Visionssuche

Visionssuche

Die Visionssuche, auch Visionquest oder Vision Quest, ist ein bei vielen Völkern der Erde in wandelbarer Gestalt vorzufindendes Übergangsritual, das bei den meisten Stämmen, Gemeinschaften und Völkern traditionell nur von Jungen und Männern durchgeführt wurde. Sie stellt im indianischen Kontext einen der Sieben Riten dar, die der Überlieferung nach den Lakota-Indianern von der Weißen Büffelkalbfrau gegeben wurde.

Von jungen Männern wurde es als Übergangsritual vollzogen, das den Abschied von der Kindheit und den Eintritt ins Erwachsenenalter markierte. Von Erwachsenen wurden Visionssuchen unternommen, um die Heilung eines Verwandten zu erwirken, die Lösung für persönliche Frage oder Probleme zu finden, um einen Lebensabschnitt zu beenden oder einen neuen zu beginnen oder um die Welt und ihr Leben mit neuen Augen, unter anderen Perspektiven sehen zu lernen.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Um eine Vision zu finden, sind Vorbereitungen erforderlich. Ein Ort in der Natur wird ausgewählt, an dem der Suchende möglichst mit drei weiteren Leuten ungestört sein kann. Traditionell werden gerne Hügel und Anhöhen für eine Visionssuche ausgesucht, um den Alltag hinter sich lassen und dem "Himmel" besonders nahe sein zu können. Oft wird der Ort, an dem die Vision empfangen werden soll, durch einen Schamanen oder in einem Traum gezeigt. Das Ritual durchläuft drei deutlich unterscheidbare Phasen: Abtrennung (Vorbereitung), Schwellenzeit (Solo) und Wiederverkörperung (Integration) Das eigentliche Ritual beginnt mit einer Reinigung des Körpers und der Kleidung. Während der Visionssuche, die einige Stunden oder aber auch Tage bis Wochen dauern kann, enthält sich der Kandidat jeglicher Nahrung und lehnt es meistens auch ab, Wasser zu trinken. Er bringt die Zeit während des Tages und der Nacht mit Beten und Meditationen zu, er hört auf den Wind, die Tiere, das Gras, die Steine und versucht sich für Botschaften der Elemente und wahrgenommene Hinweise und Symbole, die mit seinem Anliegen in Beziehung stehen könnten, zu öffnen. Die ersehnte Vision offenbart sich in der Regel erst nach einigen Tagen plötzlich und unerwartet und in individuell unterschiedlicher Form z.B. als überraschende Einsicht, das Sehen von Bildern und Abläufen oder als Botschaften, die durch Geister, Tiere und andere Verbündete mitgeteilt werden.

Ein Visionssuchender, der mit einer Vision heimkehrt, feiert das Ereignis mit seinen Verwandten und Freunden. Die empfangene Vision wird als ein Geschenk betrachtet, das in das Leben integriert werden muss und das die Verpflichtung mit sich bringt, entsprechend den neuen Einsichten zu handeln.

Heutige Visionssuche in der westlichen Gesellschaft

Die heutige, in der westlichen Gesellschaft angebotene Visionssuche wurde in den 1970er Jahren von dem Psychologen Dr. Steven Foster und seiner Frau Meredith Little entwickelt. Es handelt sich nicht um die Nachahmung eines indianischen Rituals. Vielmehr entnahmen Foster und Little drei alte und weltweit vorkommende Elemente aus Stammesriten: 1. Die Methoden Nahrungsentzug, Alleinsein, der Wildnis ausgesetzt sein und Schlafentzug, die sich in Stammeskulturen bzw. in Weltreligionen bereits bewährt haben. 2. Der Teilnehmer findet Erkenntnisse durch seine Innenschau in der Tiefe seiner eigenen Psyche, er weiht sich selbst ein. 3. Die universale Grundstruktur "Ablösung - Schwellenzeit - Wiedereingliederung" von alten Übergangsriten[1].

Im Gegensatz zu den Stammesgesellschaften ist die westliche Gesellschaft nicht traditionsgebunden. Rituelles Wissen unserer Vorfahren, Kelten und Germanen, ist deshalb weitgehend verlorengegangen. Um die Visionssuche auf Bedürfnisse der westlichen Gesellschaft zu adaptieren, führten Foster und Little drei Neuerungen ein: 1. In der Vorbereitungszeit wird das für die Selbsteinweihung notwendige rituelle Wissen vermittelt. 2. Die Inhalte der Veranstaltung sind unabhängig von Traditionen, Konfessionen oder Ideologien. 3. Einen hohen Sicherheitsstandard.

Die Visionssuche für Männer und Frauen ermöglicht u.a.

  • eine Bestandsaufnahme des bisherigen Lebens,
  • eine Neuorientierung, indem Erkenntnisse zu existentiell wichtigen Fragen gefunden werden,
  • eine Integration des Neuen in einem reiferen Lebensabschnitt.

Auf die in der westlichen Gesellschaft angebotene Visionssuche gehen Männer und Frauen vier Tage und vier Nächte alleine, ohne Nahrungsmittel aber mit genügend Wasser in die Wildnis. Mit Vor- und Nachbereitung ergibt sich eine Veranstaltungsdauer von typischerweise 10 Tagen. Tausende von alten und jungen Menschen in den USA und Europa sind in den letzten zwei Jahrzehnten auf Visionssuche gegangen. Es hat sich gezeigt, dass es für Menschen der westlichen Gesellschaft leicht ist, die Visionssuche anzunehmen.

Literatur

  • Steven Foster, Meredith Little: Visionssuche. 3. Auflage. Arun-Verlag, Uhlstädt-Kirchhasel 2002, ISBN 3-935581-09-2
  • Sylvia Koch-Weser, Geseko von Lüpke: Vision Quest. Droemer Knaur, München 2005, ISBN 3-426872-64-1
  • Evelin L. Rosenfeld: " Was Dir wirklich wichtig ist. Arbeitsbuch zum Personal Empowerment". Junfermann Verlag, 2004, ISBN 3-873875-87X

Weblinks

Einzelnachweise

  1. A. van Gennep: Übergangsriten - Les rites de passage, Campus Verlag, Frankfurt, (2005)

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