- Yì jīng
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Das I Ging (chin. 易經 / 易经, yì jīng, W.-G. I Ching, auch: I Jing, Yi Ching, Yi King), das „Buch der Wandlungen“ oder „Klassiker der Wandlungen“ ist der älteste der klassischen chinesischen Texte. Das Buch ist auch als Chou I (周易, Zhōu Yì) bekannt, was so viel wie „Wandlungen von Zhou“ bedeutet. Hieraus kann man schließen, dass die Tradition einen Ursprung in der Zhou-Dynastie sah.
Das I Ging enthält die Kosmologie und Philosophie des alten China. Grundideen sind eine Ausgewogenheit der Gegenteile und ein Akzeptieren der Veränderung. Das Buch beschreibt die Welt in 64 Bildern, die aus je sechs durchgehenden oder unterbrochenen Linien bestehen (Hexagramme). In den westlichen Kulturen wird es vor allem als Weisheits- und Weissagungsbuch verstanden. Es wird von jeher in China als Orakel befragt. Die ursprüngliche Herkunft der Orakel-Tradition hat schamanistische Wurzeln und beruht auf dem Deuten von Kerben und Linien in durch Hitzeeinwirkung zerplatzten Schildkröten-Panzern.
Inhaltsverzeichnis
Der philosophische Hintergrund
Die Veränderung der Welt
Im Verständnis der Schöpfer des I Ging ist die Welt ein nach bestimmten Gesetzen ablaufendes Ganzes, dessen Formen aus der permanenten Wandlung der beiden polaren Urkräfte entstehen. Die Grundprinzipien sind das Schöpferische (Bild Nr. 1, = Himmel, Licht, Festes, yang, ...) und das Empfangende (Bild Nr. 2, = Erde, Dunkel, Weiches, yin, ...). Alle Weltsituationen bestehen aus einer je spezifischen Yin-Yang-Mischung. Das Schöpferische ist immer stark, ohne Mühe, und zeigt daher das Leichte, das Empfangende ist immer nachgiebig und zeigt daher das Einfache. Ihr Zusammenwirken ist das eigentliche Geheimnis der Wandlungen und ihre Ursache. Yin und Yang („Tai Chi“) haben ihrerseits ihren Ursprung im Dao („Wuji“), dem „Weg“, dem Wandel oder der Form, nach der sich die Dinge bewegen.
Die 64 Bilder oder Zeichen leiten sich von Hexagrammen (Sechssternen) ab und sind sozusagen Abbilder von göttlichen Ideen, von in den Dingen erscheinenden Grund-Konstellationen der lichten, himmlischen Kraft yang und der dunklen, irdischen Kraft yin. Im I Ging ist "eine Zusammenordnung der Situationen des Lebens in all seinen Schichten, persönlichen sowohl wie kollektiven, und in all seiner Ausbreitung versucht."[1].
Die Orientierung in der Welt
Der Überlieferung nach sind die 64 Bilder des I Ging von den Weisen des Altertums durch Beobachtung der Erscheinungsformen geschaffen worden und sollen „alle möglichen Zustände auf Erden“ ausschöpfen. Wer daher das I Ging kenne, kenne das Wirken der Götter − und könne sich mit ihrem Wirken verbünden.
Die Veränderungen der Welt gelten als beeinflussbar und nicht nur als Schicksal. Veränderungen sind Chancen, Möglichkeiten und auch Gefahren des Handelns − das I Ging ist daher nicht nur ein Orakel-, sondern auch ein „Lernbuch“ für die Wissenden, Kompendium der Klugheit.
Weder geht es um das Den-Veränderungen-hinterher-Laufen noch um das Gegen-die-Veränderungen-Ankämpfen. Das Ziel ist vielmehr, dass sich die Edlen (der Edle des I Ging ist eine ideale Persönlichkeit dessen Verhältnis zur Welt und vor allem zu den gemeinen Menschen im I Ging behandelt wird) am Wandel orientieren und ihn überdauern in den wechselnden Konstellationen des Lebens. Immer ist das zu tun, was der Zeit am besten entspricht: Es gilt, mit der Zeit zu gehen, auf seine Zeit zu warten, usw. „Zeit“ ist der Wandel der objektiven oder gesellschaftlichen Konstellation der Kräfte. Zeit ist in der dem I Ging zugrundeliegenden philosophischen Auffassung nichts passives, das verstreicht, sondern ein aktiver Faktor in der Welt, der Ereignisse zeitigt.[2].
An vielen Stellen des I Ging werden folgende Topoi wiederholt:
- Immer ist das Bewusstsein der Gefahr nötig, um sich auf den Wandel innerlich und äußerlich vorzubereiten.
- Im Bewusstsein der Möglichkeit des Scheiterns übt der Edle stets Selbstkritik.
- Stets gilt es, dem Wandel der Zeit zu folgen und sich selbst angemessen zu verändern.
- Hierin ist eine Position der Mitte wichtig, ein Maßhalten, eine dauerhafte Haltung, die Ausgleich zwischen den Extremen sucht.
- Beharrlichkeit (Festhalten an den Zielen des Guten und Wahren) ist wichtig im Leben.
- Die Gemeinen (der Ausdruck bezeichnet sowohl das einfache Volk, als auch bestimmte Gegner des Edlen, die die schlechten Eigenschaften des Menschen verkörpern) sind und bleiben eine Gefahr für das Wahre und Gute.
Daoismus oder Konfuzianismus?
Taoistische bzw. daoistische Vorstellungen sind zentral im I Ging und der dialektische bzw. dualistische Charakter (vgl. Dualismus) des Daoismus wird durch die beiden Teile der Hexagramme ausgezeichnet dargestellt. Nach Richard Wilhelm, dessen Übersetzung und Kommentierung des I Ging von 1923 auch heute noch sehr einflussreich ist, ist der Grundgedanke des Daoismus zwar die Grundlage des ganzen Buches der Wandlungen, die gleichnamige philosophische Schule wurde jedoch erst später detailliert ausgearbeitet und beschrieben.
Eine alternative Sichtweise versteht das I Ging als ein rein konfuzianisches Werk. Diese Auffassung wird folgendermaßen begründet:
- Die Anfänge werden Konfuzius zugeschrieben.
- Im alten China war das I Ging ein vorgeschriebener Studientext, und nur konfuzianische Texte waren verbindlich.
- Es ist einer der konfuzianistischen Klassiker.
- Es ist in keinem der alten Manuskripte des Dào-dé-jīng enthalten.
- Die wichtigsten Kommentare wurden von Konfuzianern geschrieben.
Jedoch ist zu bedenken, dass Konfuzius selbst öfter vom „Dao des Menschen“ spricht und damit lediglich einen anderen Bereich thematisiert als die Daoisten, die sich eher mit dem „Dao des Himmels“ befassen, damit aber ebenso mit dem Dao. Außerdem ist die Yin-Yang-Dialektik im Konfuzianismus ebenso grundbedeutend.
Zur Geschichte
Erhaltene Quellen
Die chinesische Mythologie nimmt an, dass die Prinzipien des I Ging auf einen der ersten legendären Herrscher, Fu Xi (伏羲, Fú Xī, nicht historisch 2852 v. Chr.–2738 v. Chr.) zurückgehen; dieser habe die Trigramme entdeckt. Ein Verfeinerungsprozess habe dann das I Ging in der Han-Dynastie (ca. 200 v. Chr., etwa zur Zeit des Han Wudi (漢武帝, Hàn Wǔ Dì) produziert.
Erhalten sind viele Orakelknochen aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend (zumindest Shang-Dynastie), auf welchen in Form von „Frage, Antwort und realen Ausgang der Frage“ Befragungen dokumentiert sind. Der „Text“ des I Ging war damals jedoch offensichtlich noch nicht vorhanden, sondern das Orakel scheint aufgrund der Intuition des Fragenden und wahrscheinlich auch überlieferten Regeln bestimmt worden zu sein. Es kann also von einer ursprünglich mündlichen Tradierung des Textes ausgegangen werden.
Vor der Zhou-Dynastie gab es andere Literatur zum Thema ‚Wechsel‘, z. B. Lian Shan Yi (連山易, Lián Shān Yì) und Gui Cang Yi (歸藏易, Gūi Cáng Yì), deren Philosophie die Zhou-Dynastie prägte, und teils auch Miteingang in das I Ging gefunden hat.
Der „Text“ des I Ging im heutigen Rahmen ist dann vermutlich erst im sechsten oder siebenten vorchristlichen Jahrhundert entstanden. Das I-Ging selbst hat schon wesentlich länger vorher existiert, denn Bücher, die früher geschrieben wurden, berichten über I-Ging-Orakelbefragungen und über Hexagramm-Texte, die auch im Textus receptus und Mawangdui I-Ging überliefert sind.
Textus receptus und Mawangdui
Die herkömmliche Version des I Ging ist die des Textus receptus. Sie ist aus der Tang-Dynastie (618−906) überliefert. Etwa 10 Prozent hiervon sind ebenfalls aus der Zeit um Christi Geburt auf uns gekommen. Diese letztgenannten Texte waren in Steintafeln gemeißelt, die bei kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört wurden, so dass nur ein Teil davon erhalten blieb.
Die früheste überlieferte Version des I-Ging ist Jahrhunderte älter. Sie wurde 1973 in einem Grab entdeckt, das 168 v. Chr. geschlossen wurde, und ist unter dem Namen Mawangdui Seidentexte (馬王堆帛書, Mǎ wáng duī Bó shū) bekannt. Es liegt wohl deutlich näher an der Fassung, die Konfuzius um 500 v. Chr. vorgelegen hat.
Nach Dominque Hertzer unterscheidet sich ungefähr ein Viertel des gesamten Textes des Mawangdui I-Ging von der überlieferten Version des Textus receptus.[3] Der Textus receptus zeigt nach ihren Untersuchungen „eine höhere Abstraktionsebene, während das Mawangdui I-Ging einen konkreten Sachverhalt als Ausgangspunkt wählt.“[4] Diese konkreten Sachverhalte sind vielfach Opfer zu bestimmten Terminen im Jahr, aber auch Sternbilder, Mondphasen und Begebenheiten, die als bedeutend angesehen wurden.
Rezeption im Westen
Das Verdienst, das I Ging „in den Westen gebracht“ zu haben, kommt vor allem dem deutschen Sinologen Richard Wilhelm zu, dessen immens einflussreiche Übersetzung er mit Hilfe eines chinesischen Experten 1924 vollendete.
Das I-Ging beeindruckte auch viele Schriftsteller und Philosophen aus Europa:
- „Das I-Ging ist das älteste philosophische Buch der Menschheit, Es entstand dadurch, dass ein uraltes Orakelbuch ethisch erläutert wurde, Aus primitiven Strichzeichen machte man seelische Bewegungen: es galt, die Keime des Geschehens zu erfassen, Kennt man die Keime, ist alles Weitere beeinflussbar. Man baute eine ganze Psychologie hinein in diese Zeilen mit dem ursprünglich einfachen Gegensatze von fest und weich.“
- (Rudolf von Delius: Das ewige China)
- „Es gibt Bücher, die man nicht lesen kann, Bücher des Heiligen und der Weisheit, in deren Begleitung und Atmosphäre man jahrelang leben kann, ohne sie je so zu lesen wie man andere Bücher liest. Teile der Bibel gehören zu diesen Büchern, und das Tao-te-king. Aus diesen Büchern genügt ein Satz, um sich für lange zu füllen, für lange zu beschäftigen, für lange zu durchdringen. Diese Bücher hat man leicht erreichbar liegen, oder trägt sie in der Tasche mit, wenn man in den Wald geht, und liest niemals halbe oder ganze Stunden darin, sondern nimmt nur jedesmal einen Spruch, eine Zeile heraus, um darüber zu meditieren, um neben all dem Kram des Tages, auch dem der übrigen Lektüre, immer wieder den Maßstab des Großen und Heiligen aufzurichten.“
- (Hermann Hesse: Mein Umgang mit dem I Ging)
- „Das I-Ging ist der archimedische Punkt aus dem sich das 4-dimensionale Raum-Zeit-Kontinuum aus den Angeln hebt.“
- (Jean Gebser (1905−1973): Ursprung und Gegenwart, DVA 1949)
Die 64 Hexagramme
Bestandteile und deren Bedeutung
Das I Ging wird durch 64 verschiedene Linienzusammenstellungen dargestellt, die sich von Hexagrammen herleiten. Ein Hexagramm besteht aus zwei sich überlagernden Dreiecken und demgemäß aus sechs Linien, von denen drei ungebrochen (hart, durchgehend) und drei gebrochen (weich, in der Mitte unterbrochen) sind. Aus diesen sechs Linien lassen sich waagerecht angeordnet 26, d. h. 64 Kombinationen bilden.
Die Zeichen werden aus 2 × 3 Strichen, also aus zwei „Trigrammen“ (Dreiecken) hergeleitet. Die durchgehenden Linien gelten als die festen, lichten, höherwertigen, die unterbrochenen Linien gelten als die weichen, dunklen, geringeren. Die Striche haben nach ihren Plätzen von unten nach oben unterschiedlichen Rang und Bedeutung. Die betonten Striche des unteren Halbzeichens treten in das Zeichen ein, sind „kommend“, die betonten Striche im oberen Halbzeichen sind „gehend“. Die unterste und die oberste Linie eines Zeichens stehen immer in Verbindung zu anderen Zeichen und gehören nicht zu den Kernzeichen.
Die 64 Bilder oder Grundzeichen beschreiben Kräfte (1 + 2), Situationen oder Aufgaben (3 + 5 + 6 + 10 ...), Familie (31 + 37 + 54), persönliche Eigenschaften oder Fähigkeiten (4 + 8 + 9 + 14...), konkrete Tätigkeiten (Wanderer, 56), politische Phasen (11 + 12 + 18 + 21...) – meist enthalten sie abstrakte Begriffe mit mehreren Deutungsmöglichkeiten. Ein Beispiel aus dem Bild Nr. 1, „Das Schöpferische“: Das Schöpferische wirkt erhabenes Gelingen, fördernd durch Beharrlichkeit. Des Himmels Bewegung ist kraftvoll. So macht der Edle sich stark und unermüdlich. (Übers.: Wilhelm, 1922) Ohne Erläuterungen sind solche Epigramme rätselhaft und wenig verständlich. Daher entstand im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe von Kommentaren, die diese Epigramme erläuterten.
Alle 64 Bilder können jeweils 6 Zusatzhinweise haben je nachdem, ob bei der Ermittlung des Zeichens (vgl. Abschnitt Methoden der Weissagung) eine Linie als wandelnd („stark“ bzw. „aktiv“) oder nicht („schwach“) identifiziert wurde. Die 64 Bilder beschreiben also schon 384 Situationen oder geben entsprechende Verhaltensratschläge. Da jedes der 64 Zeichen durch Wandel einer oder mehrerer Linien in alle anderen übergehen kann, gibt es 64 × 64 = 4.096 verschiedene implizite Übergänge oder Möglichkeiten des Umschlagens einer Situation. Da jede Wandlung in zwei Richtungen erfolgen kann, ergibt sich die Zahl der Wandlungen des I Jing zu 8.192, eine Zahl, die schon nahe an dem Begriff unendlich, Alles liegt, der mit dem chinesischen Zahlzeichen für 10.000 (万 / 萬, wàn) wiedergegeben wird. Das veranlasste die alten Autoren des I Ging anzunehmen, die möglichen Kombinationen von Symbolen würden alle Wandlungen der Welt selbst darstellen. Die beim Erheben der Zahlenwerte notwendigen umfangreichen Rechenoperationen wurden daher Grundlage einer sich auf dem I Ging aufbauenden Zahlenmystik, die auch den Orakeltechniken zugrunde liegt.
Das Taiji-Symbol ☯
Das Taiji-Symbol (太極圖 / 太极图, Tài Jí Tú) für „individuelles“ Yin und Yang wird im Westen auch Yin-Yang-Symbol genannt. Es ist der Ursprung eines zyklischen Weltbildes mit einem komplementären Kräfteverhältnis.
Die zwei Linien
Historisch ist das I Ging viel älter als die Yin-Yang-Lehre (陰陽 / 阴阳, Yīn Yáng), folgende Zuordnungen für die zwei „Linien“ (兩儀, Liǎng Yí) sind jedoch mit der Zeit üblich geworden:
- Die durchgezogene Linie steht für das yáng (陽): Ausdehnung, maskuliner Aspekt, Licht, Leben, ungerade Zahlen, Durchdringung, Berge; in Indien der Lingam. Symbol ist der Drache.
- Die unterbrochene Linie steht für das yīn (陰): Zusammenziehung, femininer Aspekt, Dunkelheit, Nacht, Tod, gerade Zahlen, Widerstand, Wasserläufe; in Indien die Yoni. Symbol ist der Tiger.
0 1 00 01 10 11 000 001 010 011 100 101 110 111 Unterschiedliche Sichtweisen: Die beiden Linien können als Elemente eines Dualsystems gesehen werden. Bei der (in der unteren Zeile gezeigten) Repräsentierung der Symbole in Unicode entspricht allerdings der durchgezogenen Linie die Binärzahl 0 und der unterbrochenen Linie die Binärzahl 1, komplementär zur eben erwähnten Zuordnung zur Parität.
Die duale Entwicklung der Symbole vom Taiji zu den Trigrammen
Jedes Symbol wird von der untersten Linie nach oben aufgebaut
Alle hier gezeigten Symbole sind im Unicode-Block Verschiedene Symbole enthaltenDie vier Bilder
Aus den zwei Linien lassen sich vier verschiedene „Bilder“ (四像, Sì Xiàng) zusammensetzen.
Luft altes Yang (太陽, tài yáng) Feuer junges Yang (少陽, shǎo yáng) siehe „Unterschiedliche Sichtweisen“ Wasser junges Yin (少陰, shǎo yīn) -"- Erde altes Yin (太陰, tài yīn) Luft (bzw. Himmel) und Erde sind oben (altes Yang) und unten (altes Yin). Feuer und Wasser befinden sich dazwischen. Feuer hat das Bestreben nach oben zu lodern, deshalb wird es „junges Yang“ genannt. Wasser fließt dagegen nach unten und wird als „junges Yin“ bezeichnet.
Die Wandlung erfolgt in einem ewigen Kreislauf: Vom alten Yang (oben) zum jungen Yin (nach unten), zum alten Yin (unten), zum jungen Yang (nach oben), wieder zum alten Yang (oben) und so weiter: → → → → → :/:
Bild Unicode junges Yang kleines Yin lesser yin 少陰 junges Yin kleines Yang lesser yang 少陽 Unterschiedliche Sichtweisen: Während die Digramme aus zweimal dem gleichen Strich, die als alt, gereift, groß, hart, stark, stabil bezeichnet werden, eindeutig dem Yang bzw. Yin zugeordnet sind, bieten die Quellen keine einheitlichen Bezeichnungen für die beiden Digramme aus zwei verschiedenen Strichen. Im Gegensatz zu den hier zitierten Ansichten aus dem Buch I Ging (Seite 295) von Richard Wilhelm werden sowohl von Unicode, als auch in den Büchern Das chinesische Denken (Seite 141) von Marcel Granet und Zhouyi zhengyi (周易正義, Zhōuyì zhèngyì) von Zhu Xi (朱熹, Zhū Xī) die Bezeichnungen konträr zugeordnet. Ebenso sind die Symbolzuordnungen für Feuer und Wasser getauscht.
Die acht Trigramme
Durch Hinzufügen jeweils eines Yáng oder Yīn entstehen aus den vier Xiàng acht Trigramme oder „Orakelzeichen“ (八卦, Bā Guà).
Diese geben allerdings nur ein statisches Bild. Erst die Erweiterung zu den 64 Hexagrammen erlaubt es, ein dynamisches Geschehen darzustellen, da hier die Trigramme in Wechselwirkung zueinander stehen.
Die Hexagramme werden also jeweils aus zwei Trigrammen zusammengesetzt aufgefasst. Die acht Trigramme sind:
Das erste oder untere Trigramm eines Hexagramms wird als der innere Aspekt der ablaufenden Veränderung angesehen; das zweite oder obere Trigramm heißt der äußere Aspekt.
Der beschriebene Wechsel verbindet somit den inneren Aspekt (Person) mit der äußeren Situation. Gelesen werden die Hexagramme von unten nach oben, wobei jeweils die sog. Ränge 1–4, 2–5, 3–6 der beiden Trigramme in Verbindung gesehen werden müssen.
Die einzelnen Hexagramme
Der Text des I Ging beschreibt jedes der vierundsechzig Hexagramme (六十四卦, 64 Guà). Später wurden Kommentare und Interpretationen angefügt. All diese zusammengenommen bilden das I Ging.
Die Hexagramme stellen Merkregeln der in ihnen enthaltenen Konzepte dar, die auf einer Philosophie der Ausgewogenheit der Gegenteile und Akzeptieren der Veränderung basieren.
Historische Reihenfolgen
Historisch sind mehrere Reihenfolgen der Zeichen aufgetreten:
Wilhelm nennt bei den 8 Grundzeichen die frühe oder vorweltliche Folge nach den Gegensatzpaaren (die er in seinem Werk verwendet) und die spätere, innerweltliche Folge nach dem zeitlichen Hervortreten der Kräfte (Donner, Wind, Regen etc.) im Kreislauf des Jahres.
Die Struktur des Mawangdui-Textes unterscheidet sich von der des Textus receptus: Es fehlt die Paarbildung zwischen zwei aufeinanderfolgenden Hexagrammen, außerdem ist die Reihenfolge der Hexagramme völlig anders. Sie sind im Mawangdui I-Ging systematisch geordnet:
In den Hexagrammen jeder Gruppe sind alle acht Trigramme vertreten. Jeweils ein Hexagramm, das aus zwei gleichen Trigrammen besteht – ein sogenanntes Doppelzeichen – führt eine Achtergruppe von Hexagrammen an, wobei das obere Trigramm innerhalb einer Gruppe das gleiche bleibt und das untere Trigramm nach einer bestimmten Abfolge wechselt. Die Abfolge der unteren Trigramme bleibt in allen acht Gruppen bestehen, ist aber von jener der oberen Trigramme verschieden:
- Reihenfolge der oberen Trigramme (die Anführer der 8 Hexagramm-Gruppen):
-
Himmel, Berg, Wasser, Donner, Erde, See, Feuer, Wind
- Reihenfolge der unteren Trigramme (zyklisch versetzer Beginn):
-
Himmel, Erde, Berg, See, Wasser, Feuer, Donner, Wind, :/:
Das ergibt als Abfolge:
- Gruppe:
1. Himmel/Himmel, 2. Erde/Himmel, 3. Berg/Himmel,
usw.; - Gruppe:
9. Berg/Berg; 10. Himmel/Berg
, und so fort:
1.Gruppe: 2.Gruppe: 3.Gruppe: 4.Gruppe: 5.Gruppe: 6.Gruppe: 7.Gruppe: 8.Gruppe: Darstellung der Hexagramme am Computer
Die 64 Hexagramme sind bereits im Unicode-Zeichensatz enthalten, müssen auf unicodefähigen Betriebssystemem (dies sind praktisch alle nach 2000 erschienen Betriebssysteme) also nicht gezeichnet, sondern können wie normaler Text eingegeben werden. Die Hexagramme besitzen die hexadezimalen Zeichennummern (code points) 4DC0 bis 4DFF.
Methoden der Weissagung
Das I Ging geht auf schamanische Orakeltechniken in vorgeschichtlichen Zeiten zurück, es wurde und wird auch als Orakel befragt. Allerdings ist dies nur eine der sieben traditionellen daoistischen Interpretationen des I Ging (andere wären zum Beispiel philosophisch/ethische/moralisch, magische, alchemistische ...). Zu diesem Zweck wird jeweils eines der 64 Hexagramme ausgewählt, und der mit dem Hexagramm assoziierte Text gelesen und interpretiert, insgesamt bilden acht Hexagramme eine komplette Vorhersage.
Das Schildkrötenorakel
Wie erwähnt, liegen die Wurzeln des I Ging in den alten Schildkrötenorakeln, bei denen Panzer von Schildkröten im Feuer erhitzt wurden, und aus den entstehenden Muster von Rissen Interpretationen gewonnen wurden. Dabei wurden die Orakelzeichen auf den Panzer aufgemalt, und Funde solcher Orakelknochen zählen zu den ältesten Belegen altchinesischer Schriftzeichen.
Das Schafgarbenorakel
Das Auswählen des Hexagrammes erfolgte ursprünglich unter Verwendung von 50 getrockneten Stängeln der Schafgarbe, heute werden dazu dünne Stäbchen aus Holz, Metall oder Elfenbein verwendet.
Dem Schafgarbenorakel liegt eine komplizierte Numerologie zugrunde.
- Nach einer rituellen Reinigung des Raumes werden die 50 Stäbchen in die linke Hand genommen und eines weggelegt, danach werden die 49 verbliebenen in zwei Haufen geteilt, und durchgezählt. Je nach Rest ermittelt man die Zahl 2 oder 3.
- Dieser Vorgang wird dreimal vollzogen, und die ermittelten Zahlen addiert: Es ergeben sich acht mögliche Kombinationen mit den Summen 6, 7, 8 und 9. Die 6 und 8 entsprechen einem Yin (). Die 7 und 9 entsprechen Yang ().
- Dieser Vorgang wird sechs mal wiederholt, daraus ergeben sich von unten nach oben die sechs Striche des Hexagramms.
- Die mit den Ziffern 6 und 9 ermittelten Linien oder Striche eines Zeichens sind die wandelnde Linien, durch die ihr jeweiliges Gegenteil ihren Platz einnimmt, und dadurch in eines der 63 anderen Zeichen auflösen.
Die wandelnde Linien (易章 / 易章, Yì zhāng) geben dem Hauptsinn eines Zeichens einen Zusatzhinweis (Strichurteil), daher werden diese Striche im Text besonders beschrieben und einzeln interpretiert. Sie sind es, die dem Zhōu yì seinen Namen eingebracht haben, wie auch Yì jīng, unter dem es heute bekannt ist.
Das Schafgarbenorakel ist daher ein Vorgang, bei dem das Durchzählen der 50 (bzw. 49) Stängel für ein komplettes Hexagramm achtzehnmal wiederholt werden muss – so man eine komplette Vorhersage möchte. Die Linien wiederum ergeben, von unten nach oben, ein Hexagramm, dessen Kua und Wandlungen im I Ging erläutert wird.
Daher gibt es bei den Voraussagen mit allen denkbaren Möglichkeiten wandelnder Linien eine Wahrscheinlichkeit von 1⁄16,7 Mio, genau dieselbe Weissagung zu erhalten.
Wilhelm und später C. G. Jung betonten, dass der Fragesteller durch den manuellen Vorgang des Aufteilens der Stängel einen gewissen „Input“ aus seinem Unterbewussten in die Befragung einbringt, die somit keinen reinen Zufallsprozess darstellt. „Je tiefer [der Fragende] − nicht nur in seinen bewussten Gedanken, sondern in den Tiefen seines Unterbewusstseins − eingedrungen ist, desto klarer und verständlicher werden ihm die Orakel zufallen. Sein Unbewusstes lenkt gleichsam seine Bewegungen, sodass er das Zeichen sich aufbaut, das für ihn von Bedeutung ist.“ (Wilhelm, 1922) Diese Methode erfordert Erfahrung und Können und setzt vertiefte philosophische Kenntnisse voraus.
Das Münzorakel
Später entwickelte sich deshalb eine Methode, um einfachere Fragestellungen schneller zu beantworten, in Form eines Münzorakels.
Diese Art des Orakels wurde in China wahrscheinlich seit der Epoche der streitenden Reiche (403–221 v. Chr.) angewandt. Der Legende nach wurde das Münzorakel des I Ging durch den daoistischen Eremiten und Philosophen Gui Guo Zi entwickelt. Die Münzmethode fand in der chinesischen Gesellschaft bald eine weite Verbreitung. Die Anzahl der jeweils verwendeten Münzen war jedoch unterschiedlich. In Verbindung mit dem I Ging setzte sich schließlich die Methode der drei Münzen weitestgehend durch. Die Befragung des Orakels sollte unmittelbar nach oder während der Meditation erfolgen.
Der Vorderseite einer Münze ist die Zahl 3 zugeordnet, der Rückseite die Zahl 2. Dann folgt die Methode analog zum Schafgarbenorakel.
Siehe auch
Literatur
- Anthony, Carol K.: Handbuch zum klassischen I Ging. Diederichs, München 1989, 1. Auflage 1989, ISBN 3-424-00997-0.
- Bohn, Hermann G.: Die Rezeption des Zhouyi in der chinesischen Philosophie. ISBN 3-89675-282-0.
- Chu-San D. Bölter: Yi Jing, Das Buch der Wandlung. ISBN 3-89620-092-5.
- Diederichs, Ulf (Hrsg.): Erfahrungen mit dem I Ging. Vom kreativen Umgang mit dem Buch der Wandlungen. Diederichs, Köln 1984, 1. Auflage, ISBN 3-424-00791-9.
- Eichler, Norbert A.: Das Buch der Wirklichkeit, Das I Ging für das Wassermann-Zeitalter. Rowohlt TB, Hamburg 1985, ISBN 3-499-17921-0.
- Engler, Friedrich K.: Die Grundlagen des I-Ching. Leben, Lebensgesetze, Lebensordnung. Aurum Verlag, Freiburg im Breisgau 1987, ISBN 3-591-08242-2.
- Franciscus Adrian: Die Schule des I Ging, Die Praxis. Diederichs Verlag, München 2000, ISBN 3-424-01248-3.
- Geurts, Hubert: I Ging − Einführung für Europäer. Gruppe-M-Verl.-Ges., 2007, ISBN 3-935270-10-0.
- Giebel, Wilhelm Josef: Das Dreifaltige Himmelszelt im Entschlüsselten I-Ging. Books on Demand GmbH, Norderstedt März 2007, ISBN 978-3-8334-7792-8.
- Hanslian, Alois & Yazdtschi, Maryam: I Ging-Orakel / Die Weisheit des Tao. Aquamarin-Verlag GmbH, ISBN 3-894-27040-3.
- Hertzer, Dominique: Das alte und das neue Yijing. Die Wandlungen des Buches der Wandlungen. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01329-3.
- Hertzer, Dominique: Das Mawangdui-Yijing. Text und Deutung. Diederichs, München, ISBN 3-424-01307-2.
- Hook, Diana Ffarington: I Ging für Fortgeschrittene. Strukturen, Kräfte, Kombinationen. Diederichs, Köln 1983, 1. Auflage, ISBN 3-424-00743-9.
- Keidel-Joura, Christine: I Ging − Erkenne die Chancen, die das Leben dir bietet. ISBN 3-934647-81-2.
- Li Yan: Das illustrierte I Ging. Verlag für fremdsprachige Literatur, 1997, ISBN 7-119-01994-5.
- Moog, Hanna (Hrsg.): Leben mit dem I Ging. Erfahrungen aus Kunst, Therapie, Beruf und Alltag. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01331-5.
- Osten, René van (Hrsg): Die Offenbarung des Absoluten in der Phänomenalität des Lebendigen. Ordnung, Struktur, Ausdruck und Bewegungsdynamik von Leben im Strichcode des Yijing. ZhanDao Edition, 2007, ISBN 978-3-9811863-0-7.
- Ritsema, Rudolf: Eranos Yi Jing (I Ging). Das Buch der Wandlungen. Mit Konkordanz. O. W. Barth, 2001, ISBN 3502610533.
- Schönberger, Martin: Verborgener Schlüssel zum Leben, Weltformel I-Ging im genetischen Code. Scherz Verlag, München 1981.
- Walter, Katya: Chaosforschung, I Ging und genetischer Code. Diederichs, München 1992, ISBN 3-424-01111-8.
- Wen Kuan Chu, Wallace A. Sherrill: Astrologie des I Ging. Diederichs, München 1982, ISBN 3-424-00875-3.
- Wilhelm, Hellmut: Die Wandlung. Acht Essays zum I Ging. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, 1. Auflage, ISBN 3-518-37646-2.
- Wilhelm, Richard: I Ging, Das Buch der Wandlungen. Die Originalübersetzung. ISBN 3-424-00061-2.
Weblinks
- Vollständiger deutscher Text des I Ging in der Übersetzung von Richard Wilhelm (1924) mit Münz-Wurftabelle im Gutenberg-Projekt
- komplettes deutsches I Ging in Übersetzung von Richard Wilhelm und zusätzlichen Kommentaren
- Vorwort von Carl Gustav Jung für die englischsprachige Ausgabe des I Ging von Richard Wilhelm
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm, Hellmut (1955): Sinn des I Ging. München. Hier S. 7.
- ↑ Wilhelm, Hellmut (1955): Sinn des I Ging. München. Kapitel 1: "Der Zeitbegriff im Buch der Wandlungen, S. 7-33.
- ↑ Dominque Hertzer: Das alte und das neue Yijing. Eugen Diederichs Verlag, München 1996, S. 185
- ↑ Hertzer, S. 197
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