Wurth

Wurth
Ockelützwarft auf der Hallig Hooge

Eine Warft (auch Warf, Werfte oder Wurt genannt), ist ein künstlich aus Erde aufgeschütteter Siedlungshügel, der dem Schutz von Menschen und Tieren bei Sturmfluten dient. Auf einer Warft können sich je nach Ausmaß Einzelgehöfte oder auch Dorfsiedlungen (Wurtendörfer) befinden. Warften sind meist kreisrund, manchmal aber auch langgestreckt. Sie finden sich in den nordwestdeutschen Marschgebieten und in der Nordsee auf den Halligen. Die bereits seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Hügel waren lange vor dem Deichbau der einzig wirksame Hochwasserschutz.

Inhaltsverzeichnis

Name

Für Warft sind auch andere Begriffe geläufig, wie Warf, Wurt, Werft, Wierde. Bei Warft liegt eine sekundäre t-Erweiterung vor. Ursprünglich und noch heute in Ostfriesland hieß der Begriff Warf, der von „werben“ abgeleitet ist und nicht wie oft volkstümlich angenommen von „werfen“. Die gleichbedeutende Bezeichnung Wurt dagegen hängt wahrscheinlich mit Werder zusammen, das ursprünglich „Insel“ bedeutet. In den Niederlanden kommen sie vor allem in den Provinzen Friesland, wo sie terp oder wierde genannt werden, und Groningen vor. In Dänemark werden sie vaerfter genannt.

Erste Beschreibungen

Die ersten künstlich aufgeworfenen Erdhügel im Küstenbereich werden auf das 3. Jahrhundert v. Chr. datiert. Bereits der römische Chronist Plinius berichtete in seiner Naturalis historia über das Volk der Chauken, das vor 2.000 Jahren entlang der Nordseeküste lebte:

Kirchen und Friedhöfe von Orten in Marschengebieten wurden typischerweise auf Warf(t)en angelegt; hier ein Beispiel aus Ostfriesland

Gesehen haben wir im Norden die Völkerschaften der Chauken, die die größeren und die kleineren heißen. In großartiger Bewegung ergießt sich dort zweimal im Zeitraum eines jeden Tages und einer jeden Nacht das Meer über eine unendliche Fläche und offenbart einen ewigen Streit der Natur in einer Gegend, in der es zweifelhaft ist, ob sie zum Land oder zum Meer gehört. Dort bewohnt ein beklagenswertes Volk hohe Erdhügel, die mit den Händen nach dem Maß der höchsten Flut errichtet sind. In ihren erbauten Hütten gleichen sie Seefahrern, wenn das Wasser das sie umgebende Land bedeckt, und Schiffbrüchigen, wenn es zurückgewichen ist und ihre Hütten gleich gestrandeten Schiffen allein dort liegen. Von ihren Hütten aus machen sie Jagd auf zurückgebliebene Fische. Ihnen ist es nicht vergönnt, Vieh zu halten wie ihre Nachbarn, ja nicht einmal mit wilden Tieren zu kämpfen, da jedes Buschwerk fehlt. Aus Schilfgras und Binsen flechten sie Stricke, um Netze für die Fischerei daraus zu machen. Und indem sie den mit den Händen ergriffenen Schlamm mehr im Winde als in der Sonne trocknen, erwärmen sie ihre Speise und die vom Nordwind erstarrten Glieder durch Erde. [Gekocht und geheizt wurde also mit Torf.] Zum Trinken dient ihnen nur Regenwasser, das im Vorhof des Hauses in Gruben gesammelt wird.“

Plinius: Naturalis historia XVI 1, 2-4

Wurtendörfer

Warften dienten schon immer bei „Land unter“ für Mensch und Vieh als Zufluchtsstätte. Sie wurden für Einzelgehöfte wie auch für Dorfsiedlungen errichtet.

Aufbau

Wurtendörfer haben einen ähnlichen Aufbau wie ein Rundlingsdorf. Ihre Höfe sind kreisförmig auf dem Hügel angeordnet und stehen mit der Stirnseite am Wurtfuß nach außen. Um die Wurt führt ein Ringweg. Von der Mitte der Anlagen verlaufen ringförmig Fußwege nach außen, die sich als Feldwege in der Flur fortsetzen. In allen Siedlungen gibt es eine Vertiefung als Regenwassersammelstelle, den sogenannten Fething. Daraus schöpften die Bewohner Trinkwasser. In der teichartigen Vertiefung sammelt sich das Regenwasser, da der gesamte Hügel wie ein Schwamm wirkt. Vor dem Deichbau wurden Wurten von Meerwasser umspült, so dass keine Brunnen außerhalb der Wurt gegraben werden konnten.

Entwicklungsgeschichte der Wurtendörfer

Reste der Warft von dem in der Elbe versunkenden Dorf Bishorst
Regenwassersammelstelle auf einer Wurt

In einer Phase eines niedrigen Meeresspiegels um Christi Geburt entstanden vielerorts in den nordwestdeutschen Seemarschen zunächst Flachsiedlungen in Meeresnähe. Infolge steigender Sturmflutspiegelstände musste das Niveau der Siedlungen jedoch erhöht werden. Dazu schütteten die Bewohner für jedes neue Haus aus Mist und Klei einen ringförmigen, etwa 1 m hohen Hügel auf. Durch die ständige Erhöhung entstanden Hof- oder auch Kernwurten. Aus ihrem Zusammenschluss zur Dorfwurt bildeten sich im 2./3. Jahrhundert n. Chr. größeres Wurtendörfer auf einer um 4 m erhöhten Fläche gegenüber dem Umland heraus, wie zum Beispiel Feddersen-Wierde und Busenwurth.

Nachdem diese alten Wurten meist im 4./5. Jahrhundert n. Chr. aufgegeben wurden, begann eine Neubesiedlung des niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Küstengebietes durch Friesen und Sachsen im 7. Jahrhundert. Erneut entstanden in einer Phase eines niedrigen Meeresspiegels Flachsiedlungen, die im 9. Jahrhundert wiederum zu Wurten erhöht werden mussten.

Während des 1. Jahrtausends n. Chr. wurden Warften mit Mist (evtl. Abdeckung mit Kleisoden), seit dem 11. Jahrhundert hauptsächlich mit Klei aufgewarftet.

Warften wurden besonders bis zur im 11. Jahrhundert beginnenden Eindeichung der Marschen gebaut und boten bis dahin den einzigen Schutz vor Sturmfluten. Auf den Halligen sind sie bis heute der einzige Hochwasserschutz.

Wurtsiedlungen heute

Lageplan der Warft Ziallerns im Wangerland

Entlang der deutschen Nordseeküste finden sich heute noch zahlreiche frühere Wurtendörfer. Beispiele für Schleswig-Holstein bilden Wellinghusen in Dithmarschen und Nordfriesland (Tofting, Elisenhof, Poppenbüll, Waygaard). Eine große Ansammlung alter Warftendörfer in Ostfriesland bietet die Gemeinde Krummhörn, insbesondere durch das Dorf Rysum. In Friesland liegen zahlreiche Wurten im Wangerland, wie beispielsweise Minsen. Weitere finden sich in der kreisfreien Stadt Wilhelmshaven, und in Butjadingen. Im Elbe-Weser-Dreieck sind die Wurten im Land Wursten und im Land Hadeln gut erforscht.

Ursprüngliche Wurtendörfer erkennt man häufig an ihren auf -warden endenden Ortsnamen: Breddewarden, Eckwarden, Einswarden, Fedderwarden, Golzwarden, Hammelwarden, Langwarden, Sengwarden (vgl. Werder).

Ein gut erhaltendes Wurtendorf im Wangerland ist das Dorf Ziallerns bei Hohenkirchen. Es wurde bereits 1937 unter Denkmalschutz gestellt, so dass die alte Struktur der Wege und Höfe erhalten blieb. Hier findet sich auch noch die Regenwassersammelstelle, über die jede Wurt verfügte. In einem früheren Arbeiterhaus gibt es ein Wurteninformationszentrum stellvertretend für die vielen gleichartigen Dorfanlagen im Wangerland.

Neuere Warften

Auf Halligen, die höchstens mit einem Sommerdeich geschützt sind, sind Warften unverzichtbar. Die nach Flächenausdehnung größte Warft ist mit drei Hektar die Hanswarft auf der Hallig Hooge. Die jüngste Warft ist die nach fünfjähriger Bauzeit 1896 fertiggestellte Neupeterswarft auf Langeneß; sie ist allerdings seit 1962 verlassen, als das dortige Wohngebäude bei einer Sturmflut zerstört wurde.


Literatur

  • Dirk Meier: Die Nordseeküste: Geschichte einer Landschaft. Boyens, Heide 2006, ISBN 978-3-8042-1182-7. 

Weblinks


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