Wahlkönigtum

Wahlkönigtum

Wahlmonarchie bezeichnet eine Monarchie, deren Herrscher nicht durch Erbfolge, sondern durch eine Wahl bestimmt werden.

Inhaltsverzeichnis

Historische Wahlmonarchien

Heiliges Römisches Reich

Hauptartikel: Heiliges Römisches Reich

Der Tod des letzten Karolingers führte im Jahr 911 zum ersten Mal zu einer Königswahl im Ostfränkischen Reich. Nach dem Tod Konrads I. setzte sich allerdings zunächst die Erbfolge innerhalb einer Dynastie durch, wobei die Designation des erwünschten Nachfolgers üblich war. Der designierte Nachfolger führte zu Lebzeiten des herrschenden Kaisers den Titel eines „Römischen Königs“. Erst beim Aussterben einer Dynastie war eine neue Königswahl erforderlich. Nach dem Aussterben der Staufer entwickelte sich das Reich endgültig zu einer Wahlmonarchie. Stand ursprünglich das Recht zur Königswahl allen Reichsfürsten zu, setzte sich seit Anfang des 14. Jahrhunderts allmählich das Wahlrecht nur der Kurfürsten durch. Formal wurde es endgültig mit der Goldenen Bulle Karls IV. auf die sieben, ab Ende des 17. Jahrhunderts dann neun Kurfürsten eingeschränkt. Mit der Zurückdrängung des päpstlichen Anspruchs auf die Kaiserkrönung und die Annahme des Titels eines erwählten römischen Kaisers durch Kaiser Maximilian I. wurde die Königswahl zugleich zur Kaiserwahl. Dies blieb so bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches. Die letzte Kaiserwahl fand mit der Wahl von Franz II. im Jahr 1792 statt. Obwohl die Kaiserwürde seit 1438 mit einer Ausnahme (Karl VII. aus dem Hause Wittelsbach) bis zum Ende des Reiches immer von einem Mitglied des Hauses Habsburg getragen wurde, blieb das Reich formell eine Wahlmonarchie, die Kurfürsten wahrten eifersüchtig ihr Recht zur Kaiserwahl.

Polen-Litauen

Im Polnisch-Litauischen Reich (1569 bis 1795) wurde der König vom Adel gewählt, der auch gewichtige Mitspracherechte im Sejm besaß. Daher rührt gelegentlich die Bezeichnung Adelsrepublik für das Polnische Reich, da der Adel über 10 % der Bevölkerung ausmachte, was deutlich höher war, als der Durchschnitt in anderen Ländern. Meist wurde der Thron mit ausländischen Fürsten besetzt, die wenig Zeit oder Interesse hatten, sich in die inneren Angelegenheiten Polens zu mischen, und zudem über keine Hausmacht in Polen verfügten. Dies führte neben dem Liberum Veto und anderen Faktoren zum Niedergang des Polnischen Staates gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Siehe auch Geschichte Polens.

Heute noch existierende Wahlmonarchien

Malaysia

Die neun Sultane von Malaysia bestimmen alle fünf Jahre einen aus ihrer Mitte zum Yang di-Pertuan Agong (dieser Titel wird im Westen als Oberster Führer häufiger jedoch als König wiedergegeben). Traditionell rotiert der Titel unter den Sultanaten. Da Malaysia eine konstitutionelle Monarchie ist, hat der König hauptsächlich repräsentative Aufgaben.

Vereinigte Arabische Emirate

Die sieben Emire der Vereinigten Arabischen Emirate wählen aus ihren Reihen einen als Präsident bezeichnetes Staatsoberhaupt. Traditionell wird der jeweilige Emir von Abu Dhabi in diese Position gewählt, ebenso ist der Emir von Dubai traditionell Regierungschef.

Da das Parlament der VAE nur beratende Funktion hat, ist die Stellung des Emirs recht stark.

Besondere Länder

Andorra

Das Fürstentum Andorra ist keine direkte Wahlmonarchie, sondern ein Kondominat zwischen dem französischen Staatsoberhaupt (als historischem Nachfolger der Grafen von Foix, später der Könige von Navarra) und dem Bischof von Urgell. Die andorranische Herrschaft, das „Fürstentum“, gründet nicht auf andorranischen Wahlen, sondern auf Amtsnachfolge der beiden Herrschaftsinhaber. Von diesen wird jedoch der Staatspräsident (vom französischen, nicht vom andorranischen Volk) direkt gewählt, sein andorranisches Amt beginnt und endet kraft dieser Wahlen, ebenso wie das des Bischofs des spanischen Urgell kraft päpstlicher Erwählung bzw. Abberufung.

Vatikanstadt

Der Papst ist als Bischof von Rom ex officio Staatsoberhaupt des Staates der Vatikanstadt. Seine Wahl im Konklave der Kardinäle ist allerdings nicht im Staat der Vatikanstadt, sondern in der katholischen Kirche angesiedelt; die Vatikanstadt setzt den Papst als gegeben voraus, ihre Staatsangehörigen wählen ihn nicht. Die Staatsform der Vatikanstadt ist daher die einer absoluten Monarchie.

Sozialwissenschaftliche Behandlung der Wahlmonarchie

Der Sozialanthropologe Max Gluckman hat die regelmäßigen und oft verlustreichen Kämpfe um die Nachfolge in Wahlmonarchien, die in Europa oft den Übergang zur Erbmonarchie befördert haben, in einer ambivalenten Doppelfunktion herausgestellt. Zwar kann es zu mörderischen sozialen Konflikten (Bürgerkriegen) kommen, anderseits sind eben diese geeignet, die Zentralmonarchie als Institution und damit den Zusammenhalt eines Staatsvolkes und Territoriums immer wieder neu zu bestärken.[1] Politiksoziologisch gefasst, binden diese regelmäßigen Nachfolgestreitigkeiten damit die Eliten (nach Vilfredo Pareto „Elite“ und „Reserveelite“) einer Gesellschaft aneinander und vermeiden Sezessionen.

Vergleichbare Analyseansätze lassen sich auch auf dynastische Erbkämpfe außerhalb staatsrechtlicher Monarchien übertragen, etwa in Einzelunternehmen.[2] Bekannt sind hier besonders die Nachfolgekämpfe der Richard-Wagner-Nachkommen um die Herrschaft über die Bayreuther Festspiele.[3]

Anmerkungen

  1. Max Gluckman, Custom and conflict in Africa, vgl. a. Tilman Grottian, Systemtheoretische Ansätze bei Max Gluckman, LIT, Münster/Hamburg 1994, ISBN 3-89473-645-3.
  2. Für Bauernhöfe wurde im deutschen Rechtskreis diesen Folgen (regional) durch das Anerbenrecht Rechnung getragen.
  3. Siehe Jonathan Carr, Der Wagner-Clan, dt. v. Hermann Küsterer, Hoffmann und Campe, Hamburg 2008.

Siehe auch

Erbmonarchie


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