Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr

Hänschen klein ist ein deutsches Volks- und Kinderlied aus dem 19. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

Text

Sein Text stammt von dem Dresdner Lehrer Franz Wiedemann (1821–1882). Das Motiv ähnelt dem Gedicht Das Erkennen von Johann Nepomuk Vogl (1802–1866), in dem ein Wanderbursche letztendlich zu seiner Mutter zurückkehrt.

Der erzieherische Text macht für Kinder menschliche Nähe, Abschiednehmen, Trennungsschmerz und Wiederfinden erfahrbar. Ganz im Sinne des Biedermeier wird der heimischen Geborgenheit der Vorzug gegeben. Wie im gesamten Werk Franz Wiedemanns ist das Ziel des Gedichts, die herrschenden Normen der damaligen bürgerlichen Gesellschaft einer jungen Generation zu vermitteln.

Der ursprüngliche Text beschreibt die Ablösung des Jungen von der Mutter und der Wiederkehr als erwachsener Mann. Die Mutter lässt ihn trotz der eigenen Trauer gehen und erkennt ihn dann bei seiner Rückkehr als Mann wieder und begegnet ihm mit Liebe. Die neuere Version hat den Inhalt praktisch ins Gegenteil verkehrt, denn der versuchte Ablösungsprozess von der Mutter gelingt nicht. Die Mutter ist über den Weggang traurig, Hänschen (der Junge) bleibt da und wird nie zum Hans (zum Mann) werden.

Melodie

Die Melodie folgt dem Lied „Fahret hin“ (von Johann Gustav Gottlieb Büsching und Friedrich Heinrich von der Hagen 1807), ist aber vermutlich sehr viel älter, möglicherweise von vor Anfang des 18. Jahrhunderts.

Popularität

Sehr häufig war es in ganz Deutschland das erste Lied, das Kindern überhaupt beigebracht wurde, dann in der Umdichtung (O. Frömmel [1899] zugeschrieben), die seine Popularität bei Müttern erklärt: Hänschen klein | ging allein | in die weite Welt hinein. | Stock und Hut | steht ihm gut, | er ist wohlgemut. | Doch die Mutter weinet sehr, | hat ja nun kein Hänschen mehr! | Da besinnt | sich das Kind, | kehrt nach Haus’ geschwind.

Redensartlich und herabsetzend sagte man über einen unmusikalischen oder sonst einfältigen Menschen: „Der ist nicht über ‚Hänschen klein‘ hinaus gekommen.“

Originaltext

Der Originaltext behandelte gar kein weglaufendes Kleinkind, sondern einen jungen Mann, der in die Welt zieht, um sein Glück zu versuchen. Vgl. das Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“

Er beschreibt den Ablösungsprozess von der Mutter als einen Teil des Erwachsenwerdens. Aus Hänschen wird Hans.

Hänschen klein
Ging allein
In die weite Welt hinein.
Stock und Hut
Steht ihm gut,
Ist gar wohlgemut.
Doch die Mutter weinet sehr,
Hat ja nun kein Hänschen mehr!
„Wünsch dir Glück!“
Sagt ihr Blick,
„Kehr’ nur bald zurück!“

Sieben Jahr
Trüb und klar
Hänschen in der Fremde war.
Da besinnt
Sich das Kind,
Eilt nach Haus geschwind.
Doch nun ist’s kein Hänschen mehr.
Nein, ein großer Hans ist er.
Braun gebrannt
Stirn und Hand.
Wird er wohl erkannt?

Eins, zwei, drei
Geh’n vorbei,
Wissen nicht, wer das wohl sei.
Schwester spricht:
„Welch Gesicht?“
Kennt den Bruder nicht.
Kommt daher die Mutter sein,
Schaut ihm kaum ins Aug hinein,
Ruft sie schon:
„Hans, mein Sohn!
Grüß dich Gott, mein Sohn!“


Parodie

Die Popularität des Liedes sorgte für zahlreiche Parodien. Unter Kindern verbreitet war z. B. eine Berliner Variante: Hänschen klein | ging allein | in’n Berliner Turnverein. | Turnt am Reck, | fällt in’n Dreck, | ist die Nase weg. || Kommt der Doktor Hampelmann, | klebt die Nas’ mit Spucke an. | Hänschen klein | freut sich sehr, | hat nun eine Nase mehr. Da die Melodie am Ende das Wort „mehr“ sinnwidrig unbetont lässt („Náse mehr“ ist ein Daktylus), verstanden Neulinge, zur Freude der anderen, den Sinn mitunter nicht gleich.

Auf Hebräisch

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schrieb im vorstaatlichen Israel (im damaligen britischen Mandat von Palästina) der in Wilna geborene Schriftsteller Yisrael Duschmann eine hebräische Version zu Hänschen klein. Das Lied (Hebräisch: Jonatan HaKatan) gilt heute als bekanntestes Kinderlied in Israel.

Vom ursprünglichen Inhalt ist auf Hebräisch allerdings nichts erhalten geblieben. Übersetzt lautet das Lied:

Der kleine Jonatan
Rannte am Morgen zum Kindergarten.
Er kletterte auf den Baum
Und suchte nach Küken.
Weh und Ach dem Unartigen:
Ein großes Loch ist in seiner Hose.
Vom Baum rollte er hinunter
Und bekam seine Bestrafung.

Hörbeispiele

Gitarrenbearbeitung einer einfachen und einer synkopierten Version des Liedes

  • media:Picking Haenschen klein einfach.mid
  • media:Picking Haenschen klein synkopiert.mid

Siehe auch

Weblinks


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