- Vierreichelehre
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Die Vier-Reiche-Lehre stammt ursprünglich aus dem Buch Daniel der Bibel. Sie basiert insbesondere auf den Kapiteln 2 und 7, in denen Daniel einen Traum des babylonischen Königs Nebukadnezar über die Zukunft deutet bzw. selbst einen Traum hat, dessen Bedeutung ihm geoffenbart wird.
Inhaltsverzeichnis
Der Traum des Königs und seine Deutung durch Daniel
Nebukadnezar hatte von einem großen Bild geträumt, dessen Haupt aus feinem Gold, dessen Brust und Arme aus Silber, dessen Bauch und Lenden aus Bronze, dessen Schenkel aus Eisen und dessen Füße teils aus Eisen, teils aus Ton waren. Dieses Bild war dann von einem Stein, der sich löste, zermalmt worden. Das zermalmte Bild war vom Wind verweht worden; der Stein hingegen, der das Bild zermalmt hatte, war zu einem großen Berg geworden, der die ganze Erde erfüllte.
Daniel, dem Gott im Traum die Bedeutung geoffenbart hat, deutet dem König seinen Traum: Demnach steht das Haupt aus Gold für den König Nebukadnezar. Nach ihm entsteht ein anderes, geringeres Königreich und danach ein drittes Königreich aus Bronze, das über die ganze Erde herrschen wird. Ein viertes Königreich wird stark sein wie Eisen. Die teils aus Eisen und teils aus Ton bestehenden Füße stehen für ein geteiltes Königreich, welches teils fest und stark wie Eisen, teils zerbrechlich wie Ton sein wird. Eisen und Ton stehen zudem für Heiraten, die ebenso wenig halten wie sich Eisen und Ton mischen lassen. Der zermalmende Stein steht dafür, dass Gott in der Zeit dieser Könige ein Königreich aufrichten wird, das gegen alle Königreiche und ewig besteht.
Der Traum Daniels und seine Bedeutung
Auch Daniel hatte einen Traum: Er sah vier verschiedene Tiere aus dem Meer heraufsteigen. Das erste war wie ein Löwe und hatte Adlerflügel. Seine Flügel wurden ihm jedoch ausgerissen und es wurde von der Erde aufgehoben und wie ein Mensch auf seine Füße gestellt; auch wurde ihm das Herz eines Menschen gegeben. Das zweite Tier war einem Bären gleich, auf der einen Seite aufgerichtet und hatte drei Rippen zwischen seinen Zähnen. Das nächste Tier war wie ein Leopard, hatte vier Köpfe und auf seinem Rücken vier Vogelfügel. Das vierte Tier war stark, hatte große eiserne Zähne, bronzene Klauen und zehn Hörner. Es fraß und zermalmte und zertrat den Rest mit seinen Füßen. Zwischen den zehn Hörnern hob sich dann ein weiteres Horn empor, an dem Augen waren und ein Mund, welcher vermessene Worte redete, und drei der ersten Hörner wurden ausgerissen. Das Horn führte Krieg gegen die Heiligen und besiegte sie. Dann wurden Throne aufgestellt und auf einem Thron aus Feuerflammen setzte sich einer, der alt war und ein weißes Gewand trug und dem viele dienten. Nachdem das aus den Heiligen des Höchsten bestehende Gericht sich gesetzt hatte wurde das vierte Tier getötet und sein Leib zerstört; auch den übrigen Tieren wurde ihre Herrschaft genommen. Danach wurde ein ewiges Königtum begründet, dem alle dienten.
Noch in seinem Traum wurde Daniel die Bedeutung des Geträumten geoffenbart. Demnach stehen die großen Tiere für vier Könige, die sich von der Erde erheben werden. Das vierte Königreich wird sich von allen vorherigen unterscheiden und die ganze Erde auffressen und sie zermalmen. Seine zehn Hörner stehen für zehn Könige, die sich aus diesem Königreich erheben werden. Nach ihnen wird sich ein weiterer König erheben, der drei der vorherigen Könige erniedrigen wird. Dieser König wird gegen den Höchsten reden, die Heiligen verfolgen und wird versuchen, die Festtage zu ändern. Aber die Herrschaft wird ihm genommen werden und die Heiligen des Höchsten werden das Königtum für das ewige Königreich empfangen.
Interpretationen und Weiterentwicklung
In der darauffolgenden Zeit und bis durch das Mittelalter hindurch hat man versucht, diese vorchristlich prophezeiten Königreiche mit konkreten Herrschaftsreichen in Verbindung zu bringen. Das erste Reich konnte man aufgrund der biblischen Aussagen noch recht unzweifelhaft mit dem babylonischen Reich Nebukadnezars identifizieren. Als die darauffolgenden Reiche gelten zumeist das Perserreich, das Alexanderreich und das Römische Reich. Das Römische Reich als viertes Reich passt auch insofern, als das vierte Reich ein geteiltes Königreich sein sollte. Tatsächlich kam es im Römischen Reich dazu, dass das Reich ab 395 n. Chr. von zwei Kaisern regiert wurde und schließlich in das Weströmische und das Oströmische Reich zerfiel.
De civitate Dei
Das Römische Reich war noch vor seiner Teilung christianisiert worden. Im Laufe der Zeit wurde dann dieses christianisierte Reich als das angekündigte Gottesreich verstanden. Infragegestellt wurde diese Interpretation, als in Folge der vom Hunnensturm ausgelösten Völkerwanderung zunächst die Westgoten und später auch andere germanische Stämme in das Weströmische Reich vordrangen und die Reichshauptstadt Rom einnahmen.
Der Bischof von Hippo, Augustinus, reagierte darauf mit seiner Schrift De civitate Dei („über den Gottesstaat“), in der er versuchte den Widerspruch dadurch aufzulösen, dass er den Gottesstaat als im Gegensatz zum irdischen Staat stehend darstellte.
Translatio Imperii
An die Vier-Reiche-Lehre knüpft die mittelalterliche Theorie der translatio imperii (Übertragung der Herrschaft) an. Mit ihr wurde der Übergang der römischen Herrschaft auf andere Herrscher begründet. Auch das Heilige Römische Reich sah sich so als Nachfolger bzw. Fortführer der römischen Herrschaft.
Weitere Prophezeiungen
In der Bibel gibt es neben den Prophezeiungen im Buch Daniel im 20. Kapitel der Johannesoffenbarung eine Ankündigung der kommenden tausendjährigen Gottesherrschaft („tausendjähriges Reich“).
Siehe auch: Millenarismus, Drittes Reich
Weblinks
- Buch Daniel (Text der Elberfelder Bibel von 1985)
- Gerhard Schmitz zur Vier-Reiche-Lehre
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