Victoria V 35 Bergmeister

Victoria V 35 Bergmeister
Logo der Victoria „Bergmeister“

Die Victoria V 35 Bergmeister ist ein Motorrad der Victoria-Werke AG in Nürnberg. Sie erschien Ende 1953 und wurde bis Anfang 1955 gebaut; danach entstanden noch Einzelstücke aus Teilebeständen. Die gesamte Herstellungszahl beläuft sich auf ca. 5000 Maschinen.

Inhaltsverzeichnis

Motor und Getriebe

Victoria „Bergmeister“, Baujahr 1954
Victoria „Bergmeister“ mit Beiwagen

Die Victoria Bergmeister ist im Wesentlichen eine Konstruktion von Richard Küchen, der insbesondere als Motorenbauer bekannt war. Kennzeichnend für ihn sind die glatten Gehäuse seiner Motoren und seine Kettengetriebe: beides Konstruktionsmerkmale, die auch bei der Victoria Bergmeister verwirklicht sind.

Zweizylinder-V-Motor

Der Bergmeister-Motor ist ein längs eingebauter V-2-Viertakt-Motor (64°) mit einem Hubraum von 347 cm³ und einer Leistung von 21 PS. Die luftgekühlten Zylinder liegen im Fahrtwind, sind aber bei starker Schräglage in Kurven oder bei einem Sturz weniger gefährdet als die eines Boxermotors. Die beiden Pleuel sitzen auf einem gemeinsamen Kurbelzapfen, sodass der Kurbeltrieb kaum mehr Raum beansprucht als bei einem Einzylinder. Über der Kurbelwelle liegt die durch eine Kette angetriebene Nockenwelle, die über Stößelstangen die Ventile steuert.

Elektrik und Vergaser befinden sich unter glattflächigen Abdeckungen, wodurch Lichtmaschine und Zündverteiler wirkungsvoll gegen Schmutz und Feuchtigkeit geschützt sind. Um Einstellarbeiten durchzuführen, wird die vordere Abdeckung nach oben herausgehoben, wozu unten eine einzige Schraube zu lösen ist. Ähnlich leicht lässt sich die Vergaserabdeckung entfernen, die aus zwei Schalen besteht. Ein Nachteil der eleganten Unterbringung des Vergasers sind lange Ansaugwege. (Wettbewerbsmaschinen wurden deshalb zum Teil mit zwei Vergasern ausgerüstet.)

Zur Zündeinstellung gibt es an der linken Motorseite (unter dem Zylinder) ein normalerweise mit einer Schraube verdecktes Schauloch, durch das die Markierungen für den richtigen Zündzeitpunkt zu sehen sind. Weniger wartungsfreundlich, technisch aber nicht anders machbar, ist die Anordnung der Zündkerzen an der Innenseite der Zylinder.

Kettengetriebe und Kardanantrieb

Das Getriebe der Bergmeister bildet optisch eine Einheit mit dem Motor. Es ist ein Viergang-Kettengetriebe mit Fußschaltung und einem zusätzlichen Hilfshandschalthebel, wie ihn auch die BMW-Modelle der 1950er-Jahre hatten. Bei der Victoria sitzt dieser Hebel im Gegensatz zu BMW über dem Fußschalthebel auf der linken Seite, obwohl der Kupplungshebel am Lenker ebenfalls links ist. Wie es heißt, soll sich das Victoria-Getriebe aber nötigenfalls ohne auszukuppeln schalten lassen.

Victoria lieferte für den Achsantrieb der Bergmeister verschiedene Übersetzungen bzw. auswechselbare Zahnräder, je nachdem, ob das Motorrad solo, vorwiegend am Berg oder mit Seitenwagen gefahren werden sollte. Entsprechend unterschiedlich sind die Angaben zur Höchstgeschwindigkeit, die von 95 bis 135 km/h reichen.

Die Kraft wird über eine Kardanwelle aus Federstahl an das Hinterrad übertragen.

Rahmen und Fahrwerk

Die Victoria Bergmeister hat einen nahtlos gezogenen Doppelstahlrohrrahmen, der als äußerst verwindungssteif gilt und speziell auf Seitenwagenbetrieb ausgelegt ist. Das Vorderrad wird an einer Teleskopgabel geführt (im Versuch auch Schwinge), das Hinterrad an einer Geradwegteleskopfederung. Ein Gummisilentblock (zwischen Metallplatten einvulkanisiertes Gummiteil) federt den Sattel. Die Vollnabenbremsen sind mit einem Durchmesser von 180 mm und einer Belagbreite von 30 mm für die damalige Zeit großzügig dimensioniert, für den Seitenwagenbetrieb (mit gebremstem Seitenrad) allerdings auch unerlässlich.

Ausstattung

Zur Serienausstattung der Bergmeister gehören ein großer Scheinwerfer mit eingebautem Tachometer und elektrischer Leerlaufanzeige (die über Getriebekontakt geschaltet wird), ein Kasten links am Hinterrad zur Unterbringung der Batterie und ein Werkzeugkasten auf der rechten Seite sowie genormte Anschlüsse für einen Seitenwagen. Die Fußrasten sind verstellbar und können fußgerecht auf den Schalthebel abgestimmt werden. Unter dem Tank ist eine Leuchte angebracht, um während einer Reise eventuell nötige Reparaturen am Motor sogar bei Dunkelheit durchführen zu können. Wahlweise lieferbar war ein flacher 15-Liter-Tank oder ein schmaler und höherer 18,5-Liter-Sporttank.

Technische Daten

Motor und Getriebe mit Fuß- und Hilfshandschalthebel
Getriebe mit Kardanausgang (Kardanwelle durch Werkzeugkasten verdeckt)
Victoria V 35 Daten 1955
Motor:  V-2-Zylinder
Hubraum 347 cm³
Bohrung × Hub:  64 × 54 mm
Ventilsteuerung:  untenliegende Nockenwelle (OHV)
Leistung bei 1/min:  15,5 kW (21 PS) bei 6350
Verdichtung:  1 : 7,5
Vergaser:  Bing, Schrägdüsenvergaser
Ø 24 mm
Kühlung:  Luftkühlung
Getriebe:  4-Gang-Kettengetriebe mit Fußschaltung
Rahmen:  Nahtlos gezogener Doppelstahlrohrrahmen
Bremsen:  Leichtmetall-Vollnabenbremsen mit Kühlrippen
Federung vorn:  Teleskopgabel
Federung hinten:  Teleskop
Radstand 1400 mm
Reifengröße:  3.50–19
Leergewicht (ohne Fahrer):  177 kg
Tankinhalt:  wahlweise 15 oder 18,5 Liter
Höchstgeschwindigkeit:  ca. 130 km/h
Preis:  2475,00 DM

Die Modellbezeichnung „Bergmeister“

„Bergmeister“ wurde auch schon der Typ KR 6 genannt, nachdem Victoria 1932 mit einem solchen Motorrad die Europa-Bergmeisterschaft bei den Gespannen bis 600 cm³ gewann. Die KR 6 hat einen quer eingebauten 2-Zylinder-Boxermotor von 600 cm³ Hubraum und Kettenantrieb, die beiden Zylinder liegen also – in Fahrtrichtung gesehen – hintereinander.

Quellen

  • Ernst Leverkus: Die tollen Motorräder der 50er Jahre, 8. Auflage, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1993, ISBN 3-87943-849-8
  • Katalog 100 Motorräder in Wort und Bild, Verlag für Handel und Wirtschaft – Müller & Co., München 1952
  • Infomappe zur V35 Bergmeister, herausgegeben vom Typreferenten der Victoria Interessengemeinschaft Manfred E. Sprenger

Weblinks


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