch stark von der Beschaffenheit des Nutzsignales (Musik, Sprache) und dessen Spektrum ab. Mehrere sinusähnliche Klänge gelten als am empfindlichsten gegen Klirr. Etwa beim Zusammenspiel mehrerer Flöten kann Klirr schon ab 0,5 % gehört werden, da hier sehr obertonarme Klänge vorliegen. Bei Sprache oder anderen spektral „dichten“ Klängen und Geräuschen, wie z. B. Schlagzeug, ist Klirr erst bei deutlich größeren Klirrfaktoren hörbar.

Elektroakustische Geräte erzeugen unterschiedlich starken Klirr. Hifi-Verstärker sind heute meistens so konstruiert, dass der von ihnen erzeugte Klirrfaktor in weiten Bereichen völlig unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt (Klirrfaktoren unter 0,1 %), es sei denn, man nähert den Verstärker seiner Leistungsgrenze. Klirr entsteht zumeist bei der Schallwandlung im Lautsprecher. Diese erzeugen frequenzabhängig, gerade bei höheren Pegeln (>95 dBSPL) oft hörbaren Klirr. Auch Tonabnehmer für Langspielplatten sowie die Rille selbst klirren mit Werten oberhalb der Wahrnehmungsschwelle.

Weiteres

Der Klirrfaktor bleibt gering, wenn der Oberschwingungsanteil bzw. nichtlineare Verzerrungen gering bleiben. Das heißt: ein Verstärker produziert keine „Nebengeräusche bzw. -signale“.

Der Klirrfaktor beschreibt nur „Nebengeräusche“, die als Frequenz ein ganzzahliges Vielfaches der Grundfrequenz haben, also harmonische Oberschwingungen. Bei Audio-Verstärkern wird mit unwahrscheinlich kleinen Klirrfaktoren Werbung gemacht. Jedoch sind harmonische Oberschwingungen etwas sehr natürliches und werden vom menschlichen Ohr nur sehr schwer wahrgenommen oder auch als angenehm empfunden. Mit ungeschultem Gehör kann man einen Klirrfaktor von unter 5 %, mit einem empfindlicheren unter 1 % nicht mehr wahrnehmen. Viel störender sind nicht-harmonische Verzerrungen, die durch Transientenintermodulation (TIM) oder auch Frequenzintermodulation (FIM) entstehen.

Der in der Elektrotechnik verwendete Begriff Effektivwert (auch RMS) ist dem mathematisch verwendeten quadratischen Mittelwert prinzipiell gleich. Er wird meistens differenziell über die Zeit t gemittelt.

Bei nichtlinearen Verzerrungen wird zwischen quadratischem Klirrfaktor einer unsymmetrischen Kennlinie mit den Klirrfaktoren k2, k4, k6 und dem kubischem Klirrfaktor einer symmetrischen Kennlinie mit den Klirrfaktoren k3, k5 und k7 unterschieden (Weiterführendes siehe Weblink).

Literatur

  • Thomas Görne: Tontechnik. 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, Leipzig, 2006, ISBN 3-446-40198-9
  • Roland Enders: Das Homerecording Handbuch. 3. Auflage, Carstensen Verlag, München, 2003, ISBN 3-910098-25-8
  • Gustav Büscher, A. Wiegemann: Kleines ABC der Elektroakustik. 6. Auflage, Franzis Verlag, München, 1972, ISBN 3-7723-0296-3
  • Helmut Röder, Heinz Ruckriegel, Heinz Häberle: Elektronik 3.Teil, Nachrichtenelektronik. 5. Auflage, Verlag Europa Lehrmittel, Wuppertal, 1980, ISBN 3-8085-3225-4
  • Horst Clausert, Gunther Wiesemann: Grundgebiete der Elektrotechnik 2 9. Auflage, Oldenbourg Verlag, München, 2005, ISBN 3-486-27582-8

Siehe auch

Weblinks


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