Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon

Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon

Die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO), auch Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, Bührle & Co., war ein Schweizer Unternehmen, das 1906 als Abspaltung von der Maschinenfabrik Oerlikon entstand. Der Hauptsitz des Unternehmens befand sich ursprünglich in der Gemeinde Oerlikon, seit 1934 ein Quartier der Stadt Zürich.

1973 wurde um das Unternehmen herum die Oerlikon-Bührle Holding AG geschaffen, wodurch sich für das Unternehmen der Kurzname Oerlikon-Bührle durchsetzte. Nach tiefgreifender Restrukturierung und dem Verkauf diverser Kernbereiche im Jahr 1999 änderte die Holding im Januar 2000 ihren Namen in Unaxis, 2006 in OC Oerlikon.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Umfeld der Aufrüstung der Dreissigerjahre forcierte Emil Georg Bührle (1890 bis 1956) in der ab 1924 zunächst von ihm geleiteten und ab 1929 mehrheitlich in seinem Besitz stehenden Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) den Waffensektor und baute die Firma zum führenden Schweizer Rüstungsunternehmen um.

Die 1906 gegründete Fabrik war 1923 dank der Übernahme durch die Magdeburger Maschinenfabrik vor dem Konkurs bewahrt worden. Der deutsche Staatsangehörige Bührle führte die WO als Geschäftsführer, ab 1929 als Mehrheitsaktionär und ab 1936 als alleiniger Inhaber; 1937 wurde er Schweizer Bürger. In den wirtschaftlich schwierigen Zwanzigerjahren mit anhaltend schlechten Ertragslagen im Bereich Werkzeugmaschinen entwickelte Bührle das Waffengeschäft mit der laufend weiterentwickelten 20-mm-Oerlikon-Maschinenkanone (auf englisch schlicht «the Oerlikons» genannt) bis Anfang der Dreissigerjahre zum Hauptgeschäft der Unternehmung. Das Geschütz wurde anfänglich auch als Panzerabwehrkanone, insbesondere aber als Flugzeug- und Fliegerabwehrkanone ein Exportschlager. Es konnte bereits vor dem Krieg nahezu in die ganze Welt exportiert werden.

20mm Oerlikon-Maschinenkanone im Einsatz (Mai 1943)

Hauptabsatzländer im hart umkämpften und von den Rüstungsindustrien Frankreichs, Grossbritanniens und den USA mit Weltmarktanteilen von zwischen 76,9% (1924) und 65,1% (1929) beherrschten Markt waren zunächst vor allem aussereuropäische Nicht-Industriestaaten, die über keine eigene Rüstungsindustrie verfügten. Die Grossmächte Frankreich und England importierten in den Zwanziger Jahren praktisch keine Rüstungsgüter, grössere Import-Anteile von zwischen 2,5% und 5% der Welteinfuhren wiesen nur die Industrie-Länder Japan, Niederlande und die USA auf. Erst ab etwa Mitte der Dreissigerjahre wurden im Zeichen der allgemeinen Aufrüstung auch die grossen Märkte der zukünftigen Gegner des Dritten Reiches für Importe überhaupt geöffnet oder interessant.

Zur Geschäftsentwicklung der WO mit dem Aufbau eines Rüstungssektors und zunehmender Exporttätigkeit in der Zwischenkriegszeit kann festgehalten werden: Die Kriegsmaterialgeschäfte der WO standen in den Zwanziger- und Dreissigerjahren im Einklang mit der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik. Diese baute auf eine exportfähige Schweizer Rüstungsindustrie als Basis zur Versorgung der eigenen Armee und förderte den erfolgreichen Rüstungssektor auch aus Gründen der Arbeitsbeschaffung. Es bestanden für die Geschäfte der Schweizer Rüstungsindustrie und somit auch für die WO bis 1938 grundsätzlich weder innerstaatliche noch völkerrechtliche Einschränkungen. Der WO selber war jeder zahlende Kunde recht – für das Waffengeschäft existierten insbesondere auch beim Firmeninhaber E. G. Bührle keine politischen oder ideologischen Prädispositionen.

Das neutralitätspolitisch motivierte bundesrätliche Waffenausfuhrverbot während des spanischen Bürgerkrieges wurde 1936 - möglicherweise ohne Wissen der WO – über Mexiko umgangen. In den Medien wurden Meldungen über Lieferungen von Oerlikon-Waffen an das republikanische Spanien publiziert. Nach Abessinien lieferte die WO 1935 bis kurz vor Inkrafttreten des Waffenausfuhrverbots Maschinenkanonen. Auch später soll die WO von E.G. Bührle angeblich Waffen in das von Italien angegriffene Land schmuggeln lassen haben. Bührle vertrat Abessinien in der Schweiz als Generalkonsul.

Oerlikon-Bührle bemühte sich, in allen wichtigen expansiven Märkten Fuss zu fassen. Das gelang nur zum Teil und zunächst vor allem ausserhalb Europas, da die grossen Mächte ihre eigenen Märkte und Rüstungsindustrien abschotteten. Den Durchbruch erzielte die WO mit einem Grossauftrag von über 100 Kanonen in China (1929). Beliefert wurden in Europa, wo der Marktzutritt bei den Grossmächten bis zur forcierten Aufrüstung im Gefolge des Anschlusses von Österreich und der Sudetenkrise schwierig blieb, vor allem kleinere Staaten wie die baltischen Staaten, die Tschechoslowakei und Griechenland. Auch die Türkei war Kunde. Zu wirklichen Grossaufträgen und -lieferungen kam es infolge der massiven Aufrüstungen 1938 nach Frankreich, Holland und England. Ab 1936 war man mit der Schweiz im Geschäft. In Frankreich, in Deutschland, in Italien, in Japan und in England kam es zu Zusammenarbeitsversuchen (1932/33 mit Hispano-Suiza, Frankreich), zur Zusammenarbeit (1932/33 mit Scotti, Italien), zu Lizenzvergaben (1936 an Deutschland und Japan, 1939 an GB) und Firmen-Beteiligungen (1934 bis 1939 an der IKARIA, Deutschland).

Infolge des Geschäftserfolges der 20-mm-Flugabwehrkanone und infolge der allenthalben einsetzenden Aufrüstung stieg die WO in den Dreissigerjahren zur mit Abstand grössten privaten Rüstungsherstellerin der Schweiz auf und beschäftigte 1939 über 2'000 Personen. Die WO hatte als Arbeitgeberin resp. Auftraggeberin seit Ende der Dreissigerjahre für Zulieferanten in der Schweizer Wirtschaft eine bedeutende Position inne.

1939 gründet Bührle mit Partnern die Pilatus-Flugzeugwerke (Pilatus Aircraft) in Stans (CH). Die Diversifikationsstrategie Emil G. Bührles erfolgte zur Risikominderung einerseits in den zivilen Sektor und andererseits in den Aufbau der Flugzeugwerke Pilatus. Die Pilatus-Werke erreichten während des Krieges infolge der schwierigen Rahmenbedingungen keine nennenswerte Produktion. Effektiv erbrachte Leistungen von Pilatus zu Gunsten der Kriegsparteien sind auf Grund der untersuchten Akten und des bisherigen Wissensstandes keine nachzuweisen. Hauptauftraggebende der WO waren bis zur Kapitulation Frankreichs im Sommer 1940 die alliierten Länder - an der Spitze England und Frankreich. Diese Länder platzierten in Oerlikon für fast SFr 250 Mio. Bestellungen. Zu deren Erfüllung mussten aus Rücksicht auf die bundesrätliche Politik sogar dringende Bedürfnisse der Schweizer Armee nach 20-mm-Oerlikon-Kanonen zurückgestellt werden.

Die Achsenmächte interessierten sich vor dem Fall Frankreichs kaum für das in der Schweiz hergestellte Produkt. Die deutschen Behörden verdrängten vielmehr E.G. Bührle, nachdem er 1937 Schweizer geworden war, im Rahmen ihrer Autarkiepolitik bis 1939 gezielt aus seinen deutschen IKARIA-Beteiligungen. Sowohl Italien als auch Deutschland verfügten bei Kriegsausbruch bereits seit Jahren über eigene leistungsfähige Produzenten von 20-mm-Geschützen (Mauser, Rheinmetall, Scotti, Breda). Erst ab Sommer 1940 lieferte die WO im Einklang mit der bundesrätlichen Politik und auf Druck der Schweizer Handelsdelegation auch 20-mm-Kanonen an die Achsenmächte. Übereinstimmend beurteilt die Forschung heute die – später von Bundesrat Kobelt zwar bestrittene - Aufforderung des Bundes an E. G. Bührle zur Lieferung an Deutschland als Verletzung des Neutralitätsrechtes. Die Achsenmächte traten aus Sicht der WO bei den nun anlaufenden Geschäften teilweise in die nicht mehr erfüllbaren Lieferkontrakte mit England und Frankreich ein. Während kleinere Schweizer Kriegsmaterialgüter wie Chronographen, Mikrometer, Bohrer, Fräser und Industriediamanten sowie Uhren aus der Schweiz trotz Deutscher Sperre als Schmuggelware weiterhin auch die Alliierten – insbesondere England – erreichten, war das für die Kanonen der WO auf Grund von Gewicht und Volumina der Waren nicht mehr möglich.

Die Geschäftstätigkeit der WO mit den Ländern der Achse – Deutschland, Italien und Rumänien – erreichte in den Jahren 1940 bis 1944 einen Gesamtumfang von SFr 543,4 Mio. und umfasste die Lieferung von 7’013 Stück 20-mm-Kanonen, 14'758'489 Schuss Munition, 12'520 Ersatzrohren und 40'092 Magazinen. Was 1943/44 bestellt und produziert wurde, gelangte allerdings auf Grund der Entwicklung der Bewilligungspraxis und der Kriegslage teilweise nicht mehr zur Auslieferung.

Die WO befand sich ab 1944 und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg infolge der Schwarzen Listen (USA, Grossbritannien) und infolge offener Forderungen aus unvollständig abgewickelten Kontrakten (Deutschland, Italien) gegenüber allen ehemaligen Kriegsparteien in einer äusserst schwierigen Lage. In der durch das Waffenausfuhrverbot seit Herbst 1944 für die WO und ihre Arbeitnehmerschaft katastrophalen Situation war es Emil G. Bührle persönlich, der die WO samt Belegschaft mit Hilfe seines persönlichen Vermögens während rund fünf Jahren über Wasser hielt.

1946 erfolgte die Gründung der Gerätebauanstalt in Balzers (Liechtenstein). Das Unternehmen spezialisierte sich auf die Herstellung dünner Schichten und begründete so die Kerntechnologie der heutigen Unaxis. 1957 Geschäftsentwicklung in Richtung Vakuumtechnologie und erstes Produktionswerk für Prozesssysteme in Trübbach (CH). 1973 erfolgte die Schaffung der Oerlikon-Bührle Holding AG und die Notierung an der Schweizer Börse. Drei Jahre später integrierte der Konzern die Balzers AG. Die Oerlikon-Bührle-Gruppe beschäftigte 1980 rund 37'000 Mitarbeiter, der Höchststand in der Geschichte des Konzerns. 1991 zwangen Misserfolge im Bereiche von ADATS zum Entscheid zur Fokussierung auf Technologie, Verbrauchsgüter und Kundenservice. 1994 übernahm Oerlikon-Bührle die in der Vakuumtechnik tätige Leybold-Gruppe und fusionierte sie mit Balzers zu Balzers & Leybold, dem führenden Unternehmen für Dünnschichttechnologie.

1999 fokussierte der Konzern auf ausgewählte Technologiesektoren und veräusserte den Rüstungsbereich Oerlikon Contraves Defence an die deutsche Rheinmetall DeTec und den Schuhhersteller Bally an die US-amerikanische Texas Pacific Group. Die Oerlikon-Bührle Immobilien AG wurde an die Allreal Holding verkauft und firmiert seither als Allreal Generalunternehmung AG. Im Januar 2000 erfolgte die Umbenennung des Oerlikon-Bührle-Konzerns in Unaxis und im September 2006 ein Rebranding auf OC Oerlikon AG.

Literatur

  • Daniel Heller, Zwischen Unternehmertum, Politik und Überleben. Emil G. Bührle und die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, Bührle & Co 1924–1945, Verlag Huber: Frauenfeld 2002.

Siehe auch

  • Contraves Space
  • «The Oerlikon» (en) – Beschreibung der 20-mm-Oerlikon-Maschinenkanone

Weblinks


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