Wuji

Wuji
Der leere Kreis als Symbol für Wuji

Wuji oder Wújí (chinesisch 無極 / 无极) ist ein Begriff aus der chinesischen Philosophie. Er ist übersetzbar mit „Unendliches“, „Gipfel des Nichts“[1] oder das „Nicht-Höchste“. Wuji kann als Beschreibung eines undifferenzierten Zustands des Universums aufgefasst werden, der reine Potentialität darstellt, noch keine voneinander unterschiedenen Objekte enthält und zugleich Ursprung aller Objekte ist.[2] Wuji verweist also auf einen gestaltlosen Ur-Grund, zu dem alles auch wieder zurückkehrt. Wuji ist unsichtbar, unbedingt, grenzenlos, eigenschaftslos und unfassbar.

Inhaltsverzeichnis

Wuji als Urgrund

In seiner undifferenzierten Absolutheit ist das Nicht-Höchste zugleich die höchste Leerheit, die schon vor allem Seienden da war. Das Wu (das Nichts) geht allem Seienden (You) als metaphysische Ebene voraus, denn das Seiende nimmt seinen Anfang notwendig im Nichts.[3] Letztlich kann alles auf das Wuji zurückgeführt werden: Es entstehen die fünf Wandlungsphasen Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde im Wandel von Yin und Yang. Yin und Yang sind eins in Taiji, dem Allerhöchsten. Dabei ist Taiji ein undifferenziertes strukturierendes Prinzip, das die Ganzheit der mannigfaltigen Dinge prägt. Das Taiji ist die Ursprungskraft aller kosmischen Manifestationen, die aus der Leerheit des Wuji hervortritt. Wuji ist dem Taiji vorangestellt. Taiji wurzelt im Wuji, dem Gipfel des Nichts.[4]

Wuji er Taiji

Wuji er Taiji ist der Einheitsgedanke in der ewig sich wandelnden Vielfalt, das unteilbare Eine in der sich verändernden Differenziertheit. Der Begriff wird auf das Daodejing zurückgeführt[5] und hat eine systematisch zentrale Funktion bei Zhou Dunyi. Wuji er Taiji lässt sich übersetzen mit Wuji „und zugleich“ Taiji im Sinne einer additiven Reihung. Die Partikel „er“ kann zugleich kontrastiv mit „aber auch“ wiedergegeben werden. Von der Gabelentz übersetzte Wuji er Taiji mit: „Ohne Prinzip, dabei Urprinzip.“[6] Diese Gleichsetzung folgt einer Interpretation Zhu Xis, der Wuji und Taiji als zwei Aspekte des einen Li (das Absolute als Prinzip der kosmischen Ordnung, eine universale Ordnungsstruktur) betrachtet.[7]

Das Taij hat seine Wurzel im Wuji und zugleich vereinigen sich die absolute Wahrheit des Wuji und die Essenz der beiden Urformen, aus der Yin und Yang entstehen. Wuji er Taiji ist der Ausgangspunkt des Universums. Es hat aber auch eine ethische Dimension, denn es ist zugleich der Grund für das Gute im Menschen.[8] Auch der menschliche Geist wird durch das im Wuji wurzelnde Taiji strukturiert. Einheit und Differenz sind damit nicht nur kosmologische, sondern auch epistemologische Prinzipien.[9] Diese Entsprechung von menschlichem Geist und dinglicher Welt ist die Voraussetzung für die höchste Erkenntnis:

„Wenn er (der Lernende) sich auf der Grundlage dessen, dass die strukturierenden Prinzipien bereits in der Erkenntnis sind, diese ausgiebig erschöpft und dabei bis zum Äußersten geht… so wird er eines Tages plötzlich vollkommene Durchdringung erfahren… wodurch die Gesamtstruktur und umfassende Funktion des menschlichen Geistes vollkommen erhellt wird.“

Zhu Xi, Sishu jizhu [10]

Auf der Ebene dieser höchsten Erkenntnis erlangt der Mensch zugleich Zugang zu Mitmenschlichkeit, Pflichtgefühl, Ritualität, Treue und Weisheit. In der moralischen Handlung findet der Dualismus von Einheit und Differenz seine Aufhebung.[11]

Graphische Darstellung

Die Einheit des Wuji wird traditionell durch einen leeren Kreis symbolisiert. Er deutet auf das ursprunghafte Ur-Eine. Es ist die Leerheit, aus der die Fülle der Schöpfung hervorgeht. Der Kreis als vollkommene Form steht dabei zugleich für die Absolutheit. Wuji bleibt aber ein abstrakter Begriff, wenn sich der Lernende auf dem Erkenntnisweg nicht selbst in seinem Intellekt und seinen Emotionen leer macht. Die Erfahrung des Wuji wird möglich in der Stille der Meditation.

Literatur

  • Georg von der Gabelentz (Hrsg.): Thai-kih-thu. Des Tscheu-tsï Tafel des Urprinzipes, mit Tschu-hi's Commentare nach dem Hoh-pih-sing-li. R. V. Zahn, Dresden 1876.
  • Michael Leibold: Taiji. Ein transzendentaler Begriff der konfuzianischen Philosophie? In: Wiebke Schrader u. a. (Hrsg.): Perspektiven der Philosophie. Neues Jahrbuch. Band 28, 2002, ISSN 0171-1288, S. 329ff.
  • Wolfgang Ommerborn: Die Einheit der Welt. Die Qi-theorie des Neo-konfuzianers Zhang Zai (1020-1077). Grüner, Amsterdam u. a. 1996, ISBN 90-6032-344-0 (Bochumer Studien zur Philosophie 23).
  • Lexikon der östlichen Weisheitslehren. Patmos, Düsseldorf 2005, ISBN 3-491-96136-X.

Einzelnachweise

  1. Philip J. Ivanhoe: Art. Neo-Confucian Philosophy, in: Routledge Encyclopedia of Philosophy; Lexikon der östlichen Weisheitslehren, Art. Wuji, S. 444
  2. Ivanhoe, l.c.
  3. Leibold, Taiji, S. 337
  4. Leibold, Taiji, S. 340
  5. Rodney L. Taylor: Art. Zhou Dunyi, in: Encyclopedia of Religion, Bd. 4, 9966-9968, hier 9967
  6. Von der Gabelentz, Thai-khi-thu des Tscheu-tsi, S. 31
  7. Ommerborn, Die Einheit der Welt, S. 189 in Fußnote 517
  8. Leibold, Taiji, S. 341
  9. Leibold, Taiji, S. 347
  10. Vgl. die Übersetzung aus Sishu jizhu bei Leibold, Taiji, S. 348 sowie Daniel K. Gardener: Chu Hsi and the Ta-hsueh. Harvard 1986, S.104 f.
  11. Leibold, Taiji, S. 349 f.

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