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Dsiga Wertow (russisch Дзига Вертов, eigentlich Denis Arkadjewitsch Kaufman/Денис Аркадьевич Кауфман, wiss. Transliteration Dziga Vertov, eigentlich Denis Arkad'evič Kaufman; * 3. Januarjul./ 15. Januar 1896greg. in Białystok; † 12. Februar 1954 in Moskau) war ein sowjetischer Filmemacher. Er gilt sowohl seines experimentellen Schaffens als auch seiner theoretischen Texte wegen als einer der wichtigsten frühen Dokumentarfilmregisseure.
Wertow war ein Bruder des späteren Hollywood-Kameramannes und Oscar-Preisträgers Boris Kaufman und des Kameramanns Michail Kaufman, mit dem er zusammenarbeitete, so in seinem berühmtesten Film "Der Mann mit der Kamera".
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Wertow produzierte seit der Oktoberrevolution 1917 agitatorische Wochenschauen (Kinonedelja (Filmwoche) und Kino-Prawda (Film-Wahrheit)), später auch längere teils propagandistische Dokumentarfilme. Bei seiner Arbeit standen ihm seine Ehefrau Jelisaweta Swilowa als Cutterin und sein Bruder Michael Kaufman als Kameramann zur Seite.
Wie Sergej Eisenstein und andere sowjetische Stummfilm-Regisseure seiner Zeit bemühte er sich, das Publikum seiner Filme durch Methoden der Filmmontage zu manipulieren. Dabei ging er oft noch weitaus experimenteller als seine Zeitgenossen vor, was seinem künstlerischen Werdegang ein Ende bereitete, als in den 1930er Jahren auch in der Filmkunst der Sozialistische Realismus als Leitbild vorgeschrieben wurde - und gerade Filmdokumentaristen auch dem Personenkult um Stalin ihren Tribut zollen mussten. So musste Wertow 1934 in "Drei Lieder über Lenin" - einer filmischen Hymne über die glühende Verehrung des Gründers der Sowjetunion zu dessen 10. Todestag - auf Befehl Stalins diesen selbst hinreichend in Szene setzen. Der einschlägige Film "Wiegenlied" ist ein aufschlussreiches Beispiel für den Missbrauch seiner dokumentarischen Mittel und seiner Montagekunst.
Wertows bekanntester Film und zugleich beispielhafte Kristallisation seines gesamtes Schaffen ist Der Mann mit der Kamera (Человек с Кино-Аппаратом/Tschelowek s kinoapparatom), der einerseits das urbane Leben in sowjetischen Großstädten und die Mechanisierung des Lebens glorifiziert, andererseits jedoch den eigenen Entstehungsprozess von der Kameralinse bis zum Schneideraum thematisiert. Eine Vielzahl inhaltlicher und stilistischer Ähnlichkeiten macht diesen Film zu einem Vorgänger von Godfrey Reggios Koyaanisqatsi.
Wertows ästhetische Konzepte
Wertow veröffentlichte diverse Schriften und Manifeste über die ästhetischen Überlegungen, die hinter seinen Filmen standen. Er lehnte die mit Schauspielern inszenierten Fiktionen des Spielfilms als bürgerlich ab. Dagegen sah er revolutionäres Potential in dem Kino-Oki / Kinoki (Kino-Auge, gemeint war die Kameralinse), das jedes Detail der Welt umfassend und objektiv einfangen könne.
Nicht durch Schauspielerei, Inszenierung oder die Strukturen anderer Künste (des Theaters, des Romans), sondern durch die ausgefeilte Montage objektiver Wirklichkeitsausschnitte sollte der Sinn und die Wirkung des Films entstehen. So ließe sich die aufgenommene Wirklichkeit auch wirkungsvoll derart neu systematisieren, dass sie agitatorischen Zwecken diene.
Wirkung
Ab Ende der 1960er Jahre wurde Dsiga Wertows Werk von ästhetisch wie politisch radikalen Künstlern wieder entdeckt. Wegweisend hierbei war Jean-Luc Godard, der Ende der 1960er Jahre seine individuelle Tätigkeit als Regisseur aufgab und bis in die 1970er Jahre hinein nur noch im programmatisch benannten Kollektiv der Gruppe Dsiga Wertow (fr. Groupe Dziga-Vertov) Filme drehte.
Filmografie (Auswahl)
- Kino-Auge ("Kinoglas") (1924)
- Ein Sechstel der Erde ("Schestaja tschast mira") (1926)
- Das elfte Jahr ("Odinnadzaty") (1928)
- Der Mann mit der Kamera ("Tschelowek s kinoapparatom") (1929)
- Die Donbaß-Sinfonie ("Simfonija Dombassa"/"Entusiasm") (1930)
- Drei Lieder über Lenin ("Tri pesni o Lenine") (1934)
- Wiegenlied ("Kolybelnaja") (1937)
- Drei Heldinnen ("Tri geroini") (1938)
Weiterführende Literatur
- Texte zur Theorie des Films, Reclam 1998, ISBN 3-15-009943-9 (enthält Wertows Manifeste "Wir. Variante eines Manifestes", "Kinoki - Umsturz" und "Kinoglaz")
- Dziga Vertov: Tagebücher / Arbeitshefte, UVK Medien Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2000, ISBN 3-89669-284-4
- Kino-Eye : The Writings of Dziga Vertov, by Dziga Vertov. Michelson, Annette, editor; translated by Kevin O'Brien. (Paperback - August 1995), 408 pages, University of California Press
- Dziga Vertov's Man with the Movie Camera DVD, audio commentary track by Yuri Tsivian
Siehe auch
- Politisches Kino
Weblinks
- Literatur von und über Dsiga Wertow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Dsiga Wertow in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Eine kritische Auseinandersetzung mit Dsiga Wertows Tagebüchern und seiner Rolle im sowjetischen Film
- Videoartworld : The Masters Series. Selected Movies from Vertov. Public Domain Movies Online
- Ausführliche Biographie auf film-zeit.de
- Jerome Philipp Schäfer: Dziga Vertov und das Kinoauge
Personendaten NAME Wertow, Dsiga ALTERNATIVNAMEN Denis Arkadjewitsch Kaufman KURZBESCHREIBUNG Regisseur GEBURTSDATUM 15. Januar 1896 GEBURTSORT Białystok STERBEDATUM 12. Februar 1954 STERBEORT Moskau
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