Wirbelströme

Wirbelströme

Befindet sich ein ausgedehnter elektrischer Leiter in einem sich zeitlich ändernden Magnetfeld oder bewegt sich ein solcher Leiter in einem Magnetfeld, dann wird in diesem Leiter eine Spannung induziert. Damit diese Spannung einen Wirbelstrom (engl. eddy current) erzeugen kann, muss das Magnetfeld entweder inhomogen sein oder ein Teil des Leiters befindet sich außerhalb des Magnetfeldes, um dem Strom einen Rückweg zu ermöglichen.

Wirbelstrom-Mechanismus, eine metallische Scheibe fällt mit linearer Bewegung durch ein Magnetfeld

Man nennt sie Wirbelströme, weil die Induktionsstromlinien wie Wirbel in sich geschlossen sind und keine festen Bahnen haben. Wirbelströme erzeugen gemäß der Lenzschen Regel ihrerseits ein Magnetfeld, das - je nach Bewegungsrichtung - parallel oder antiparallel zum ursprünglichen Magnetfeld gerichtet ist.

Ist der Querschnitt des Leiters groß genug bzw. besteht ein Rückflussweg für den induzierten Strom mit einem geringen elektrischen Widerstand, erwärmen sie den Leiter und verursachen Verlustwärme. Diese Verluste sind dem Quadrat der Frequenz bzw. dem Quadrat der Bewegungsgeschwindigkeit proportional. Die auftretenden Wirbelströme verursachen selbst ein magnetisches Feld. Dadurch verteilt sich der Strom über den Querschnitt des Leiters ungleichmäßig. Der Strom wird aus der Mitte des Leiters verdrängt. Dieses Phänomen, das Skineffekt oder Hauteffekt genannt wird, ist bei hohen Frequenzen und großen Querschnitten besonders ausgeprägt.

Inhaltsverzeichnis

Nutzanwendungen

Schirmung

Die Schirmwirkung nicht ferromagnetischer metallischer Gehäuse gegen magnetische Wechselfelder beruht auf Wirbelströmen: Beim Auftreffen dieser Felder werden im Gehäuse Wirbelströme induziert, deren Magnetfeld die auftreffenden Felder anteilig kompensiert. Die Quantität einer Schirmwirkung wird mit der Größe Schirmdämpfung erfasst.

Dämpfung

Die Wirbelstrombremse bei Bahnfahrzeugen, in Frei-Fall-Türmen und z. B. an Fahrrad-Ergometern, die Wirbelstromdämpfer für Rastertunnelmikroskope sowie Dämpfungen in Drehspulmesswerken (Drehspule auf Aluminiumrahmen) und anderen Messwerken (z. B. Aluminiumblech-Sektor im Feld eines Dauermagneten) nutzen die Energieabsorption bei Bewegung eines großflächigen Leiters in einem statischen Magnetfeld.

Erwärmung

Die induktive Erwärmung von Metall (z. B. in Schmelzöfen, Induktionskochfeldern, zum induktiven Härten) nutzt ein magnetisches Wechselfeld. Auch das Getter von Elektronenröhren wird induktiv durch den Glaskolben hindurch erhitzt, um es zu verdampfen.

Materialprüfung, Recycling/Abfalltrennung

Die Wirbelstromprüfung dient der zerstörungsfreien Materialprüfung und Materialcharakterisierung; Wirbelstromsensoren in der Automatisierungstechnik und Wirbelstromaufnehmer in der Schwingungstechnik sind Anwendungen, bei denen die Kraftwirkung oder Feldverformung aufgrund der Magnetfelder von Wirbelströmen genutzt wird. Es können Risse erkannt, Materialien unterschieden und Entfernungen von metallischen Bauteilen sehr genau gemessen werden.

Für die Abtrennung nichtmagnetischer Metalle wie Aluminium aus Abfällen werden so genannte Wirbelstromscheider eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird durch ein rotierendes Polrad, welches sich im Allgemeinen am Ende eines Förderbandes befindet, ein Magnetfeld erzeugt. In leitenden Abfallpartikeln, wie Aluminiumdosen oder -folien, werden Wirbelströme induziert, die wiederum ein dem erzeugenden Feld entgegengerichtetes Magnetfeld induzieren. Durch die magnetischen Abstoßungskräfte werden diese Partikel aus ihrer Flugbahn abgelenkt und können in einem separaten Behälter aufgefangen werden.

Mitnahmeeffekt

Asynchronmotoren, d. h. kleine Motoren mit aus Aluminium bestehenden Ferrarisläufern (z. B. die Drehscheibe in Ferraris-Stromzählern) und auch die größeren Asynchronmotoren mit Käfigläufer nutzen die mit dem Läufer umlaufenden Wirbelströme und deren Felder, um den ansonsten nicht magnetischen Läufer in einem Drehfeld mitzuziehen und so ein Drehmoment zu erzeugen. Alle diese Motoren benötigen eine Drehzahldifferenz (Schlupf genannt) zwischen Drehfeld und Läuferdrehzahl, um die Wirbelströme aufrechtzuerhalten – nur dann können sie ein Drehmoment erzeugen.

Umgekehrt wird bei mechanischen Tachometern und Drehzahlmessern eine Aluminiumscheibe durch einen sich drehenden Dauermagneten gegen eine Federkraft mitgenommen bzw. ausgelenkt. Die Kraft nimmt linear zur Geschwindigkeit zu.

Phasenverschiebung

Das Feld von Wirbelströmen ist phasenverschoben zum erzeugenden Feld. Dies macht man sich beim Spaltpolmotor und bei wechselstrombetriebenen Zugmagneten und Schützen zunutze:

  • Beim Spaltpolmotor erzeugt eine Kurzschlusswindung um den Spaltpol ein verzögertes Feld und damit zusammen mit dem Hauptfeld das Drehfeld.
  • Bei Schützen und Zugmagneten verhindert eine Kurzschlusswindung um einen Teil des Ankers, dass das magnetische Gesamtfeld beim Strom-Nulldurchgang ebenfalls Null wird – ansonsten wäre die Kraftwirkung periodisch unterbrochen. Das phasenverzögerte Feld durch die Kurzschlusswindung übernimmt die Kraftwirkung während des Nulldurchganges des Spulen-Stromes.

Impulserzeugung

Spulen, die von einem starken Stromimpuls durchflossen werden, übertragen dabei in benachbarte gut leitende Körper einen abstoßenden mechanischen Impuls. Das kann zur Material-Umformung von Blechen oder zur Beschleunigung von Körpern im Gaußgewehr benutzt werden.

Nachteilige Wirkung von Wirbelströmen

Wirbelströme im Eisenblock (oben) und in laminierten Blechen (unten)

Häufig ist der Wirbelstrom eine unerwünschte Begleiterscheinung beim Einsatz magnetischer Wechselfelder, die zu Verlusten aufgrund der Stromwärme führen. Folgende Gegenmaßnahmen werden getroffen:

  • Die Eisenkerne von Transformatoren und Elektromotoren sind nicht massiv, sondern bestehen aus einzelnen dünnen (einige Zehntelmillimeter), von einander elektrisch isolierten Blechen (sie sind „geblecht“). Die Orientierung der Blechpakete wird dabei so gewählt, dass die magnetischen Feldlinien nicht behindert werden, die Wirbelstrombahnen jedoch unterbrochen sind oder zumindest einen möglichst hohen Widerstand besitzen. Die Bleche in den Magnetkernen sind dazu oft mit Isolierschichten (Lack) versehen. Diese sogenannten Elektrobleche besitzen zudem einen höheren spezifischen elektrischen Widerstand, um die Wirbelströme zu minimieren: Blech für Großtransformatoren besteht z. B. aus Silizium-Eisen (3 % Silizium; ρ = 0,48 Ω · mm²/m) statt aus Reineisen (ρ = 0,13 Ω · mm²/m).
  • Bei Frequenzen über ca. 400 Hz werden für Transformatoren und Drosseln Ferrite oder Pulververbundwerkstoffe (Pulverkerne) eingesetzt. Bei diesen ist der spezifische elektrische Widerstand des Kernmaterials um 6 bis 9 Größenordnungen höher als derjenige von Metallen. Bei Pulverkernen sind die einzelnen Pulverkörner nichtleitend beschichtet und durch Kunstharz gebunden. Hier bestimmt außer der Leitfähigkeit des Pulver-Werkstoffes (z. B. Eisen, Permalloy) auch die Korngröße wesentlich das Auftreten von Wirbelströmen. Aus Pulverkernen werden insbesondere Drosseln mit hohen überlagerten Gleichfeldern gefertigt.
  • Leiter für höherfrequente Anwendungen werden zur Vermeidung der Stromverdrängung (Skineffekt) als Band oder aus mehreren parallelen Einzelleitern gefertigt (HF-Litze).

Siehe auch


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