Hänschen klein

Hänschen klein

Hänschen klein ist ein deutsches Volks- und Kinderlied aus dem 19. Jahrhundert von Franz Wiedemann (1821–1882) und handelt vom Erwachsenwerden. Der Text, wie er heute allgemein bekannt ist, ist eine Umdichtung vom Anfang des 20. Jahrhunderts; und hat nicht mehr die Thematik des Erwachsenwerdens (siehe Bekanntheit heute).

Inhaltsverzeichnis

Text

Sein Text stammt von dem Dresdner Lehrer Franz Wiedemann (1821–1882). Das Motiv ähnelt dem Gedicht Das Erkennen von Johann Nepomuk Vogl (1802–1866), in dem ein Wanderbursche letztendlich zu seiner Mutter zurückkehrt.[1]

Der erzieherische Text macht für Kinder menschliche Nähe, Abschiednehmen, Trennungsschmerz und Wiederfinden erfahrbar. Ganz im Sinne des Biedermeier wird der heimischen Geborgenheit der Vorzug gegeben. Wie im gesamten Werk Franz Wiedemanns ist das Ziel des Gedichts, die herrschenden Normen der damaligen bürgerlichen Gesellschaft einer jungen Generation zu vermitteln.

Der ursprüngliche Text beschreibt die Ablösung des Jungen von der Mutter und der Wiederkehr als erwachsener Mann. Die Mutter lässt ihn trotz der eigenen Trauer gehen und erkennt ihn dann bei seiner Rückkehr als Mann wieder und begegnet ihm mit Liebe. Die neuere Version hat den Inhalt praktisch ins Gegenteil verkehrt, denn der versuchte Ablösungsprozess von der Mutter gelingt nicht. Die Mutter ist über den Weggang traurig, Hänschen (der Junge) bleibt da und wird nie zum Hans (zum Mann) werden.

Melodie

Die Melodie folgt dem Jagdlied Jägerlust („Fahret hin“)[2] (gedruckt bei Johann Gustav Gottlieb Büsching und Friedrich Heinrich von der Hagen, 1807[3]), ist aber vermutlich sehr viel älter, möglicherweise von vor Anfang des 18. Jahrhunderts. Ludwig Erk und Franz Magnus Böhme berichten, die Melodie „soll franz[ösischen] Ursprungs sein, was nicht unmöglich wäre, da auch viele Jagdgebräuche aus Frankreich kamen“.[4]

Auf die gleiche Melodie wird auch der von Hermann Adam von Kamp (1796–1867) 1818 verfasste Text Alles neu macht der Mai gesungen.

Bekanntheit heute (seit Anfang des 20. Jahrhunderts)

Sehr häufig war es in ganz Deutschland das erste Lied, das Kindern überhaupt beigebracht wurde, dann in der Umdichtung (O. Frömmel [1899] zugeschrieben), die seine Popularität bei Müttern erklärt: Hänschen klein | ging allein | in die weite Welt hinein. | Stock und Hut | steht ihm gut, | er ist wohlgemut. | Doch die Mutter weinet sehr, | hat ja nun kein Hänschen mehr! | Da besinnt | sich das Kind, | kehrt nach Haus’ geschwind.

Redensartlich und herabsetzend sagte man über einen unmusikalischen oder sonst einfältigen Menschen: „Der ist nicht über ‚Hänschen klein‘ hinaus gekommen.“

Originaltext (19. Jahrhundert)

Der Originaltext behandelte gar kein weglaufendes Kleinkind, sondern einen jungen Mann, der in die Welt zieht, um sein Glück zu versuchen. Vgl. das Sprichwort: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“

Er beschreibt den Ablösungsprozess von der Mutter als einen Teil des Erwachsenwerdens.[5] Aus Hänschen wird Hans.

Hänschen klein
Ging allein
In die weite Welt hinein.
Stock und Hut
Steht ihm gut,
Ist gar wohlgemut.
Doch die Mutter weinet sehr,
Hat ja nun kein Hänschen mehr!
„Wünsch dir Glück!“
Sagt ihr Blick,
„Kehr’ nur bald zurück!“

Sieben Jahr
Trüb und klar
Hänschen in der Fremde war.
Da besinnt
Sich das Kind,
Eilt nach Haus geschwind.
Doch nun ist’s kein Hänschen mehr.
Nein, ein großer Hans ist er.
Braun gebrannt
Stirn und Hand.
Wird er wohl erkannt?

Eins, zwei, drei
Geh’n vorbei,
Wissen nicht, wer das wohl sei.
Schwester spricht:
„Welch Gesicht?“
Kennt den Bruder nicht.
Kommt daher sein Mütterlein,
Schaut ihm kaum ins Aug hinein,
Ruft sie schon:
„Hans, mein Sohn!
Grüß dich Gott, mein Sohn!“


Der Text findet sich auch (in etwas anderer Form) in einem Kinderspiel des 19. Jahrhunderts [6].

Parodie

Die Popularität des Liedes sorgte für zahlreiche Parodien. Unter Kindern verbreitet war zum Beispiel eine Berliner Variante: Hänschen klein | ging allein | in’n Berliner Turnverein. | Turnt am Reck, | fällt in’n Dreck, | ist die Nase weg. || Kommt der Doktor Hampelmann, | klebt die Nas’ mit Spucke an. | Hänschen klein | freut sich sehr, | hat nun eine Nase mehr.[7] Da die Melodie am Ende das Wort „mehr“ sinnwidrig unbetont lässt („Náse mehr“ ist ein Daktylus), verstanden Neulinge, zur Freude der anderen, den Sinn mitunter nicht gleich.

Auf Hebräisch

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schrieb im vorstaatlichen Israel (im damaligen britischen Mandat von Palästina) der in Wilna geborene Schriftsteller Yisrael Duschmann eine hebräische Version zu Hänschen klein. Das Lied (Hebräisch: Jonatan HaKatan) gilt heute als bekanntestes Kinderlied in Israel.[8]

Vom ursprünglichen Inhalt ist auf Hebräisch allerdings nichts erhalten geblieben. Übersetzt lautet das Lied:

Der kleine Jonatan
Rannte am Morgen zum Kindergarten.
Er kletterte auf den Baum
Und suchte nach Küken.
Weh und Ach dem Unartigen:
Ein großes Loch ist in seiner Hose.
Vom Baum rollte er hinunter
Und bekam seine Bestrafung.

Trivia

Hänschen klein war mutmaßlich das erste Lied, das von einem Computer - dem Zuse Z22 - gespielt wurde.[9] Aus diesem Grund hat es Eingang in die deutsche Synchronfassung von Stanley Kubricks Film 2001: Odyssee im Weltraum gefunden, wo es vom Bordcomputer HAL 9000 bei seiner Deaktivierung gesungen wird.[10]

Hörbeispiele

Gitarrenbearbeitung einer einfachen und einer synkopierten Version des Liedes

Einzelnachweise

  1. Johann Nepomuk Vogl: Das Erkennen
  2. Fahret hin fahret hin
  3. Johann Gustav Gottlieb Büsching, Friedrich Heinrich von der Hagen: Sammlung deutscher Volklieder. 1807. Melodienheft S. 11. Zitiert nach: Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme: Deutscher Liederhort. Band 3, 1894, S. 318.
  4. Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme: Deutscher Liederhort. Band 3, 1894, S. 318.
  5. Elmar Drieschner: Erziehungsziel „Selbstständigkeit“. VS Verlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-15437-4. (online in der Google Buchsuche)
  6. Volksbrauch, Aberglauben, Sagen und andre alte Ueberlieferungen im Voigtlande (1867) von August Ernst Köhler
  7. Lukas Richter: Mutter, der Mann mit dem Koks ist da. Berliner Gassenhauer. 2. Auflage. VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1977, S. 119.
  8. Horst Zuse - Homepage
  9. Stefan Höltgen: HAL 9000 und die Z22, SimulationsRaum, 20. April 2010.

Weblinks


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