Yanomamö

Yanomamö
Junge Yanomami am Orinoko

Die Yanomami (auch Yanomamö; in ihrer Sprache Menschen) leben im venezolanisch-brasilianischen Grenzgebiet an der 1000 Meter hohen Sierra Parima, der Wasserscheide zwischen den Flüssen Orinoco und Amazonas. Circa 19.000 Yanomami bewohnen eine Fläche von der Größe der Schweiz. Seit dem Eindringen von Weißen in den 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts sind ihre dortigen Lebensgrundlagen gefährdet.

Inhaltsverzeichnis

Nahrungsbeschaffung

Yanomami bauen Felder mit über 60 verschiedenen Pflanzenarten an. Ihre Hauptnahrungsmittel sind Maniok sowie Essbananen. Daneben essen sie auch Kulturpflanzen und Früchte wie Taro und Papaya. Um die Pflanzen anzubauen, brennen sie kleine Abschnitte des Regenwaldes ab (Brandrodungswanderfeldbau). Da der Boden im Regenwald sehr nährstoffarm ist, ist es nach ein paar Jahren nicht mehr möglich, dort weiter Landwirtschaft zu betreiben. Deshalb ziehen die Stämme immer wieder einige Meilen weiter.

Auch die Jagd spielt in der Nahrungsbeschaffung eine große Rolle. Da große Tiere im Regenwald selten sind, müssen die Jäger oft tagelang durch den Regenwald auf der Suche nach Wild streifen. Sie jagen Wollaffen, Tapire, Gürteltiere und diverse Vögel.

Mythologie

Die Yanomami erzählen (nach Darstellung von Napoleon A. Chagnon[1]) über ihren eigenen Ursprung die folgende Geschichte:

Die Yanomami beschreiben die damalige Bevölkerung noch als Urwesen oder Erste Wesen und nicht als Menschen. Die Menschen entstehen erst später. Eine Mutter(1) gibt einem Mädchen eine Frucht, an der das Mädchen stirbt. Die Schwiegertochter der Mutter verspürt einen starken Drang auf Fleisch und verspeist das verstorbene Mädchen. Der Vater des Mädchens tötet die leibliche Mutter(2) der Schwiegertochter aus Rache und isst sie. Daraufhin töten die Söhne der Mutter(2) den Vater, der ihre Mutter(2) getötet hat. Daraufhin verspüren die Söhne einen starken Drang nach Geschlechtsverkehr und vergewaltigen ein Mädchen. Ein Sohn dieser Söhne bekommt starken Durst. Aus diesem Grund gräbt sein Vater ein Wasserloch, aus dem allerdings soviel Wasser fließt, dass die meisten Ersten Wesen ertrinken. Die Mutter der Vergewaltigten fällt in einen durch die Flut entstandenen See. Einer der Söhne der Mutter(2) verwandelt sie in ein Seeungeheuer. Noch heute haben die Yanomami große Angst davor, tiefe Gewässer zu durchqueren.

Einer der wenigen überlebenden Ersten Wesen ist der Mondgeist. Er kommt auf die Erde, um die Seelen der Kinder zu essen. Die anderen Überlebenden wollen dies verhindern und beschießen den Mondgeist mit Pfeilen. Wo sein Blut auf die Erde tropft, entstehen die ersten Männer (Blutmänner). Die Frauen stammen vom linken Bein eines Blutmannes ab, die besonders gelehrten Männer von seinem rechten Bein.[2]

Geschlechterrollen

Die Yanomami leben in einer eher matriarchalisch geprägten Gesellschaft.

Krieg

Die Yanomami haben, ebenso wie die Himba, Batak und Eipo, eine ausgesprochen kriegerische Kultur. Die Kinder werden schon früh zu einer gewissen Härte im Ertragen von physischem Schmerz sowie zur Bereitschaft erzogen, erfahrene Aggressionen auf gleiche Weise zu vergelten. Kriegerische Fertigkeiten werden im Spiel erprobt. Weinen wird als wehleidig angesehen, und ihm wird gelegentlich auch mit körperlicher Züchtigung begegnet.[3] Es existieren Berichte von Überfällen auf andere Stämme, bei denen auch Frauen und Kinder getötet wurden.[4] Dabei wurden und werden häufig erbitterte tribale Kriege mit hohen Mortalitätsraten geführt.[5]

Die ersten Europäer (Portugiesen, Spanier und Franzosen), die Südamerika besiedelten, fanden verschiedene Indianerstämme vor, die untereinander rivalisierten und gelegentlich Kriege (oder zumindest Raubzüge) führten. Es ergaben sich von vornherein Koalitionen zwischen den Angehörigen verschiedener europäischer Nationalitäten und den unterschiedlichen Indianergruppen.[6]

Die Gewaltbereitschaft der Amazonas-Indianer im Allgemeinen ist manchmal übertrieben dargestellt worden. Bei Berichten über Missionierungen gab es gelegentlich tendenziöse Darstellungen des kriegerischen Zustandes davor und danach.

Es gibt bisher keine allgemeingültige Schlussfolgerung aus der ethnologischen Forschung hinsichtlich der Amazonaskriege. Nach zwei Jahrzehnten relativen Friedens kommt erneut Krieg und Gewalt auf (entsprechend einer Feldstudie im Jahr 1993). Es gibt jedoch mehr Gewalt gegen die „Fremden“, was für ein verstärktes Gruppengefühl der Indianer sprechen mag. Ihre Opposition gegen die Ölgesellschaften, die Regierung und andere Indianergruppen scheint sie zusammenzuschweißen. Insgesamt gesehen ist die Gesellschaft der Indianer in den letzten Jahrzehnten jedoch erheblich friedlicher geworden. Heute verzichten die Menschen oftmals auf Blutrache und Vergeltung, die sich früher über Generationen erstrecken konnte.[7]

Bedrohung des Lebensraums

„Shabono“, das traditionelle Rundhaus

1972 sollte das Volk aufgrund des Baus der Bundesstraße „Perimetral Norte“ aus seinem Gebiet vertrieben werden, was für die Stammesangehörigen einen verheerenden Einschnitt in ihr Leben bedeutete. Anfang der 1980er Jahre wurden unter anderem Gold, Uran und andere Bodenschätze gefunden. Dieser Fund löste einen Raubbau an der Natur der Yanomami aus, welcher ihren Lebensraum bedrohlich einschränkte. In Deutschland wurden die Yanomami bekannter durch den Abenteurer Rüdiger Nehberg, der sich Anfang der 1980er Jahre aufmachte, um mit ihnen im Regenwald zu leben. Nach seiner Rückkehr veröffentlichte er mehrere Bücher und machte die Öffentlichkeit auf die Missstände und die Ausbeutung des Lebensraumes der Yanomami aufmerksam.

Siehe auch

Literatur

  • Napoleon A. Chagnon, Yanomamo – the fierce people. Holt, Rinehart and Winston, New York, 1968, ISBN 0-03-071070-7
  • Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Marie-Claude Mattei-Müller und Gabriele Herzog-Schröder: Ethnologie – Yanomami. Humanethologische Begleitpublikation (Sonderband 10). IWF, Göttingen 2001, ISBN 3-88222-080-5
  • Brian Ferguson: Yanomami Warfare. A Political History. School of American Research Press, Santa Fe 1995 (Sammelartikel über die Literatur der Amazonas Kriege, Versuch der Erklärung von Krieg im Amazonasgebiet)
  • Roland Garve: Unter Amazonas-Indianern. Herbig, München 2002, ISBN 3-7766-2303-9
  • Jörg Helbig, Oswald Iten und Jacques Schiltknecht: Yanomami. Indianer Brasiliens im Kampf ums Überleben. Pinguin, Innsbruck 1989
  • Gabriele Herzog-Schröder: Okoyòma – Die Krebsjägerinnen. Yanomamï-Frauen in Südvenezuela. LIT, Münster 2000, ISBN 3-8258-5082-X
  • Hartmut-Emanuel Kayser: Die Rechte der indigenen Völker Brasiliens – historische Entwicklung und gegenwärtiger Stand. Shaker (Schriften der Deutsch-Brasilianischen Juristenvereinigung 32), Aachen 2005, ISBN 3-8322-3991-X
  • Heinz Kindlimann: Geboren in der Steinzeit – Gestorben in der Gegenwart. Reisen ins Land der Yanomami-Indianer. Orell Füssli, Zürich 2006, ISBN 3-280-06081-8
  • Franz Knobloch: Die Aharaibu-Indianer in Nordwest-Brasilien. Dokumente zur Kultur der Aharaibu (Yanomami) im brasilianisch-venezolanischen Grenzgebiet. Anthropos-Institut, St.Augustin bei Bonn 1967, ISBN 3-88345-270-X
  • Jacques Lizot: Im Kreis der Feuer. Aus dem Leben der Yanomami-Indianer. Syndikat, Frankfurt am Main 1982
  • Rüdiger Nehberg: Die Yanomami-Indianer. Piper (sp 3922), München 2003, ISBN 3-492-23922-6
  • C. Robarchek: Waorani: The Contexts of Violence and War, Harcourt Brace College Publishers, 1998, ISBN 0-15-503797-8 (Ethnologische Studie über Gewalt und Krieg bei den Yanomami)
  • Hans Staden: Warhafftige Historia unnd Beschreibung einer Landschafft der wilden, naketen, grimmigen Menschenfresser Leuthen, in der newen Welt America gelegen. Faksimile-Druck der Ausgabe Frankfurt 1557. Thiele & Schwarz, Kassel 1978
    • Brasilien. Die wahrhaftige Historie der wilden, nackten, grimmigen Menschenfresser-Leute. Hrsg. u. eingel. von Gustav Faber. Aus d. Frühneuhochdt. übertr. von Ulrich Schlemmer. Greno, Nördlingen 1988
  • Otto Zerries und Meinhard Schuster: Mahekodotedi. Monographie eines Dorfes der Waika-Indianer (Yanoama) am oberen Orinoco (Venezuela). Renner, München 1974
  • Mark Andrew Ritchie: "Der Geist des Regenwaldes. Die Lebensgeschichte eines Yanomamö-Schamanen". Johannis, 2008, ISBN 978-3-501-01586-5


Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zur Kritik an Chagnon siehe [1], ab S. 31, (Englisch)
  2. Chagnon (1968), 44ff.
  3. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie, Piper, München, 1984, S. 503–505
  4. H. Valero in E. Biocca: Yanoma - The Narrative of a White Girl Kidnapped by Amazonian Indians, New York, 1970; zitiert nach Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, S. 520f
  5. Jürg Helbling: Koevolution und die Sozialwissenschaften, Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 147/3, 2002, S. 115–124; Online auf www.ethno.unizh.ch
  6. Staden (1557)
  7. Robarchek (1998), S. 173

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