Waechtersbach Keramik

Waechtersbach Keramik
Eierbecher mit Tablett, 1930er Jahre

Die Waechtersbacher Keramik im hessischen Brachttal-Schlierbach wurde 1832 von den Fürsten zu Ysenburg und Büdingen und Teilhabern gegründet. Der gesamte Firmenname lautet Waechtersbacher Keramik Otto Friedrich Fürst zu Ysenburg und Büdingen GmbH.

Die Manufaktur produziert noch heute hochwertige Keramik in den alten Fabrikgebäuden, die sie 1838 bezogen hat und die ein herausragendes Beispiel für Industriearchitektur im 19. Jahrhundert darstellen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Produzierte die Waechtersbacher Keramik in den Anfangsjahren von 1832 bis etwa 1845 hauptsächlich einfaches, weißes Gebrauchsgeschirr, so wurden in den 1850er mit den ersten Kupfer-Umdruckverfahren aufwendigere Arbeiten ausgeführt. Die Kapazität und Qualität der Arbeiten steigerte sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, als die Fabrik unter der Leitung von Max Roesler im Historismus ihren ersten Höhepunkt erreichte. Äußerst qualitätvolle und technisch aufwendige Arbeiten belegen den hohen Standard in der Fabrikation, der von vielen Konkurrenten kopiert wurde. War die Waechtersbacher Keramik bis dato nur lokal vertreten, belieferte sie nun das gesamte Deutsche Reich.

Max Roesler verließ die Fabrik im Streit, weil ihm eine Beteiligung seitens des Fürsten verwehrt wurde und gründete die heute noch bestehende Roesler-Porzellan Fabrik.

Den nächsten Höhepunkt erreichte die Marke Waechtersbach nach 1903, als mit Christian Neureuther als Entwerfer die Kunstabteilung ins Leben gerufen wurde. Neureuther führte den Jugendstil ein. Er erarbeitete der Fabrik einen internationalen Ruf. Infolgedessen entstanden Arbeiten von Joseph Maria Olbrich, Hans Behrens, Hans Christiansen u.a. In dieser Zeit produzierte Waechtersbach für die Darmstädter Künstlerkolonie.

Durch den enormen Erfolg und die wegweisenden Entwürfe konnte die Firma Konkurrenten wie Villeroy&Boch weit hinter sich lassen. Nach dem Tode Neureuthers 1921 wurde die Kunstabteilung von Eduard Schweitzer übernommen, jedoch bereits 1929 wieder geschlossen. Trotzdem konnte man in den 1930er Jahren mit Ursula Fesca eine weitere renommierte Entwerferin verpflichten. Frau Fesca setzte sehr früh Bauhaus-Ideen um und entwarf Serien, die dem allgemeinen Zeitgeschmack so weit voraus waren, dass sie erst nach dem 2. Weltkrieg produziert wurden. Wegen Krankheit verließ Frau Fesca von 1933 bis 1945 die Fabrik. Dadurch und wegen rigider Produktionsbeschränkungen setzte ein Niedergang ein, was Kapazität, Qualität und Innovation betrifft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Produktion mit Frau Fesca wieder aufgenommen werden und Waechtersbach entwickelte sich zum größten Keramikhersteller Deutschlands. Seit den 1960er-Jahren exportiert die Firma ihre Erzeugnisse auch nach Amerika. In den letzten 20 Jahren ist Waechtersbach Keramik zu einem Sammelgebiet geworden, das beständig neue Anhänger findet.

Ausstellungen

Große Ausstellungen sind in den staatlichen Museen Kassel und Darmstadt zu finden, ferner im Vonderau Museum Fulda und in den Museen für angewandte Kunst in Frankfurt/Main und Berlin, außerdem im Schlossmuseum Jever. Im Jahr 2001 veranstaltete die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen eine Wanderausstellung, zu der auch ein Katalog erschienen ist.

Des Weiteren finden sich zahlreiche Exponate von Waechtersbach in regionalen Museen, wie z.B. im Lindenhof-Museum in Brachttal-Streitberg, im Brachttal-Museum in Brachttal-Spielberg und im Heimatmuseum Wächtersbach.

Aktuelles

Die Waechtersbacher Keramik produziert noch immer. Angeschlossen an die Fabrik gibt es einen Fabrikverkauf und ein Werksmuseum, ferner sind die Neuheiten auf den Messen 'Ambiente' und 'Tendence' in Frankfurt/Main zu sehen. Ferner sind Werksbesichtigungen in der letzten großen Steingutmanufaktur in Deutschlands ab 10 Personen nach Anmeldung möglich.

Am 21. Januar 2005 wurde die Fabrik nach 173 Jahren in Familienbesitz an die BEFI GmbH in Wain bei Laupheim verkauft. Über das Vermögen der Gesellschaft ist mit Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 1. Januar 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. „Unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen konnte das Unternehmen daran anschließend fortgeführt werden“, heißt es in einer Presseerklärung.

Am 28. Juni 2006 teilten Geschäftsführer Klaus-D. Michels und Rechtsanwalt Dr. Göran Berger mit, dass die im Insolvenzverfahren stehende Gesellschaft die Produktion im Juli 2006 ruhen lassen und die Mitarbeiter zum 1. Juli 2006 für einen Monat freistellen will. Mitte September 2006 wurde die Produktion in Schlierbach nach fast drei Monaten Unterbrechung wieder angefahren. Die Waechtersbacher Keramik wurde von Turpin Rosenthal im September 2006, einem Spross der Rosenthal-Familie übernommen und wird seitdem als Tochterunternehmen der Könitz Porzellan GmbH geführt. 2007 feiert das Traditionsunternehmen mit den einzigartigen Effektglasuren sein 175-jähriges Firmenbestehen.

Literatur

  • Ruppel, Jacob: Die Geschichte der Steingutfabrik, 1876 aufgestellt von Jacob Ruppel. Schlierbach 1907
  • Verf. unbek.: 1832-1932, Hundert Jahre Waechtersbach. 1932
  • Wächtersbacher Keramik (Hrg.): Colour Comedies - Internationaler Architekten- und Designer-Workshop der Waechtersbacher Keramik - Michael Graves, Zaha Hadid, Elizabeth Garouste/Mattia Bonetti, Atsushi Kitagawara, Jo Laubner und Ettore Sottsass. 1992 ISBN 3926048905
  • Frensch, Heinz/Frensch, Lilo: Wächtersbacher Steingut. 1995 ISBN 3784579507
  • Wurzel, Thomas (Hrg.): Ausstellungskatalog "Wächtersbacher Steingut - Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen". Kassel 2001
  • Rinn, Ludwig/Vonderau-Museum, Fulda (Hrg.): Markentafel Wächtersbacher Keramik. 2002 ISBN 3935590288
  • Kirchner, Volker (Hrg.): Der große Streik in der Wächtersbacher Steingutfabrik. Brachttal 2004
  • Schulte-Wülwer, Ulrich/Museumsberg Flensburg (Hrg.): Wächtersbacher Steingut. Die Sammlung Angelika Jensen. Flensburg 2006
  • Berting, Ulrich/Neidhardt, Erich (Hrg.): Wächtersbacher Steingut - Figuren und Figürliches. Brachttal 2007
  • Museum für angewandte Kunst Frankfurt (Hrg.): Wächtersbacher Keramik, Spiel von Haut und Körper. Frankfurt 2008
  • Waechtersbacher Keramik (Hrg.): Detailverliebt, Keramikdetails der Waechtersbacher Keramik. Brachttal 2008

Weblinks


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