Belagerung Nicäas

Belagerung Nicäas
Belagerung von Nicäa
Teil von: Erster Kreuzzug
Kleinasien 1097
Kleinasien 1097
Datum 14. Mai19. Juni 1097
Ort Nicäa, Kleinasien
Ausgang Sieg der Byzantiner
Konfliktparteien
Kreuzfahrer
Byzantiner
Rum-Seldschuken
Befehlshaber
Bohemund von Tarent
Gottfried von Bouillon
Adhemar de Monteil
Manuel Boutoumites
Kılıç Arslan I.
Truppenstärke
Kreuzfahrer:
ca. 35.000 Mann
Byzantiner:
ca. 2.000 Mann
Garnison:
unbekannt
Ensatzheer:
ca. 10.000 Mann
Verluste
unbekannt unbekannt

Die Belagerung Nicäas fand während des Ersten Kreuzzugs vom 14. Mai bis 19. Juni 1097 statt. Nachdem die Kreuzfahrer die rum-seldschukische Hauptstadt mehr als einen Monat belagert hatten, ergab sich diese den mit den Kreuzfahrern verbündeten Byzantinern.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nicäa war 1077 von den Seldschuken dem Byzantinischen Reich entrissen worden und war nun die Hauptstadt des Sultanats Rum. 1096 hatte der Volkskreuzzug, die erste Welle des Ersten Kreuzzugs, die Gebiete rund um die Stadt geplündert, bevor er von den Türken vernichtet worden war. Als Ergebnis dieses Siegs hatte Sultan Kılıç Arslan I. zunächst den Eindruck, dass das nun nahende Heer des Ersten Kreuzzug, ebenso wie das vorherige Kreuzfahrerheer keine ernste Bedrohung darstelle. Er ließ seine Familie und den Staatsschatz in Nicäa zurück und begab sich mit seinem Hauptheer auf einen Krieg um die Kontrolle von Melitene gegen die Danischmenden.

Belagerung

Das Heer des Ersten Kreuzzugs begann Konstantinopel Ende April 1097 zu verlassen. Die Kreuzfahrerheer umfasste zu diesem Zeitpunkt ca. 30.000 Mann Infantrie, ca. 4.500 Reiter und zahlreiche Nichtkombattanten.[1] Gottfried von Bouillon war der erste, der Nicäa erreichte. Bohemund von Tarent, dessen Vetter Tankred, Raimund IV. von Toulouse und Robert II. von Flandern folgten ihm, dabei war auch Peter der Einsiedler mit einigen Überlebenden des Volkskreuzzugs sowie eine kleine Einheit von byzantinischen Ingenieuren unter Manuel Boutoumites, die Belagerungsmaschinen mitführten.

Sie kamen am 6. Mai vor der Stadt an. Sie hatten kaum noch Lebensmittelreserven, um deren Nachschub über Land und See sich dann aber Bohemund kümmerte. Am 14. Mai schlossen sie einen Belagerungsring um die Stadt, die mit ihren 200 Türmen verteidigungsbereit war. Bohemund lagerte im Norden, Gottfried im Osten, Raimund und Adhemar de Monteil, der Bischof von Le Puy-en-Velay, im Süden. Im Westen grenzte die Stadt an den Askanius-See.

Niederlage Kılıç Arslans I.

Am 16. Mai stürmten die türkischen Verteidiger aus der Stadt, wurden aber in einem Scharmützel mit dem Verlust von 200 Männern zurückgeschlagen. Die Türken schickten Nachrichten an Kilij Arslan, mit denen um seine Rückkehr gebeten wurde. Als ihm die Stärke der Kreuzfahrerarmee bewusst wurde, schloss er hastig einen Waffenstillstand mit den Danischmenden und rückte in Eilmärschen mit einem ca. 10.000 Mann starken Teilheer an, dass vorwiegend aus berittenen Bogenschützen bestand.[2] Am 20. Mai schlugen Raimund und Robert von Flandern ein Vorauskommando des Sultans. Am 21. Mai griff das Heer Kılıç Arslans die Kreuzfahrerarmee in offener Feldschlacht an. Die Schlacht tobte den ganzen Tag über. Die Kreuzfahrer erlitten hohe Verluste, darunter der Graf von Gent. Die Verluste der Seldschuken waren aber höher und es gelang ihnen nicht, zur Stadt durchzubrechen. Durch das offene Gelände vor den Toren Nicäas waren die ausgeruhteren und schwerer gerüsteten Kreuzfahrer im Vorteil. Nach Einbruch der Dunkelheit zog sich der Sultan trotz des Flehens der türkischen Bewohner Nicäas geschlagen zurück.

Im Lauf des Monats kam auch der Rest der Kreuzfahrer bei der Stadt an, Robert von der Normandie und Stephan von Blois selbst Anfang Juni. In der Zwischenzeit hatten Raimund und Adhemar eine große Belagerungsmaschine bauen lassen, die zum Gonatasturm gerollt wurde, um die Verteidiger auf den Mauern zu binden, während Pioniere den Turm untergruben. Der Turm wurde beschädigt, aber keine entscheidenden Fortschritte gemacht. Die Garnison der Stadt konnte nicht entscheidend geschwächt werden, zumal die Belagerten immernoch über den See Nachschub erhielten.

Ankunft der Byzantiner

Der byzantinische Kaiser Alexios I. hatte die Kreuzfahrer nicht begleitet, war ihnen aber später gefolgt und hatte sein Lager in der Nähe, bei Pelecanum, aufgeschlagen. Die Kreuzfahrer baten ihn nun die Stadt von der Seeseite her mit Booten zu blockieren. Alexios hatte bereits Boote zu diesem Zweck über Land herangeführen lassen, scheint aber abgewartet zu haben, dass die Kreuzfahrer ihn um Hilfe bitten, damit diese bemerken würden wie sehr sie von seiner Mithilfe abhängig seien. Die Boote, die mit Turkopolen, leichter Kavallerie, besetzt waren, kamen am 17. Juni an und standen unter dem Befehl Manuel Boutoumites’. Die Generäle Tatikios und Tzitas kamen mit 2.000 Peltasten, leichter Infanterie, dazu. Die griechischen Bewohner Nicäas und der türkische Hofstaat des Sultans hatten Alexios nach Kılıç Arslans Rückzug angeschrieben und um Hilfe gebeten, woraufhin Alexios Boutoumites angewiesen worden war, Geheimverhandlungen zur Übergabe der Stadt zu führen, ohne die Kreuzfahrer davon zu informieren. Tatikios hatte den Befehl, sich zu den Kreuzfahrern zu begeben und einen direkten Angriff auf die Mauern zu führen, während Boutoumites das Gleiche vortäuschen sollte, um es so aussehen zu lassen, als ob die Byzantiner die Stadt erobert hätten. Am 19. Juni unterwarfen sich die Türken Boutoumites.

Als die Kreuzfahrer Alexios Vorgehen entdeckten, waren sie äußerst verärgert, zumal sie gehofft hatten, die Stadt plündern zu können, um sich für den Weiterzug zu versorgen. Boutoumites wurde zum doux von Nicaea ernannt und verbot als solcher den Kreuzfahrern, die Stadt in Gruppen von mehr als zehn Personen zu betreten. Boutoumites verjagte die türkischen Generäle, die er für unzuverlässig hielt (sie hatten auf dem Weg zum Kaiser ihre byzantinischen Führer als Geiseln genommen). Kılıç Arslans Familie wurde nach Konstantinopel gebracht und später ohne Lösegeld freigelassen. Alexios gab den Kreuzfahrern Geld, Pferde und andere Geschenke, was diesen aber nicht reichte: Sie glaubten, mehr erworben zu haben, hätten sie die Stadt selbst erobert. Boutoumites erlaubte ihnen nicht, weiterzuziehen, bis sie alle einen Treueid auf Alexios geleistet hatten, falls sie dies nicht bereits in Konstantinopel getan hatten. Wie dort schon weigerte sich Tankred anfangs auch hier, schließlich wurden er und Bohemund aber überzeugt, sich dem Ansinnen zu beugen.

Folgen

Die Kreuzfahrer verließen Nicäa am 26. Juni in zwei Gruppen: Bohemund, Tankred, Robert von der Normandie, Robert von Flandern und Taticius vorneweg, Gottfried, sein Bruder Balduin von Boulogne, Stephan und Hugo von Vermandois hinterher. Tatikios hatte den Befehl, die Rückkehr der eroberten Städte ins byzantinische Reiche sicherzustellen. Die Nachricht von der Befreiung Nicäas wurde rasch nach Westen verbreitet und motivierte insbesondere in den italienischen Städten viele bislang zögernde Kreuzfahrer, sich nachträglich der Bewegung anzuschließen. Auch die Kreuzfahrer waren hoch motiviert, Stephan schrieb an seine Frau Adela, dass sie erwarteten, innerhalb von fünf Wochen in Jerusalem zu sein, falls sie nicht, wie er weiter schrieb, in Antiochia aufgehalten würden. Am 1. Juli schlugen die Kreuzfahrer Kılıç Arslan mit seinem Hauptheer in der Schlacht von Doryläum, im Oktober erreichten sie Antiochia – in Jerusalem kamen sie erst zwei Jahre nach ihrer Abreise von Nicäa an.

Einzelnachweise

  1. David Nicolle: The First Crusade 1096-1099: Conquest of the Holy Land. Osprey Publishing, 2003. Seite 32.
  2. John H. Pryor: Logistics of Warfare in the Age of the Crusades. Ashgate Publishing Ltd, 2006. Seite 40 f.

Literatur

  • Hans E. Mayer: The Crusades. Oxford 1965.
  • Jonathan Riley-Smith: The First Crusade and the Idea of Crusading. Philadelphia 1986.
  • Steven Runciman: The First Crusaders, 1095–1131. Cambridge University Press, 1951.
  • Kenneth Setton (Hg.): A History of the Crusades. Madison 1969–1989 (online zugänglich).
  • Warren Treadgold: A History of the Byzantine State and Society. Stanford 1997.

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