Vitamin H

Vitamin H
Strukturformel
Allgemeines
Trivialname
  • Vitamin B7
  • Vitamin B8
  • Vitamin H
Andere Namen
  • Biotin

(3aS,4S,6aR)-Biotin (+)-Biotin

  • Coenzym R
  • 5-[(3aS,4S,6aR)-2-Oxohexahydro-1H- thieno[3,4-d]imidazol-4-yl]pentansäure
Summenformel C10H16N2O3S
CAS-Nummer 58-85-5
ATC-Code

A11HA05

Kurzbeschreibung farbloser Feststoff
Vorkommen Backhefe, Eigelb, Weizenkleie, Leber, Spinat
Physiologie
Funktion Coenzym bei biochemischen Carboxylierungsreaktionen
Täglicher Bedarf 0,03–0,06 mg
Folgen bei Mangel Entzündungen der Haut und Zunge, Haarausfall, Blutarmut, Depressionen, Müdigkeit, Ohnmacht, Appetitlosigkeit, Gliederschmerzen, erhöhte Gesamtcholesterinwerte, Unterzuckerung
Überdosis nicht bekannt
Eigenschaften
Molare Masse 244,31 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Schmelzpunkt 232–233 °C
Löslichkeit wasserlöslich (0,2 g/l bei 20 °C)
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Biotin, auch als Vitamin B7 oder Vitamin H bezeichnet, ist ein wasserlösliches Vitamin aus dem B-Komplex. Es spielt als prosthetische Gruppe von Enzymen im Stoffwechsel eine bedeutende Rolle.

Die französische Nomenklatur benennt Biotin häufig als Vitamin B8, während sich in der angelsächsischen und auch in der deutschen Literatur die Adenylsäure als Vitamin B8 findet; zuweilen werden auch das Inositol, welches kein Vitamin ist, bzw. die Folsäure, die ebenfalls dem Vitamin-B-Komplex angehört, als Vitamin B8 bezeichnet. Der von der IUPAC empfohlene Name ist jedoch einzig Biotin.

Inhaltsverzeichnis

Ernährung

Natürliche Biotin-Lieferanten sind z.B. Eigelb, Leber, Erdnüsse, Haferflocken oder Reis.

Der genaue Bedarf ist nicht bekannt. Folgende Tagesmengen geordnet nach Lebensalter können gemäß RDA als Richtwerte dienen:

  • 0–6 Monate 35 µg,
  • 6–12 Monate 50 µg,
  • 1–18 Jahre 100–200 µg,
  • über 18 Jahren 100 µg,
  • während Schwangerschaft und Stillzeit: zuzüglich 50 µg.

Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Erwachsene lediglich 30–60 µg/Tag. Der Therapiebereich liegt zwischen 50 µg und 15 mg. Ein Biotinmangel ist selten, kann aber bei Aufnahme großer Mengen von Rohei eintreten, da das Eiklar Avidin enthält, welches das Biotin bindet und seine Aufnahme im Darm blockiert.

Merkmale eines Biotinmangels sind Hautstörungen, Haarausfall, spröde Nägel, Blutarmut, Depressionen, Müdigkeit, Ohnmacht, Appetitlosigkeit, Muskelschmerzen, erhöhte Gesamtcholesterinwerte, Unterzuckerung (Hypoglykämie) und Entzündung der Zunge (Glossitis). Die Merkmale einer Biotinüberversorgung hingegen sind verzögerte oder verringerte Insulinausschüttung, erhöhter Bedarf an Vitamin C und an Vitamin B6 sowie erhöhte Blutzuckerwerte.

Biotin als prosthetische Gruppe

Biotin ist die prosthetische Gruppe von Carboxylasen, genauer der Carboxy-Transferasen. Durch deren Aktion kann auch im tierischen Organismus Kohlendioxid fixiert werden. Beispiele sind:

Pyruvat-Carboxylase-Reaktion

Die Abbildung zeigt die Funktion des Biotins als prosthetische Gruppe in der durch die Pyruvat-Carboxylase katalysierten Reaktion. Vor der Addition an den Stickstoff des Biotins wird das Kohlendioxid, welches als Hydrogencarbonat vorliegt, mit ATP in eine aktive Form, das Carboxyphosphat, ein gemischtes Anhydrid der Phosphor- und Kohlensäure, überführt werden. Als prosthetische Gruppe ist Biotin fest an einen Lysinrest des Enzyms gebunden. Die Einheit (auch Biocytin genannt) fungiert als eine Art Drehscheibe (Propeller-Prinzip), über welche die Pyruvatbindungsstelle bedient werden kann. Das Pyruvat ist dort in seiner Enolform gebunden, was direkt die unmittelbare Übernahme des CO2-Restes ermöglicht. Die Reaktion zeigt beispielhaft den Einsatz und die Regenerierung einer prosthetischen Gruppe an ein- und demselben Enzym.

Biotin in der molekularen Biotechnologie

Biotin kann zur Markierung verschiedener Moleküle verwendet werden (Biotinylierung). Zum Nachweis nutzt man die Wechselwirkung zwischen Biotin und Avidin bzw. Streptavidin.[1]

Geschichte

Die Entdeckung der Substanz verlief in mehreren Schritten:

  • 1898 – Steinitz – Vitamin H (von Haut)
  • 1901 – Eugene Wildiers und Manile Ide – „Bios“: ein wässriger Extrakt aus Hefen enthält eine Substanz, die für das Wachstum von Hefen notwendig ist
  • 1927 – M. A. Boas – Beschreibung des „Eiweiß-Verletzungs-Syndroms“, eine Form der Dermatitis: Verursacht durch eine im Eiweiß enthaltene Substanz (Avidin), die Biotin inaktiviert
  • 1931 – Paul György – Vitamin H
  • 1936Fritz Kögl und Benno Tönnis – Erstmalige Isolierung von 1,1 mg Biotin aus 250 kg getrockneter Eidotter
  • 1940 – György – Feststellung, dass Biotin identisch mit Vitamin H und Coenzym R ist
  • 1942 – du Vignaud – Aufklärung der chemischen Struktur
  • 1943 – Harris – erste chemische Synthese

Isomerie

Biotin besitzt drei stereogene Zentren, so dass acht Stereoisomere denkbar sind. Allerdings besitzt nur das natürliche (+)-Biotin mit (3aS,4S,6aR)-Konfiguration die volle biologische Aktivität.[2]

Chemische Synthese

Es gibt zahlreiche vielstufige Verfahren zur chemischen Synthese von (+)-Biotin. Bei den technisch relevanten Synthesen wird Fumarsäure, natürliches (R)-Cystein oder Tetronsäure als Ausgangsstoff eingesetzt.[3] (+)-Biotin ist ein wirtschaftlich bedeutendes Erzeugnis der chemischen Industrie.

Quellenangaben

  1. Thomas Boenisch (Herausgeber): Handbuch Immunchemische Färbemethoden, 3. Auflage 2003, DakoCytomation GmbH, Hamburg, Deutschland.
  2. Bernd Schäfer: Naturstoffe der chemischen Industrie, Elsevier GmbH, Spektrum Verlag, 2007, Seite 449, ISBN 978-3-8274-1614-8.
  3. Bernd Schäfer: Naturstoffe der chemischen Industrie, Elsevier GmbH, Spektrum Verlag, 2007, Seiten 455-465, ISBN 978-3-8274-1614-8.

Siehe auch

Weblinks


Gesundheitshinweis
Bitte beachte den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Vitamin K — has also been used as a slang term for ketamine, an unrelated anaesthetic. Vitamin K1 (phylloquinone). Both forms of the vitamin contain a functional naphthoquinone ring and an aliphatic side chain. Phylloquinone has a phytyl side chain …   Wikipedia

  • Vitamin D — is a group of fat soluble prohormones, the two major forms of which are vitamin D2 (or ergocalciferol) and vitamin D3 (or cholecalciferol).cite web|url=http://dietary supplements.info.nih.gov/factsheets/vitamind.asp|title=Dietary Supplement Fact… …   Wikipedia

  • Vitamin A — Systematic (IUPAC) name (2E,4E,6E,8E) 3,7 Dimethyl …   Wikipedia

  • Vitamin B6 — is a water soluble vitamin. Pyridoxal phosphate (PLP) is the active form and is a cofactor in many reactions of amino acid metabolism, including transamination, deamination, and decarboxylation. PLP also is necessary for the enzymatic reaction… …   Wikipedia

  • Vitamin-B — ist eine Vitamin Gruppe, in der acht wasserlösliche Vitamine zusammengefasst sind, die alle als Vorstufen für Koenzyme dienen. Die Nummerierung ist nicht durchgehend, weil sich bei vielen Substanzen, die ursprünglich als Vitamine galten, der… …   Deutsch Wikipedia

  • Vitamin B — ist eine Vitamin Gruppe, in der acht Vitamine zusammengefasst sind, die alle als Vorstufen für Koenzyme dienen. Die Nummerierung ist nicht durchgehend, weil sich bei vielen Substanzen, die ursprünglich als Vitamine galten, der Vitamin Charakter… …   Deutsch Wikipedia

  • vitamin K — n. a fat soluble vitamin, synthesized constantly by intestinal bacteria in mammals and occurring in certain green vegetables, fish meal, etc., that promotes blood clotting and is required for the synthesis of prothrombin by the liver: the two… …   Universalium

  • Vitamin A — is retinol. Carotene compounds (found, for example, in egg yolk, butter and cream) are gradually converted by the body to vitamin A (retinol). A form of vitamin A called retinal is responsible for transmitting light sensation in the retina of the …   Medical dictionary

  • Vitamin B1 — is thiamine. Vitamin B1 acts as a coenzyme in the metabolism of the body. Deficiency of thiamine leads to beriberi, a disease of the heart and nervous system. The word vitamin was coined in 1911 by the Warsaw born biochemist Casimir Funk (1884… …   Medical dictionary

  • Vitamin de — Beschreibung Deutschlernerzeitschrift Verlag NP PRESS.DE Erstausgabe 2002 Erscheinungsweise …   Deutsch Wikipedia

  • vitamin de — Beschreibung Zeitschrift für junge Deutschlerner Verlag Verein vitamin de , NP PRESS.DE Erstausgabe 2002 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”