Würdenträger

Würdenträger

Würde ist im weiteren Sinne ein abstrakter Wert, welcher die Qualität des Handelns und Seins eines Menschen bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Herkunft

Würde (von althochdeutsch wirdî; mittelhochdeutsch wirde) ist sprachgeschichtlich verwandt mit dem Wort „Wert“ und bezeichnete anfänglich den Rang, die Ehre, den Verdienst oder das Ansehen einer einzelnen Person.

Definition

Seit der Aufklärung wurde im Unterschied zur vorherigen konkreten Bedeutung mit „Würde“ verstärkt ein abstrakter sittlicher, moralischer Wert bezeichnet, der letztlich eine Qualität des Handelns (Würde als Gestaltungsauftrag) oder, noch abstrakter, eine den Menschen allgemein immanente Eigenheit (Würde als Wesensmerkmal) bezeichnet.

Würde kann einerseits als Wesensmerkmal andererseits als Gestaltungsauftrag verstanden werden.

In der christlichen Lehre wird die Würde des Menschen als gottgegeben und untrennbar mit jedem Menschen verbunden aufgefasst, unabhängig von seinen Lebensumständen und seinem Verhalten. Dem liegt die Überzeugung zu Grunde, der Mensch sei Ebenbild Gottes.

Demgegenüber steht die Würde als Gestaltungsauftrag, der durch das Individuum und die Gesellschaft zu verwirklichen ist. Diese Idee von der sittlichen Autonomie beruht auf den Gedanken der Aufklärung, wie sie von Immanuel Kant formuliert wurden.

An das Individuum gerichtet findet dies Ausdruck bei Friedrich Schiller in Über Anmut und Würde (1793): Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung. Auch die Würde hat ihre verschiedenen Abstufungen und wird da, wo sie sich der Anmut und Schönheit nähert, zum Edeln, und wo sie an das Fruchtbare grenzt, zur Hoheit. Der höchste Grad der Anmut ist das Bezaubernde, der höchste Grad der Würde ist Majestät.

An die Gesellschaft gerichtet wird dieser Auftrag im Grundgesetz Artikel 1 formuliert: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Umgangssprache

Umgangssprachlich ist „Würde“

  • das gemessene, besonnene und glaubhaft das Absehen von eigenen Nöten signalisierende Verhalten eines Menschen, das bei anderen Ehrfurcht zu erwecken geeignet ist.
  • Man ist einer Ehre oder eines guten Leumunds würdig, wenn man ihnen gerecht werden kann, sie verdient hat.
  • Von Würde spricht man im Zusammenhang mit Ritualen (vgl. „eine würdige Feier“).
  • Von Würde spricht man im Zusammenhang mit hohen Ämtern (vgl. die „Würde des Amtes“, etwa des Bundespräsidenten, die „nicht beschädigt werden darf“).

Was hier als würdig oder nichtswürdig (würdelos, schändlich) empfunden wird, ist weder allgemein definierbar noch konstant, sondern unterliegt wie alle Wertvorstellungen ständigem sozialen Wandel. Vgl. dazu immerhin Friedrich Schillers Gedicht „Würde der Frauen“.

Umgangssprachliche Redewendungen sind etwa:

  • Das ist unter meiner Würde.
  • Da wird die Würde mit Füßen getreten.

Der Unterschied zu Ehre oder Ruhm ist zu beachten: während Ehre und Ruhm einen äußeren, etwa durch eine Gesellschaft vermittelten Wert darstellen, liegt der Wert der Würde im Inneren eines jeden Menschen selbst.

Politisch-philosophische Darlegungen

Giovanni Pico della Mirandola

Derjenige, der den Begriff der Würde des Menschen (lat. dignitas hominis) als erster formuliert, ist der Renaissance-Philosoph Giovanni Pico della Mirandola. Die Würde des Menschen gründet nach Pico della Mirandola darauf, dass, zugespitzt formuliert, die Natur des Menschen darin liegt, dass er keine (festgelegte) Natur hat, dass, mit anderen Worten, er die Freiheit hat, sein Wesen selbst zu schaffen. Den Schöpfer lässt Pico zum Adam sagen: „Keinen bestimmten Platz habe ich dir zugewiesen, auch keine bestimmte äußere Erscheinung und auch nicht irgendeine besondere Gabe habe ich dir verliehen, Adam, damit du den Platz, das Aussehen und alle die Gaben, die du dir selber wünschst, nach deinem eigenen Willen und Entschluss erhalten und besitzen kannst. Die fest umrissene Natur der übrigen Geschöpfe entfaltet sich nur innerhalb der von mir vorgeschriebenen Gesetze. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem eigenen freien Willen, dem ich dich überlassen habe, dir selbst deine Natur bestimmen.“ Diese Selbstbestimmung des Menschen macht, nach Pico, seine Würde aus.

Immanuel Kant

Es blieb dem Philosophen Immanuel Kant vorbehalten, in seinen Schriften zur Ethik dem Begriff der Menschenwürde die gültige Fassung zu verleihen, in der er Eingang in unser Grundgesetz gefunden hat. Zusammengefasst lautet sein Grundgedanke so: Der Mensch besitzt Würde, und zwar jedes einzelne Individuum, aufgrund seiner Autonomie. Autonom ist der Mensch aufgrund seiner prinzipiellen Fähigkeit, das eherne Sittengesetz zu erkennen und zu befolgen, d.h. unabhängig von seinem Bildungs- oder sonstigen Stand zu wissen, was richtig oder falsch, moralisch gesprochen: gut oder böse ist und danach zu handeln. Diese Würde ist dem Menschen prinzipiell innewohnend, ganz unabhängig von seinen sonstigen, z. B. charakterlichen oder intellektuellen Eigenschaften und Fähigkeiten, erst recht von äußeren Merkmalen, wie sozialer Stellung o. ä.. Der tiefere Grund für diese universelle Würde liegt darin, dass in jedem einzelnen Menschen das menschliche Gattungswesen repräsentiert ist, bei Kant in der Sprache des 18. Jahrhunderts: Der Mensch ehrt die Würde der Menschheit in seiner eigenen Person, hat Anspruch darauf, dass die Menschheit in seiner Person die Achtung der anderen Menschen erfährt und ist seinerseits dazu verpflichtet, die Menschheit im „Nächsten“ zu achten, eine prinzipiell gebotene Achtung des anderen Menschen, unabhängig von der Hochachtung, die bestimmte Menschen wegen Ihrer Handlungen, ihrer Stellung usw. genießen.

Friedrich Schiller

Friedrich Schiller sieht in der Würde den Ausdruck einer erhabenen Gesinnung. Dabei sieht Schiller im freien Willen des Menschen den entscheidenden Unterschied zum Tier. Würde entstehe dann, wenn sich der Wille des Menschen über seinen Naturtrieb erhebe: „Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung.“ (Friedrich Schiller, Über Anmuth und Würde)

Schiller sah die Würde indes nicht als idealistische Träumerei, sondern aufbauend auf der Befriedigung elementarer Bedürfnisse und der Überwindung materieller Not - vgl. sein 1797er Distichon Würde des Menschen (in: Gesammelte Werke, Bd. 3, Gütersloh 1976, S. 438):

Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.

Bertolt Brecht

Fast synonym zu Schillers Epigramm über die Würde des Menschen (s. o.) schrieb Bertolt Brecht in seiner Dreigroschenoper: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Er unterbreitet in seinem Text „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“, das Wort „Ehre“ durch das Wort „Menschenwürde“ zu ersetzen und weist damit auf den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Prinzipien hin: Die Ehre ist etwas Äußeres, die Würde etwas Inneres.

Im Recht

Rechtlich gibt es mehrere Begriffe der Würde:

  • Verfassungsrechtlich ist die Würde des Menschen („Menschenwürde“) nach Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes unantastbar, sie wird als unveränderliches (vorkonstitutionelles, axiomatisches) Grundrecht angesehen und beginnt mit seiner Zeugung (umstritten). Sie ist unmittelbar geltendes Recht, nicht nur eine Absichtserklärung. Die Würde des Menschen ist oberster Wert des Grundgesetzes, vgl. BVerfGE 54, 148). Darüber hinaus sollen die allgemeinen Menschenrechte ein würdevolles Dasein sichern. Die Menschenwürde wird somit einerseits zum „tragenden Fundament der Menschenrechte“, andererseits aber auch zu deren höchstem Ziel, wenn auch vielleicht unerreichbaren Ideal. Für Franz Josef Wetz besteht weltanschauungsneutral (in so weit möglich) der wahre Gehalt menschlicher Würde in verwirklichten Menschenrechten - einem Leben in körperlicher Unversehrtheit, freiheitlicher Selbstbestimmung und Selbstachtung sowie in sozialer Gerechtigkeit.[1]
  • Zu einigen Zeiten war öffentlichrechtlich „eine Würde“ eine hohe Titulatur mit innewohnender Verpflichtung (vgl. „jemanden in Amt und Würden einsetzen“ - historisches Beispiel: ein mittelalterlicher Kaiser wie Otto der Große hatte dies als Würde [Titel mit Pflicht] inne, aber er amtete kraft dessen, dass er zugleich der deutsche König [grundsätzlich Alleinherscher] war).
  • Der strafrechtlich bewehrte „Schutz der Totenruhe“ in Deutschland geht implizit davon aus, dass der Mensch auch als Toter eine Würde hat (so 2005 in der Strafrechtsprechung anlässlich eines Falles von Kannibalismus).

In der Religion

Religiös fundiert sind zahlreiche Zuerkennungen von Würde, z. B. die Auffassungen von der Würde eines Gotteshauses oder der Würde der Kreatur.
Jüdisch, christlich und islamisch ließe sich argumentieren, dass die Menschen dadurch besonders gewürdigt worden seien, dass Gott mit Adam und Eva den Menschen geschaffen habe, so dass der Mensch einer besonderen (eben göttlichen) Würde teilhaftig geworden sei.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Franz Josef Wetz, Die Würde des Menschen: antastbar?, S. 16

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