Weiße Schnabelbinse

Weiße Schnabelbinse
Weißes Schnabelried
Blütenstand des Weißen Schnabelriedes (Rhynchospora alba).

Blütenstand des Weißen Schnabelriedes (Rhynchospora alba).

Systematik
Klasse: Einkeimblättrige (Liliopsida)
Unterklasse: Commelinaähnliche (Commelinidae)
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Sauergrasgewächse (Cyperaceae)
Gattung: Schnabelried (Rhynchospora)
Art: Weißes Schnabelried
Wissenschaftlicher Name
Rhynchospora alba
(L.) Vahl

Das Weiße Schnabelried (Rhynchospora alba) gehört zur Familie der Sauergrasgewächse (Cyperaceae). Ein weiterer gebräuchlicher Name ist Weiße Schnabelbinse. Es ist eine kennzeichnende Art in nassen Vertiefungen (Schlenken) der Bult-Schlenken-Komplexe in Regenmoorzentren sowie von Schwingrasen verlandender Moorkolke.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Rinnige Blattspreite des Weißen Schnabelriedes.

Die mehrjährige, krautige Pflanze erreicht Wuchshöhen zwischen 10 und 40, bisweilen bis zu 65 Zentimetern. Dieser sommergrüne Hemikryptophyt bildet lockere Rasen. Das Rhizom bildet keine oder nur kurze Ausläufer aber zehn bis 20 Millimeter lange weißliche Winterzwiebeln. Die Stängel sind aufrecht und beblättert, im Querschnitt dreikantig und oberwärts rau. Die Blattscheiden sind gelbbraun; die untersten besitzen keine Blattspreiten. Diese sind flach-rinnig bis zu zwei Millimeter breit sowie am Rand und an der Spitze etwas rau.

Die Hüllblätter des Blütenstandes sind laubblattartig, etwa so lang oder etwas länger als dieser. Der Blütenstand besteht aus mehreren gestielten, kopfartig zusammengezogenen Spirren. Jede einzelne Spirre verfügt über zwei bis fünf kurzgestielte, anfangs weißlichen später gelbbraunen bis fast rötlichen Ährchen. Diese sind rundlich und etwa 4 bis 5 Millimeter lang, eiförmig bis länglich, spitz und rundlich. Ein Ährchen umfasst zwei bis drei zwittrige Blüten und am Grund zwei bis drei sterile Spelzen. Die anfangs weißen und später rötlichen Spelzen sind eiförmig lanzettlich und stachelspitzig. Die hellbraunen Hüllfäden der Blütenhülle (Perianth) sind neun bis dreizehn Millimeter lang und kürzer als die Frucht. Am Grunde tragen sie lange Wimperhaare. Die Blüte verfügt über je zwei Staubblätter (Antheren) und Narben. Die Karyopse (eine Sonderform der Nussfrucht) ist linsenförmig zusammengedrückt und weist zwei scharfe Ränder auf. Sie sind eineinhalb bis zwei Millimeter lang und hellbraun. Die verbleibende Griffelbasis bildet an der Frucht einen schnabelartigen Fortsatz, worauf der Name Bezug nimmt. Die gelbbraune Frucht ist 2,0 bis 2,5 Millimeter lang. Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis August.[1]

Verwechslungsmöglichkeiten

Fruchtstand und „geschnäbelte“ Frucht unten rechts

Eine mögliche Verwechslung der Art besteht mit der habituell sehr ähnlichen aber deutlich selteneren Braunen Schnabelbinse (Rhynchospora fusca). Diese bildet Ausläufer. Die Spirren werden von meist ein bis zwei Hüllblättern weit überragt. Die ungestielten (sitzenden) Ährchen sind dunkel- bis rotbraun.

Verbreitung und Standort

Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba)

Das Weiße Schnabelried kommt in fast ganz Europa mit Ausnahme des äußersten Nordens und Südens vor. Es ist außerdem in Nordamerika und Asien beheimatet. Es wächst auf staunassen, oft nackten, kalk- und basenarmen Torfen und Torfschlamm in Sauer-Zwischenmooren und Regenmoor-Schlenken sowie moosreichen Schwingrasen selten auch als Pionier auf sandigen, humosen Böden. Sein Gesamtareal wird mit zehn Millionen bis eineinhalb Milliarden km² angegeben. Sein Arealanteil in Deutschland beträgt 10 % bis 30 %. In Deutschland ist die Art von jeher heimisch (indigen).[2]

Vergesellschaftung

Auf den genannten Standorten bildet die Pflanze, oft artenarme Kleinseggenriede. Ihr Hauptvorkommen liegt in den Pflanzengesellschaften der Ordnung der Pioniergesellschaften von Moorschlenken (Scheuchzerietalia palustris).

Innerhalb des Verbandes des Rhynchosporion albae bildet das Weiße Schnabelried die Kennart der Assoziation des Rhynchosporetum albae. Die konkurrenzschwachen und wenig produktiven Bestände sind oft schütter und sehr kleinflächig ausgebildet. Sie setzen sich zusammen aus Mittlerem Sonnentau (Drosera intermedia), Sumpfbärlapp (Lycopodiella inundata) und Schmalblättrigem Wollgras (Eriophorum angustifolium). Die Gesellschaften formen meist in Schlenken der zentralen Regenmoorflächen Mitteleuropas kleinflächig strukturierte Mosaike mit den zwergstrauchreichen Hochmoor-Torfmoosgesellschaften der Klasse Oxycocco-Sphagnetea auf trockeneren Bulten (Bult-Schlenken-Komplex) aus.

Ferner hat die Pflanzenart ein Hauptvorkommen in Sauer-Zwischenmooren im selten gewordenen Fadenseggen-Übergangsmoor (Caricetum lasiocarpae). Die Pflanzengesellschaft kommt oft in engem Kontakt mit Hochmooren vor und bildet an Moorgewässern wie Moorkolken sowie Heideweihern Schwingrasen aus.

Schließlich tritt das Sauergras in Moorheiden der Ordnung der Glockenheide-Moore (Sphagno-Ericetalia) oft zusammen mit der Deutschen Rasenbinse (Trichophorum cespitosum subsp. germanicum) auf.[3]

Ökologie

Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba) in einer feuchten Moorheide in Nordwestdeutschland mit Glockenheide (Erica tetralix)

Ökologische Zeigerwerte nach Ellenberg: L - 8 T - 5 K - 3 F - 9= R - 3 N - 2 S - 0

Das Weiße Schnabelried ist eine Halblicht- bis Volllichtpflanze, erträgt nur eine geringe Beschattung. Sein ökologischer Schwerpunkt liegt auf oft durchnässten luftarmen, stickstoffarmen und sauren Böden. Es überwintert mit Winterzwiebelchen aus denen es im Frühjahr wieder austreibt.[4]

Die Blüten werden durch den Wind bestäubt (Anemophilie). Die Früchte werden über Klettausbreitung verbreitet.

Das Weiße Schnabelried ist ein sogenannter Stressstratege, das heißt sie hat bei geringem Biomassezuwachs und geringer Konkurrenzkraft Anpassungen an extreme Standortbedingungen entwickelt, so dass sie dort nicht von anderen Arten bedrängt wird. So besiedelt sie nackte Torfflächen meist als Pionier.

Gefährdung und Schutz

Das Weiße Schnabelried gilt europaweit nicht als gefährdet und ist weltweit nicht gesondert gesetzlich geschützt. In Deutschland gilt es als gefährdet. Ebenso gilt sie in allen Bundesländern als gefährdet bis stark gefährdet. In Sachsen-Anhalt, im Saarland, in Hessen und in Berlin gilt sie als vom Aussterben bedroht. In Deutschland wird ihre Bestandesentwicklung ob des Rückganges ihrer natürlichen Standorte als rückläufig angesehen.[2]

In der Schweiz gilt das Weiße Schnabelried als potenziell gefährdet (NC, near threatened). In einigen Kantonen gilt es als stark gefährdet (EN, endangered) bis vom Aussterben bedroht (CR, critical endangered).[5]

Die Gefährdungsursachen liegen in der Kultivierung der Hochmoore und Moorheiden, Abtorfung und Eutrophierung sowie Entwässerungen von Mooren und feuchten Heideflächen.

Bult-Schlenken-Komplex mit Weißem Schnabelried in tiefer gelegenen Bereichen eines regenerierenden Regenmoores.

Quellen und weiterführende Informationen

Einzelquellen

  1. J. Grau, B. P. Kremer, B. M. Möseler, G. Rambold & D. Triebel: Gräser. Mosaik-Verlag, München 1996. ISBN 3-576-10702-9
  2. a b nach Flora Web [1], abgerufen am 11.08.06
  3. Erich Oberdorfer: Süddeutsche Pflanzengesellschaften. Teil I: Fels- und Mauergesellschaften, alpine Fluren, Wasser-, Verlandungs- und Moorgesellschaften. 4. Auflage, Gustav Fischer, Jena, Stuttgart, 1998. ISBN 3-437-35280-6
  4. Heinz Ellenberg, H. E. Weber, R. Düll, V. Wirth, W. Werner & D. Paulißen: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Scripta Geobotanica 18, Verlag Erich Goltze, 1992. ISBN 3-88452-518-2
  5. nach Bundesamt für Umwelt, Rote Liste download von [2]: RL_20021008_compact.xls, PDF

Literatur

  • H. Joosten & Michael Succow: Landschaftsökologische Moorkunde. E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 2001. ISBN 3-510-65198-7
  • Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Ulmer, Stuttgart 1994. ISBN 3-8252-1828-7

Weblinks


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