- Widukind (Sachsen)
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Widukind (auch Wittekind) führte als dux Saxonum, also als Herzog der Sachsen,[1] in den Jahren 777 bis 785 den Widerstand gegen Karl den Großen in den Sachsenkriegen. Die Sachsen unterlagen letztlich den militärisch überlegenen Franken. Der heutige Nordwesten Deutschlands wurde somit dem Karolingerreich einverleibt und schließlich auch christianisiert.
Widukind wurde 777 anlässlich des Reichstags von Paderborn erstmals erwähnt. Nach seiner Taufe in der Königspfalz Attigny (785) fehlen gesicherte Informationen über sein weiteres Schicksal, während seine Gestalt ins Mythische wuchs und teilweise kultisch verehrt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Name und Herkunft
Der Name Widukind bedeutet Waldkind oder Kind des Waldes und war offensichtlich eine Kenning. Widukind war eine Umschreibung des Wolfs, eines Tieres, das mit dem Krieg oder mit dem Tod in Verbindung gebracht wird. Der Name Widukind mag also ursprünglich ein ehrender Beiname gewesen sein, kein Eigenname.[2] Über Widukinds Vorfahren ist nichts bekannt.
Vorgeschichte
Im Jahr 772 fielen die Franken in Sachsen ein und zerstörten die Irminsul, ein heidnisches Heiligtum der Sachsen. Die Zeit der Sachsenkriege, an denen Widukind vermutlich von Anfang an beteiligt war, hatte begonnen – sie währte bis 804. Ein Jahr später überfielen die Westfalen als Vergeltung Deventer, während Karl der Große in Italien weilte. Im folgenden Jahr belagerten die Engern Fritzlar, wurden aber von den dort weilenden Franken zum Rückzug gezwungen. Im Jahr 775 bezwang Karl der Große die Ostfalen und die Engern. Die Westfalen überlisteten eine Heeresabteilung und richteten ein großes Blutbad an. Ein Jahr später zwang Karl der Große einen großen Teil der frankenfreundlichen Edelinge der Sachsen, mit ihm einen Vertrag zu schließen, danach wurde Sachsen zur Mark.
Leben
Im folgenden Jahr blieb der westfälische Edeling Widukind – er wird für 777 erstmals in den Fränkischen Reichsannalen erwähnt – anders als die anderen Edelinge, gegen den Willen Karls des Großen der fränkischen Reichsversammlung in Paderborn fern, und begab sich für ein Jahr zum Dänenkönig Sigifrid. Im Jahr 778 fielen die Westfalen ins fränkische Rheinland ein, zerstörten mehrere Siedlungen und richteten großen Schaden an. In der Zeit von 779 bis 781 begann im damaligen Sachsen, dem heutigen Westfalen, ein zermürbender Kleinkrieg, der sich auch gegen die frankenfreundlichen Edelinge richtete. Im Jahr 782 ist das damalige Sachsen Teil des Frankenreichs geworden.
Widukind kehrte wieder vom Dänenkönig nach Sachsen zurück, wo er zum Aufruhr gegen die Franken aufreizte. Die Sachsen vernichteten daraufhin ein fränkisches Heer und töteten zwei der höchsten Beamten des Frankenkönigs. Karl der Große rächte sich angeblich bei Verden (Aller) mit der Enthauptung von 4.500 Sachsen (Blutgericht von Verden). Ein Jahr später wird Karls Heer zum Rückzug aus der Schlacht an der Grotenburg gezwungen. Die Verstärkung seines Heeres bewirkte eine Niederlage seiner Gegner in der großen Schlacht an der Hase. Im Jahr 784 unterstützten die Friesen Widukind, der den Widerstand gegen die Franken auch im Winter fortsetzte.
Ein Jahr später führten Verhandlungen Weihnachten zur Taufe Widukinds in Attigny, Taufpate war Karl der Große (Widukind wird als Seliger der Katholischen Kirche verehrt). Der Volksmund sieht das Bergkirchener Quellwunder als Anstoß zum Gesinnungswandel an (s. Widukindsdenkmal). Widukind erreichte mit seiner Taufe schließlich einen Friedensvertrag mit Karl dem Großen. Zugleich stärkte er die Stellung der sächsischen Oberschicht im Frankenreich: In der Folgezeit wurden sächsische Edelinge nach ihrer Taufe in die fränkische Grafschaftsverfassung einbezogen, so dass der Geschichtsschreiber Widukind von Corvey bereits für das 9. Jahrhundert das Zusammenwachsen beider Völker zu einem Volk feststellte.
Danach gibt es keine gesicherten Nachrichten mehr über Widukind. Er verschwindet aus den Quellen. Allerdings wird Widukind in der Vita Liudgeri erwähnt, der sich auf dem Weg zum Feldzug gegen die Wilzen befand, und in der Kaiserchronik, in der gesagt wird, Widukind sei von Gerold von Schwaben, dem Schwager Karls des Großen, erschlagen worden (Gerold starb selbst im Jahr 799 auf einem Feldzug gegen die Awaren). Einige Forscher wollen den Ursprung der sauerländischen Kleinstadt Balve mit Ballowa in Verbindung gebracht sehen, einer Anlage, die, ebenfalls in der Vita Liudgeri erwähnt, auf Widukind zurückgehen soll.
Nachkommen
Meginhard berichtet in seiner Schrift über die Übertragung der Gebeine des Heiligen Alexander von einem Sohn Widukinds namens Wikbert. Dieser hatte einen Sohn Waltbert, der wiederum einen Sohn Wikbert, der Bischof von Verden wurde.[3] Widukind von Corvey berichtet, dass Mathilde, die zweite Gemahlin König Heinrichs I., väterlicherseits von Widukind abstammte.
Nachleben
Gerd Althoff hat einen Aufenthalt als Mönch auf der Reichenau nachzuweisen versucht. Diese Annahme ist in der Forschung umstritten. Die mit der aus der Zeit um das Jahr 1100 stammenden Grabdecke in der Stiftskirche in Enger verbundene Überlieferung zum Tod und Begräbnis Widukinds in Enger ist vom Glauben her bestimmt. Man weiß nicht schlüssig, wo Widukind wirklich begraben worden ist. Die Gebeine Widukinds werden in einem Grab in der Stiftskirche zu Enger vermutet. Wissenschaftliche Untersuchungen in den letzten Jahren, die im Widukind-Museum von Enger veranschaulicht sind, scheinen zumindest auf der Grundlage von Indizien diese Vermutungen zu bestätigen, der hundertprozentige Nachweis wurde noch nicht erbracht.
Widukinddenkmal
Zwar gibt es in Nienburg eine Statue und in Enger einen Brunnen mit einer Widukindfigur, das einzige Widukinddenkmal Deutschlands steht in Herford. Es wurde 1959 nach den alten Entwürfen Professor Heinrich Wefings vom Bochumer Bildhauer Kruse neu geschaffen. Das 1899 eingeweihte vorherige Denkmal war im Kriegsjahr 1942 eingeschmolzen worden.[4] Es geht auf eine der vielen Sagen zurück, nach deren gemeinsamem Kern Widukind als wesentlicher Führer des sächsischen Widerstands gegen Karl den Großen während der Sachsenkriege eines Tages über den Kamm des Wiehengebirges geritten sei und darüber nachgedacht habe, welches wohl der richtige Glaube sei. Er sei nämlich vorher in einer Kirche gewesen und habe dort als Bettler verkleidet an einem Gottesdienst teilgenommen, der ihn sehr beeindruckt habe. Unter diesem Eindruck habe er sich ein Zeichen gewünscht, ob das Christentum die richtige göttliche Lehre sei.
Während des Ritts sei sein Pferd dann an der Stelle stehengeblieben, an der heute die Kirche des Ortsteils Bergkirchen von Bad Oeynhausen liegt. Das bei den heidnischen Sachsen als Verbindung zum Göttlichen angesehene Reittier habe dort einen Stein losgescharrt. Aus dem Boden sei darauf eine Quelle hervorgesprungen, was Widukind als Zeichen dafür genommen habe, sich als Vorbild für sein Volk zum Christentum zu bekehren, sich kriegerisch geschlagen zu geben und sich Karl dem Großen zu unterwerfen. Diese Sage wird in dem Herforder Denkmal aus Stein und Bronze dargestellt. Oberhalb der Quelle habe Widukind daraufhin eine Kirche erbauen lassen.
Der heute dort stehende steinerne Kirchenbau ist ein Nachfolger der nach den Sachsenkriegen an dieser Stelle erbauten Holzkirche. Kirche und Quelle liegen in kurzer Entfernung zum Übergang über das Wiehengebirge als letzter Erhebung vor der norddeutschen Tiefebene mit Widukinds Geburtsort Wildeshausen darin.
Die Verquickung einer an einem Bergpass spielenden Quell-Legende mit der als christlich-religiöses Bekehrungserlebnis gedeuteten Entscheidung für eine Unterwerfung unter den militärisch überlegenen Karl den Großen deutet darauf hin, dass sich an der Stelle der heutigen Bergkirchener Kirche vorher ein sächsisches Quellheiligtum befand. Auch an der Bergkirchener Kirche und an der unterhalb liegenden Wittekindsquelle weisen Hinweistafeln auf die Sage und das vermutete frühere Quellheiligtum hin.
Widukindskreis
Der Kreis Herford nennt sich als Zusatz auch Widukindskreis, Wittekindskreis oder Wittekindsland. Seinen Namen Wittekindskreis erhielt der Kreis Herford durch seine enge Beziehung zum Sachsenherzog. Die Erinnerung an Wittekind wird auch durch das Wappen des Kreises Herford wach gehalten. Es zeigt das schwarze, springende Ross, das Wittekind vor seiner Taufe geritten haben soll. Der Legende nach schenkte ihm Karl der Große nach seiner Taufe ein weißes Pferd, das als Wappentier von Westfalen gedeutet wird.
Widukindland
Ein in den 1930er Jahren entstandener Stadtteil im Nordosten der niedersächsischen Stadt Osnabrück trägt den Namen Widukindland, die Straßen und Plätze des Stadtteils zum großen Teil die Namen sächsischer und germanischer Stämme.
Erinnerung
- Liedgut: Herzog Widukind wird im Niedersachsenlied und im Westfalenlied erwähnt. Außerdem wird Widukind von der Westfälischen Metal-Band Heimdalls Wacht im Lied "Die Bürde der Schande" thematisch behandelt und als Retter der Sachsen dargestellt.
- Wanderweg: Der 95 km lange Wittekindsweg auf dem Kamm des Wiehengebirges in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist nach dem Sachsenführer benannt. Der Weg beginnt im Osten am Wittekindsberg mit der Wittekindsburg und versiegter Wittekindsquelle und passiert in Bergkirchen die bekannteste Wittkindsquelle. Eine weitere Wittekindsburg liegt im Osnabrücker Land. Eine weitere Wittekindsquelle befindet sich am Wittekindsweg bei Lübbecke.
- Die jährliche Wittekindspende in Enger entwickelte sich aus einer Armenspeisung, die auf den Sachsenherzog zurückgehen soll.
- Eine Gedenktafel über ihn befindet sich in der Walhalla in Donaustauf.
Quellen
Hauptquelle zu Widukind und den Sachsenkriegen sind die Annales regni Francorum.
- Reinhold Rau (Bearb.): Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Teil 1: Die Reichsannalen. = Annales regni Francorum (= Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Bd. 5, ISSN 0067-0650). Rütten & Loening, Berlin 1955 (Unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe von 1955. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966; Unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe von 1968. ebenda 1987, ISBN 3-534-06963-3; Unveränderter reprografischer Nachdruck der Ausgabe von 1987. ebenda 2008, ISBN 978-3-534-06963-7).
Literatur
- Stefan Brakensiek (Hrsg.): Widukind. Forschungen zu einem Mythos (= Stadt Enger. Beiträge zur Stadtgeschichte 9). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1997, ISBN 3-89534-198-3.
- Torsten Capelle: Widukinds heidnische Vorfahren. Das Werden der Sachsen im Überblick. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89534-741-2.
- Caspar Ehlers: Die Integration Sachsens in das fränkische Reich (751–1024) (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 231). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-35887-0 (Zugleich: Würzburg, Univ., Habil.-Schr., 2005).
- Dieter Hägermann: Karl der Große. Herrscher des Abendlandes. Biographie (= List-Taschenbuch 60275). 3. Auflage. List, München 2006, ISBN 3-548-60275-4.
- Verena Hellenthal: Widukind. Der Widersacher in Sagen und Legenden. Sutton Verlag, Erfurt 2009, ISBN 978-3-86680-504-0.
- Matthias Springer: Die Sachsen (= Urban-Taschenbücher 598). W. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-016588-7.
- Matthias Springer: Widukind. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 33, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2006, S. 581ff. (mit weiterer Literatur).
Weblinks
Commons: Widukind – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Widukind-Museum in Enger
- Grabrelief Widukinds in der Engeraner Kirche Enger, Widukind-Museum (Internet-Portal „Westfälische Geschichte“; mit detaillierter Beschreibung)
- Literatur von und über Widukind (Sachsen) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart 2004, S. 196–197.
- ↑ Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart 2004, S. 195–196
- ↑ Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart 2004, S. 69, 199
- ↑ Rainer Pape (Hrsg.): Das alte Herford. Bilder aus 4 Jahrhunderten. Maximilianverlag, Herford 1971, ISBN 3-7869-0050-7, S. 104.
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