Vostok-See

Vostok-See
Position des Wostoksees

Der Wostoksee ist der größte von mehr als 150 bisher bekannten Seen, die sich unter dem Eispanzer der Antarktis befinden. Er liegt in einer Tiefe von 3700 bis 4100 Metern unter dem Eis in der Nähe der Position, die die russische Wostok-Station über dem Eis einnimmt. Der Wostoksee ist ein Süßwassersee.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Radar-Aufnahme (Radarsat) des Wostoksees aus dem All. Das Eis über dem See besitzt eine glatte Oberfläche

Russische und britische Wissenschaftler entdeckten den See 1994 und konnten seine Existenz 1996 durch die Kombination verschiedener Daten zweifelsfrei bestätigen, unter anderem durch luftgestützte Radarmessungen, die tief ins Eis hineinreichten, weltraumgestützte Radar-Höhenmessungen und Analyse erzeugter seismischer Wellen. Aufgrund seiner Lage tief unter dem Eis handelt es sich um den wohl unberührtesten und ursprünglichsten See der Erde; sein Wasser ist wahrscheinlich mehrere Millionen Jahre alt. Dass der See trotz seiner Durchschnittstemperatur von -3 °C nicht gefroren ist, ist auf den hohen Druck (ca. 30–40 Megapascal) unter der Eisdecke zurückzuführen: Bei hohem Druck sinkt der Schmelzpunkt des Eises[1].

Forschungsgeschichte

1957 errichteten russische Forscher die Wostok-Station zur Erforschung der irdischen Klimageschichte. 1983 wurde dort mit -89,2 °C die niedrigste Temperatur der Erde gemessen. 1990 wurde von russischen, französischen und amerikanischen Forschungsstationen aus die Gewinnung von Eiskernen zur Klimaforschung gestartet. Wie sich später herausstellte, befindet sich die Bohrung genau über dem Wostoksee. Die Bohrung wurde fortgeführt und erst 1999 aufgrund eines internationalen Abkommens etwa 150 m über dem See gestoppt, um eine Kontamination des Sees zu vermeiden. Dies liegt vor allem daran, dass Kerosin und Freon verwendet wurden, um das Bohrloch offen zu halten. Bei der Analyse der Bohrkerne stellte sich allerdings heraus, dass die letzten 60 m kein Gletschereis mehr sind, sondern gefrorenes Seewasser. Die meisten bisherigen Erkenntnisse über den Wostoksee stammen aus dieser Bohrung.

Kenntnisstand über den See

Daten (Literaturangaben variieren)
Lage 77° 0′ S, 105° 0′ O-771057Koordinaten: 77° 0′ 0″ S, 105° 0′ 0″ O
Länge 250 km
Breite 40–50 km
Fläche 15.690 km²
Tiefe (unter dem Eis) 3700–4100 m
Tiefe (des Wasserbeckens) 400–1000 m
mittlere Tiefe 344 m
maximale Tiefe 670 m [2]
Größe 15.690 km2
Volumen 5.400 km3
Temperatur -3°C

Das Alter des Eises wurde auf 420.000 Jahre datiert, der See ist also mindestens seit 500.000, vielleicht sogar mehr als 1 Million Jahren durch eine Eiskappe versiegelt.

Der über dem See liegende Gletscher bewegt sich mit geringer Geschwindigkeit und bringt Sedimente in den See. Auf der „ausströmenden Seite“ des Gletschers gefriert Seewasser. Dies führt zu einer Höhendifferenz der beiden Seeseiten von mehr als 400 m. Auch der Boden des Sees ist nicht eben, sondern es erheben sich sogar „Inseln“ über die Oberfläche des Sees hinaus in das Eis hinein.

Der Wostoksee bietet vermutlich einen sehr extremen Lebensraum. Neben seiner Temperatur ist auch der Sauerstoffgehalt extrem, nämlich ca. 50 mal höher als in normalem Süßwasser, zum einen aufgrund des hohen Drucks, zum anderen aufgrund des Vorkommens von Klathraten, bei denen der gasförmige Sauerstoff in eine Eisstruktur eingelagert ist.

200.000 Jahre alte Fossilien von Mikroben im Bohrkern deuten auf Leben im See hin.

Gezeitenkräfte im Wostoksee

Im April 2005 fanden deutsche, russische und japanische Forscher heraus, dass auf den See Gezeitenkräfte wirken. Abhängig vom Stand der Sonne und des Mondes, beträgt der Tidenhub zwischen 1 und 2 cm. Das Forscherteam vermutet, dass durch diese Gezeitenkräfte das Wasser zirkuliert, was für das Überleben von Mikroorganismen notwendig ist, sollten diese vorhanden sein.

Europa/Wostok Initiative

Cryobot (NASA)
Hydrobot (NASA)

Aufgrund der Ähnlichkeit des Sees mit dem vermuteten Meer unter dem Eispanzer des Jupitermondes Europa beteiligte sich auch das Jet Propulsion Laboratory im Auftrag der NASA mit der Planung einer Bohrsonde als Modell für eine zukünftige Europa-Mission. Das Design der Europa/Wostok Initiative sieht eine zweistufige Bauweise vor. Der Kryobot schmilzt sich durch den Eispanzer und rollt dabei Versorgungsleitungen ab, durch die er von der Basisstation gesteuert und mit Energie versorgt wird. Nachdem der Kryobot auf dem Weg in die Tiefe einen Dekontaminationsstopp durchgeführt hat, wird bei Erreichen der Wassergrenze eine zweite Sonde, der Hydrobot, ausgesetzt, der die eigentliche Erforschung des Sees vornehmen soll. Später sollte der Hydrobot wieder am Kryobot andocken und mit Wasserproben den Weg zurück durch den Eispanzer antreten.

Nach dem 1998 verabschiedeten Zeitplan sollte die Mission 2002 starten und 2003 Wasserproben liefern. Technische Probleme und die hohen Risiken einer möglichen Kontamination des Sees führten allerdings dazu, dass der Start des Projekts um mindestens 10 Jahre aufgeschoben wurde.

Zukünftige Projekte

Die Einzigartigkeit des Wostoksees treibt viele Wissenschaftler bei der weiteren Erforschung des Sees an, aber man ist sich nicht über die Methoden oder den Zeitplan einig. Sollte es bei der Erforschung des Sees zu einer Kontamination kommen, wären die dabei gewonnenen Ergebnisse nahezu wertlos und auch die Auswertung späterer Forschungsmissionen würde deutlich erschwert, wenn überhaupt noch brauchbare Erkenntnisse gewonnen werden können. Aus diesem Grund arbeitet man bei der NASA zurzeit an einem selbstständig operierenden Roboter, der mit Hilfe einer sich durch die Eisschicht schmelzenden Bohrsonde in den See gebracht und möglichst viele Experimente und Messungen durchführen soll. Problematisch dabei ist, dass weder Bohrsonde noch Roboter eine Kontaminierung des Systems herbeiführen dürfen, daher will man die bestehende Bohrung aus den 1990er Jahren möglichst nicht nutzen, das entstehende Bohrloch direkt oberhalb der Sonde wieder zufrieren lassen, und sowohl Sonde als auch den darin eingeschlossenen Hydrobot kurz vor dem Durchbruch ins Wasser selbstständig in einen keimfreien Zustand versetzen. Auf Grund des geplanten komplexen Aufgabenfeldes des Hydrobot muss eine Vielzahl von Geräten enthalten sein, dabei ist der Roboter an die Maße der Bohrung gebunden und dementsprechend in der Größenordnung einer PET-Flasche geplant. Gleichzeitig müssen alle Komponenten den immensen Druckverhältnissen unter dieser kilometerdicken Eisschicht standhalten können. Sollten alle oder einzelne Teile der Bohrsonde nach erfolgreicher Durchführung ihrer Aufgaben im See verbleiben, wird auch zu gewährleisten sein, dass sie ihrerseits keinen zukünftigen, schädlichen Einfluss (z. B. durch Wechselwirkungen mit chemischen Substanzen) auf mögliche Lebensformen und deren noch unberührten Lebensraum im See haben. Titan war hierzu unter anderem im Gespräch und kommt durch seine besondere Widerstandsfähigkeit als Material in Frage.

Einzelnachweise

  1. http://www.lsbu.ac.uk/water/phase.html
  2. http://ec.europa.eu/research/rtdinfo/special_pol/03/article_2598_de.html

Weblinks


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