- Victoria (Motorrad)
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Die Zweirad-Marke Victoria wurde 1886 zuerst als „Frankenburger und Ottenstein Nürnberg“ gegründet, ging 1958 mit in die Zweirad Union über und endete 1968 mit der Übernahme durch Hercules.
Inhaltsverzeichnis
Firmengründung und erste Fabrikate
1886 gründeten Max Frankenburger und Max Ottenstein das Unternehmen „Frankenburger und Ottenstein Nürnberg“ in Nürnberg. Es wurden zuerst Hochräder und sogenannte Sicherheitsräder produziert. 1888 verließ das tausendste Victoria–Fahrrad die Fertigungshallen, und 1893 hatte das Werk 259 Mitarbeiter. 1895 wurde das Unternehmen in die „Victoria Fahrradwerke AG, vormals Frankenburger und Ottenstein“ umbenannt. Das Aktienkapital betrug 1,5 Millionen Mark. Als man 1899 mit dem Bau von Motorrädern beginnen wollte, wurde der Name des Werkes in „Victoria Werke AG“ geändert.
1896 gab es die ersten Fahrräder mit Luftreifen, die von Dunlop zugekauft wurden. 1900 war die Entwicklung zum ersten „Victoria-Motorwagen“ abgeschlossen, welcher auf der damaligen Motorwagenausstellung in Nürnberg mit der „Goldenen Medaille“ ausgezeichnet wurde. Die Serienproduktion lief noch nicht an, auf Wunsch jedoch wurden einzelne Exemplare für den Verkauf gefertigt. 1901 stellte Victoria die ersten Motorräder her. Diese hatten 1,75 PS, einen Oberflächenvergaser und einen Flachriemen zur Kraftübertragung. Das Öl musste regelmäßig mit einer Handpumpe gefördert werden. Die Gabel war ungefedert, und das Tretlager des Fahrradrahmens wurde beibehalten. Als Einbaumotoren wurden Aggregate von Fafnir, FN, Cudell, Minerva und Zedel eingesetzt.
1904/1905 entstanden mit einem vorn angebauten zweispurigen „Beiwagen“ Dreiräder auf der Basis des Motorrads. Außerdem wurden jetzt auch offiziell Automobile produziert. Das berühmte „Doctors Cabriolet“, der „kleine Motor-Gepäck-Wagen“; der „Zweisitzer“ sowie die „sechssitzige Limousine“ hatten allerdings nur wenig Erfolg und wurden nur bis 1912 hergestellt. 1906 waren die ersten Zweizylinder-Motorräder mit 2,5 bis 3 PS erhältlich. Wie die ersten Modelle wurden sie mit Pedalen bzw. mit einer Tretkurbel in Gang gesetzt.
Die Victoria-Modelle von 1920 bis 1939
Nach dem Ersten Weltkrieg begann 1920 die Produktion mit dem modernsten Motorrad seiner Zeit, der „KR I“. Sie hatte einen längs eingebauten SV-Zweizylinder-Boxermotor („M II B 15“) von BMW, 494 cm³, zwei Gänge, 6,5 PS und die erste teleskopähnliche Vorderradgabel.
Nachdem BMW eigene Motorräder (Modell R 32) fertigte, fiel die Zulieferung der Motoren weg. Jetzt kam Martin Stolle als neuer Mitarbeiter zu Victoria. Stolle, der zuvor bei BMW tätig war, entwickelte 1922/23 einen neuen, mit OHV–Steuerung versehenen Zweizylinder-Boxermotor mit 9 PS, der in die „KR II“ längs eingebaut wurde. Dieses Aggregat fertigte anfänglich Wilhelm Sedlbauer in München. Später wurde dieses Werk, aus Mangel an Produktionskapazität, von Victoria aufgekauft und die Produktion nach Nürnberg verlagert. 1924 folgte die „KR III“ mit 3 Gängen und 12 PS.
(Die Einbaulagen-Benennung führt stets zu Irritationen. Maßgeblich ist die Achse der Kurbelwelle, sie liegt beim Quermotor quer zur Fahrtrichtung. Die BMW-Boxer mit „querstehenden“ Zylindern sind beispielsweise längslaufende Motoren, weil Kurbelwellenachse und Fahrtrichtung parallel liegen. Die Victoria-Zylinder liegen längs im Rahmen [Kurbelwelle quer], sodass der Victoria-Boxer ein Quermotor ist.)
1925 baute Dipl.-Ing. Steinlein den ersten deutschen Kompressormotor bei Victoria. 1926 erreichte eine 497-cm³-Kompressor-Victoria eine neue Welthöchstleistung von 165 km/h. 1927 wurden Maschinen mit 596 cm³ − „KR VI“ − gebaut, 1928 hatte man diese Modelle in „KR 6“ umbenannt und davon auch Hochleistungs-Sportmaschinen mit 24 PS und Doppelvergaser (später als „KR 7“) angeboten. Gleichzeitig erschienen die 200-cm³-sv- („KR 20“) und 350-cm³-OHV-Modelle („KR 35“), um die Programmpalette nach unten abzurunden. 1930/31 kamen zudem noch 500-cm³-sv- („KR 50“) und -OHV-Einbaumotoren („KR 50 S“) von Sturmey-Archer ins Programm.
1932 erschienen die Modelle „KR 15“ und „KR 20 Z“ mit Zweitaktmotoren, keine eigenen Konstruktionen, sondern Einbaumotoren von ILO in Pinneberg. Im gleichen Jahr gewann Victoria mit der „KR 6“ die Europa-Bergmeisterschaft der Gespanne bis 600 cm³ und nannte daraufhin das Modell mit 20-PS-Motor und Vierganggetriebe „KR 6 Bergmeister“.
Ab 1933 wurde die „KR 8“ mit einem von Martin Stolle entwickelten 497-cm³-sv-Parallel-Twin gebaut. [1] Eine Besonderheit der Motorkonstruktion war der fast waagrecht vor dem Kurbelgehäuse liegende Zylinderblock.[2] Dieser Antrieb ersetzte 1934 in anderen Modellen den Sturmey-Acher-Motor, der infolge eines Einfuhrverbots nicht mehr verfügbar war.[3]
1935 erhielt die „KR 9 Fahrmeister“ eine weiterentwickelte Version dieses Motors mit der seltenen EOI-Ventilsteuerung („Exhaust Over Inlet“). Aus demselben Jahr sind die „KR 35 B“ und „KR 35 G“ mit Lackler-Patent-Zylinderköpfen, die 1937 von der „KR 35 Sport“ mit Columbus-OHV-Motor abgelöst wurden. Neue Zweitaktmotoren von Richard und Xaver Küchen mit Flachkolben-Steilstrom-Spülung waren für die Modelle „KR 20 LN Lux“ und „KR 25 S Aero“ bestimmt. Ab 1938 waren die Viertaktmodelle „KR 35 SN“ (18 PS) und „KR 35 SS“ (20 PS) mit Columbus-Motoren im Programm. Parallel dazu gab es die von Albert Roder entwickelten Zweitaktmodelle „V 99 N Fix“, „KR 12 N“ und „KR 15 N“.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 endete fast die gesamte Produktion von Victoria; lediglich die „KR 35 Pionier“ wurde weiterhin hergestellt. Die Bombardements der nächsten Jahre zerstörten das Werk weitestgehend, sodass 1945 nur noch ein geringer Teil der Produktionseinrichtungen vorhanden war.
Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Nachkriegsproduktion begann 1946 begann mit einem Fahrradhilfsmotor, dem „FM 38“ mit einem Hubraum von 38 cm³ und einer Leistung von 1 PS. Konstrukteur war Albert Roder, der kurze Zeit später zu NSU wechselte.[4] 1949 wurde das Vorkriegsmodell „KR 25 Aero“ wieder ins Programm aufgenommen und 1950 kam auch die „V 99“ als „V 99 BL Fix“ wieder auf den Markt. Die „KR 25 Aero“ wurde jetzt mit Telegabel ausgeliefert. Zwischenzeitlich wurden die Modelle „Vicky I“ und „Vicky II“ mit den FM 38 Motoren gebaut. Zum Jahreswechsel hatten die Victoria-Werke eine Belegschaft von 1300 Mann und einen verdoppelten Umsatz im Vergleich zum Vorkriegsstand: über 40 000 Einbaumotoren, ca. 14 000 KR 25 Aero, viele 100-cm³-Motorfahrräder, Fahrräder und Freilaufnaben mit einem beträchtlichen Exportanteil.
1951 fuhr Georg Dotterweich mit einem „FM 38“-Motor auf der Autobahn München-Ingolstadt einen neuen Weltrekord von 79 km/h. Die „KR 25 Aero“ war jetzt zusätzlich mit „Jurisch-Geradeweghinterradfederung“ zu bestellen, und das aus ihr weiterentwickelte Modell „KR 25 HM Aero“ mit dem Hochleistungs-Motor kam neu dazu. Zudem begann die Produktion hoch entwickelter Nähmaschinen.
1953 erweiterte Victoria die Produktpalette um die (ebenfalls aus der „KR 25“ weiterentwickelten) „KR 26 Aero“ und die „V 35 Bergmeister“, welche von den Gebrüdern Xaver und Richard Küchen gänzlich neu entwickelt wurde. Sie hatte einen V-Zweizylinder-OHV-Motor, 350 cm³, 21 PS, ein Kettengetriebe und Kardanantrieb. 1954 gewann Rudi Ebert mit einer „V 35 Bergmeister“ bei der 2500-km-Langstreckenfahrt Lüttich−Mailand−Lüttich die 500-cm³-Gespannklasse.
1955 kam der von Norbert Riedel konstruierte 200-cm³-Zweitakt-Roller „Peggy“ auf den Markt. Dieser war mit einer neuartigen elektromagnetischen Drucktastenschaltung, Elektrostarter, Gebläsekühlung und einer Triebsatz-Hinterradschwinge versehen. Das technisch ähnliche Motorradmodell „KR 21 Swing“ war durch diese hochwertigen Technologien ebenso teuer in der Herstellung.
1957 wurde mit dem italienischen 175-cm³-ohv-Motor von Parilla das neue und letzte Victoria-Motorrad namens „KR 17 Parilla“ gebaut.
Bereits 1956 brachte die von den Victoria Zweirad Werken und der Maschinenfabrik Friedrich gegründete Bayerische Autowerke GmbH in Traunreut den Kleinstwagen „Spatz 200“, einen Roadster mit Kunststoffkarosserie, auf den Markt, um der Krise in der Zweiradbranche entgegenzuwirken. Den Vertrieb übernahm das Victoria-Händlernetz. Zunächst hatte der Spatz einen 4-Gang-191-cm³-F&S-Motor, dann einen gebläsegekühlten 250-cm³–VICTORIA-Zweitaktmotor mit einer Peggy- und Swing-ähnlichen elektromagnetischen Fünfgangschaltung. Diese stärkere Version trug den Namen „Victoria 250“ und wurde in Nürnberg gebaut. Trotz ansprechender Form fand das kleine Auto nur wenig Käufer, sodass die Produktion im Februar 1958 eingestellt wurde. 1588 „Spatz 200“ bzw. „Victoria 250“ wurden hergestellt.
Das Ende der Victoria-Werke
1958 gingen in ganz Deutschland die Verkaufszahlen dramatisch zurück, was auch bei Victoria nicht durch die Moped-Modelle ausgeglichen werden konnte. Deshalb fusionierte jetzt Victoria mit den Express-Werken (Neumarkt) und DKW, der Motorradabteilung der Auto-Union GmbH (Ingolstadt), zur Zweirad Union AG. Victoria brachte seine „Vicky“-Moped-Linie, Express seine „Radexi“ und DKW seinen guten Namen mit in diese neue Firma ein. Da aber von nun an keine Motorrad-Leute mehr in der Führungsetage saßen, sondern einfach nur das produziert wurde, was sich besser verkaufen ließ, war Victoria seither keine klassische Motorradfirma mehr.
1966 wurde die Zweirad Union formell von Hercules übernommen, womit der Name „Victoria“ endgültig aus den Preislisten der Motorradhändler verschwand.
Wiederbelebung der Marke Victoria
Die Rechte am Namen „Victoria“ besaß Hercules, musste sie jedoch abtreten, weil sie länger als fünf Jahre nicht genutzt wurden. Daraufhin sicherte sich 1995 die Hermann Hartje KG in Hoya an der Weser die Markenrechte und stellt Fahrräder und Pedelecs (Pedal Electric Cycles) mit Radnabenmotoren von Schachner, Heinzmann und Sanyo her. Gefertigt werden die Modelle zum Teil im Stammhaus in Hoya wie auch bei anderen Fahrradherstellern.
Technische Daten der KR-Modelle
Techn. Daten Victoria KR I bis KR VII Modell KR I KR II KR III KR VI KR VII Typ Zweizylinder-Boxer (SV) Zweizylinder-Boxer (OHV) Bohrung x Hub (mm) 68 x 68 70,5 x 64 77 x 64 Hubraum (cm³) 494 499,4 596 PS bei 1/min 6,5 bei 3000 9 bei 3000 12 bei 3000 18 bei 4000 24 bei 4500 Vergaser BMW Victoria AMAC/ab 1931 Graetzin AMAC und Amal Antrieb Zweigang handgeschaltet, Riemenantrieb Dreigang, handgeschaltet, Kettenantrieb Rahmen Gelöteter Doppelschleifen-Rohrrahmen mit geteilten Unterzügen Vorderradführung Kurzschwinge schraubgefederte Pendelgabel patentierte Federgabel Bremsen Keilklotz in Riemenscheibe Trommel hinten Trommel
vorn und hintenLeergewicht (kg) 98 110 158 Siehe auch:
Weblinks
- Die größte Info-Sammlung zur Marke VICTORIA
- Hercules
- Victoria Interessengemeinschaft
- V35 Bergmeister
- Private Dokumentation
Einzelnachweise
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