Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe

Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe
Position der Wiederaufarbeitungsanlage in der Nuklearindustrie

Bis etwa Ende der achtziger Jahre war es das erklärte politische Ziel, zur Schließung des nuklearen Brennstoffkreislaufs in Deutschland eine eigene Wiederaufarbeitungsanlage zu errichten. Als Vorstufe für eine industrielle Anlage wurde in Karlsruhe eine Pilotanlage errichtet, in der die wesentlichen Verfahrensschritte erprobt und optimiert werden sollten.

Hierzu gründeten mehrere Unternehmen der chemischen und kerntechnischen Industrie 1964 die Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK). Im Auftrag des Kernforschungszentrums Karlsruhe übernahm diese Gesellschaft die Planung, den Bau und Betrieb der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK)[1], die 1971 in Betrieb ging.

Die Anlage hatte eine Kapazität von 35 t pro Jahr bei 200 Betriebstagen pro Jahr mit einer Anreicherung bis zu 3 % U-235-Äquivalent.

Der Aufschluss der Brennelemente erfolgte im Chop-leach-Verfahren, die Uran/Plutonium-Trennung im zweizyklischen PUREX-Prozess mit 30 % Tri-n-butyl-phosphat in n-Dodecan. Seit der Inbetriebnahme wurden bis zum Ende des Auflösebetriebs im Jahre 1990 208 t bestrahlter Kernbrennstoff aufgearbeitet[2] und über 1 t Plutonium abgetrennt. Das gesamte in der WAK abgetrennte Plutonium entspricht bei 70 % spaltbarem Anteil dem Energiegehalt von 1,5 Millionen Tonnen Steinkohle.

Im Jahr 1990, praktisch zeitgleich mit der Aufgabe des Projekts der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, wurde der Betrieb der WAK endgültig eingestellt.

Rückbau

Die während der 19-jährigen Betriebszeit angefallenen ca. 60 m³ hochradioaktiven Flüssigabfälle (HAWC) mit einer Aktivität von 700 Billiarden Becquerel wurden in Edelstahltanks ständig auf 25 Grad heruntergekühlt. Sie mussten zur Zwischenlagerung an Ort und Stelle in Glas eingebunden werden. Hierfür wurde am Standort Karlsruhe eine Anlage, die Verglasungseinrichtung Karlsruhe (VEK) von 1999 bis 2005 erbaut. Die Inbetriebsetzung wurde 2005 begonnen, ab April 2007 lief die Anlage im kalten Testbetrieb. Die am 16. September 2009 begonnene Verglasung der Abfälle wurde bis Ende 2010 abgeschlossen.[3]

Ziel ist der Rückbau der WAK zur „Grünen Wiese“ bis 2021-2023.[4] Zur Finanzierung der Stilllegung wurden von der DWK und vom Bund je 0,5 Mrd. Euro zurückgelegt, die Ende 2005 aufgebraucht waren. Die Gesamtkosten der Stilllegung und des Rückbaus werden vom Betreiber auf 2,6 Milliarden € (Stand 2007) geschätzt. Die weitere Stilllegung obliegt nun dem Bund, die DWK beteiligt sich in bestimmtem Umfang an den Kosten für die Abfallbehandlung. Seit 2006 ist die WAK eine 100 % Tochter des bundeseigenen Unternehmens Energiewerke Nord.

Plutonium-Affäre 2001

In der zweiten Jahreshälfte 2000 entwendete ein mit dem Rückbau der Anlage beschäftigter Mann einer Speyerer Firma ein Röhrchen mit plutoniumhaltigen Rückständen und ein kontaminiertes Wischtuch. Diese Gegenstände verbrachte er in seine Wohnung, wodurch sowohl diese, als auch drei PKW radioaktiv kontaminiert wurden. Seine Lebensgefährtin, ihre Tochter und er selbst erhielten eine erhöhte Strahlendosis. Mitte 2001 wurden bei dem 47-jährigen Mann im Zuge einer Routineuntersuchung radioaktive Stoffe nachgewiesen, woraufhin auch eine Untersuchung seiner Privatwohnung angeordnet wurde. Er beauftragte sofort seine Lebensgefährtin, die entsprechenden Gegenstände zu entsorgen. Gegen den 47-Jährigen wurde ein vorläufiger Haftbefehl wegen des Verdachts auf Freisetzen ionisierender Strahlen erlassen. Die Dekontamination der Fahrzeuge und der Wohnung und anschließende Entsorgung kostete das Land Rheinland-Pfalz ungefähr zwei Millionen Euro. Dieser Zwischenfall wurde als meldepflichtiges Ereignis mit Meldekategorie N und auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse als Störfall in Stufe 2 eingeordnet. [5]

Quellen

  1. DER SPIEGEL 5/2008: Teure Entsorgung. Seite 17.
  2. Koelzer, Winfried: Lexikon zur Kernenergie. Forschungszentrum Karlsruhe, Karlsruhe 2008, ISBN 3-923704-32-1, S.172 (PDF; 5,8 MB). Abgerufen am 14. November 2009.
  3. Verglasungsanlage wird in Betrieb genommen. ka-news.de (16. September 2009). Abgerufen am 14. November 2009.
  4. Grafik zum Rückbau auf der Seite des Betreibers
  5. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (9. Jul 2002): Meldepflichtige Ereignisse in Anlagen zur Kernbrennstoffver- und -entsorgung, Jahresbericht 2001 (deutsch) (PDF) S. 7,8. Abgerufen am 10. Dezember 2008.

Literatur

Winfried Koelzer: Lexikon zur Kernenergie. Karlsruhe 2001, ISBN 3-923704-32-1

Weblinks

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